psychoneuro 2007; 33(7/08): 314
DOI: 10.1055/s-2007-986478
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schizophrenie - Paliperidon ER: Innovatives orales Retardpräparat

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Publication Date:
27 August 2007 (online)

 
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    Die hohen Rezidivraten sind eines der Hauptprobleme in der Langzeittherapie der Schizophrenie. Um auch langfristig die nötige Medikamenten-Compliance zu gewährleisten, sollte ein Antipsychotikum eine einfache Einnahme mit einer guten Wirksamkeit, geringen Nebenwirkungen und minimalen Arzneimittelwechselwirkungen verbinden. Das im Dezember 2006 in den USA zugelassene Paliperidon ER kommt diesen Idealvorstellungen sehr nahe. Das zeigen die Ergebnisse der Zulassungsstudien an mehr als 2 200 Patienten. Die europaweite Zulassung (Invega®) ist Mitte dieses Jahres erfolgt.

    Bei dem Wirkstoff handelt es um den aktiven Metaboliten des bekannten Atypikums Risperidon. Paliperidon ER wird einmal täglich eingenommen und soll durch eine spezielle Freisetzungstechnologie einen relativ gleichmäßigen Plasmaspiegel über 24 Stunden erzielen: Der Tablettenüberzug wird durch die Magensäure aufgelöst und die Freisetzung beginnt im Dünndarm; hier dringt Wasser durch die semipermeable Membran ein, die die Tablette umgibt; das Quellkompartiment der Tablette dehnt sich aus und presst die Wirksubstanz über zwei Freisetzungsporen in der Membran aus dem Medikamentenkompartiment heraus.

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    Abb. 1 Aufbau der Retardkapsel mit der neuen OROS®-Technologie von Paliperidon ER. Die Technologie ermöglicht eine kontrollierte Freisetzung des Wirkstoffs über 24 Stunden, so dass gleichmäßigere Plasmakonzentrationen erreicht werden

    "Bei der bisher üblichen Immediate-Release-Freisetzung wird Dopamin vom D2-Rezeptor beim Plasmapeak der Substanz, der meist 2-4 Stunden nach der Einnahme auftritt, oft vollständig verdrängt. Danach fällt der Substanzspiegel sehr stark ab - bis zum nächsten Peak. Das heißt, das dopaminerge System wird ständig an- und ausgeschaltet", so Ludger Hargarter, Medical Advisor der Firma. Mit Paliperidon ER erziele man dagegen eine kontinuierliche D2-Rezeptorbelegung von 60-80 %. Das hätten PET-Untersuchungen gezeigt. "Wir befinden uns also genau in dem therapeutischen Fenster der Dopaminrezeptorbelegung", sagte Hargarter. Bei mehr als 80 % treten häufiger Nebenwirkungen auf, insbesondere extrapyramidalmotorische Störungen (EPS). Bei weniger als 60 % ist die Wirksamkeit nicht mehr gegeben.

    Da Paliperidon nur zu einem minimalen Anteil über das Cytochrom-P450-System verstoffwechselt und zu mehr als 60 % unverändert über die Nieren ausgeschieden wird, ist das Risiko für Arzneimittelwechselwirkungen - im Gegensatz zu anderen Atypika - nur gering.

    Die Zulassungsstudien zeigen, "dass Paliperidon ER über eine gute Wirksamkeit bei sehr günstigem Nebenwirkungsprofil verfügt", sagte Prof. Hans-Peter Volz, Werneck. In drei doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Studien erhielten Patienten (n = 630, 444, 618), die über mehrere Jahre unter Schizophrenie litten und nun akute Exazerbation zeigten, über sechs Wochen 3, 6, 9 bzw. 12 mg Paliperidon ER/Tag. Der initiale Durchschnittswert der PANSS (Positive and Negative Syndrome Scale) lag bei 90.

    Die durchschnittliche Reduktion des PANSS-Gesamtwertes (gepoolte Daten) betrug in der Placebogruppe 5 und in den Verumgruppen 15-20 Punkte. Alle Dosisarme zeigten einen signifikanten Unterschied (p < 0,001) versus Placebo. "Das ist ein relativ eindrückliches Bild mit deutlicher Wirksamkeit in allen Dosisstufen", urteilte Volz. "Bereits zum ersten Messzeitpunkt - am vierten Tag der Einnahme - bestand in allen Dosisgruppen eine statistisch signifikante Verbesserung des PANSS-Gesamtwertes im Vergleich zu Placebo; es ist also ein rascher Wirkeintritt vorhanden", sagte Volz.

    Die Subgruppenanalysen zeigten ein breites Wirkspektrum auf alle PANSS-Faktoren sowie eine gute Wirksamkeit unabhängig von der Erkrankungsdauer, so Volz. "Paliperidon ER zeigt bei Neuerkrankten und bei chronisch Erkrankten eine gleich gute Wirksamkeit", konstatierte er. "Die Nebenwirkungen, insbesondere auch EPS, lagen auf Placeboniveau", betonte Volz.

    In der Studie zur Rezidivprophylaxe wurde der mittlere PANSS-Gesamtwert während der 8-wöchigen Run-in-Phase (flexible Dosierung) und der nachfolgenden 6-wöchigen Stabilisierungsphase (fixe Dosierung) um 40-50 Punkte reduziert. In der anschließenden doppelblinden Phase erhielten 102 Patienten Placebo und 105 Patienten das Präparat. "Während dieser fast einjährigen variablen Phase rezidivierten unter Paliperidon ER nur rund 30 % der Patienten, während es unter Placebo nahezu 80 % waren, was auf gute rückfallprophylaktische Eigenschaften des Präparats hindeutet", fasste Volz zusammen.

    Anne Bleick

    Presse-Workshop "Innovationen in der medikamentösen Therapie der Schizophrenie: Welche Rolle wird Paliperidon ER spielen?" von Janssen-Cilag in Frankfurt, 13. Februar 2007

     
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    Abb. 1 Aufbau der Retardkapsel mit der neuen OROS®-Technologie von Paliperidon ER. Die Technologie ermöglicht eine kontrollierte Freisetzung des Wirkstoffs über 24 Stunden, so dass gleichmäßigere Plasmakonzentrationen erreicht werden