Als eine Prädisposition für Rückenschmerzen gilt das Übergewicht, was in mehreren
Untersuchungen nachgewiesen werden konnte. Jetzt wurde nachgewiesen, dass Patienten
ab einem BMI > 24,9 weniger von einer konservativen Rückenschmerzbehandlung profitieren
als Normalgewichtige.
Literaturangaben zum Einfluss des erhöhten Körpergewichtes auf das Ergebnis einer
konservativen Therapie aufgrund von Rückenbeschwerden fehlen. Wir untersuchten deshalb
die Effektivität einer stationären konservativen Behandlung bei Patienten mit Rückenschmerzen
unter besonderer Berücksichtigung des Body Mass Index (BMI).
Die konservative Behandlung bei Patienten mit Rückenschmerzen unter stationären Bedingungen
ist effektiv, aber nur für kurze Zeit. Nach wenigen Monaten lässt sich in allen drei
Scores wieder eine Zunahme der Schmerzen bzw. Beeinträchtigungen feststellen, ohne
jedoch den initialen Schweregrad zu erreichen. Ab einem BMI > 24,9 kg/m2 haben die Patienten nicht nur schlechtere Werte in allen drei Scores, sie profitieren
auch mittelfristig signifikant weniger von der konservativen Behandlung. Übergewichtigen
Patienten sollte deshalb dringend zu einer Reduktion des Körpergewichtes geraten werden.
Außerdem scheint eine Fortsetzung der bei der stationären Behandlung eingeleiteten
Therapiemaßnahmen besonders sinnvoll.
Wir untersuchten Patienten mit Rückenschmerzen allein oder in Kombination mit Beinschmerzen,
die sich trotz Ausschöpfung einer ambulanten konservativen Therapie oder Rehabilitationsmaßnahme
therapieresistent zeigten. Ferner wurden Patienten eingeschlossen, die schmerzbedingt
ambulant nicht mehr führbar waren. Eine akute oder dringliche Operationsindikation
durfte nicht vorhanden sein.
Physikalische Maßnahmen und Rückenschule
Physikalische Maßnahmen und Rückenschule
28 Männer und 37 Frauen wurden innerhalb eines Zeitraumes von 11 Monaten aufgrund
von Rückenschmerzen stationär konservativ in unserer Klinik behandelt. Das Durchschnittsalter
betrug 59,8 Jahre (25,5-87,6 Jahre). Die Patienten gaben an, seit etwa 9,4 Jahren
an Rückenschmerzen zu leiden. 46 Patienten litten an zusätzlichen Beinschmerzen über
einen mittleren Zeitraum von 3,6 Jahren. Die im Vordergrund stehenden Diagnosen sind
in der (Abb. [1]) dargestellt. Die durchschnittliche stationäre Behandlungsdauer betrug 9,8 Tage.
Alle Patienten erhielten an ihre Diagnosen individuell angepasste konservative Maßnahmen
mit Physiotherapie (Entspannungsübungen in der Akutphase, Muskelkräftigung, Haltungsschulung,
Rumpfstabilisierung, Traktionen, manuelle Therapie), physikalischen Anwendungen (Fango,
Rotlicht, Heißluft, Massage, Elektrotherapie, Bewegungs- oder Stangerbäder) und Rückenschule.
Außerdem wurden diese Maßnahmen medikamentös unterstützt, wofür Analgetika (NSAR,
Stufe I-III Analgetika), Muskelrelaxantien, Antidepressiva und Antiepileptika eingesetzt
wurden. Zusätzlich wurden Injektionen (Facetteninfiltrationen, periradikuläre Therapie,
subkutane Infiltrationen) mit einem Lokalanästhetikum und ggf. mit Zusatz eines Steroids
durchgeführt. Bei der Entlassung aus der stationären Behandlung wurde den Patienten
eine Fortsetzung der eingeleiteten konservativen Therapie empfohlen.
Abb. 1 Vorrangige Diagnosen der 65 Patienten, Mehrfachnennungen waren möglich
Fragebögen
Fragebögen
Jedem Patienten wurde ein Fragebogen in dreifacher Ausführung ausgehändigt, der zu
folgenden Zeitpunkten ausgefüllt werden sollte:
-
Vor Beginn der stationären Behandlung
-
Am Ende der stationären Behandlung
-
3 Monate nach der stationären Behandlung
Neben Angaben zu Größe und Gewicht sollten die Patienten ihre aktuelle Schmerzintensität
anhand der Visuellen Analog Skala (VAS) (0 = kein Schmerz, 10 = stärkster vorstellbarer
Schmerz) einstufen und die jeweiligen Fragen gemäß dem Oswestry Low Back Pain Disability
Questionnaire (ODI) und dem Roland-Morris-Score (RM) beantworten.
Die daraus ermittelten Ergebnisse wurden anhand des zeitlichen Verlaufes und in Abhängigkeit
des Body Mass Index (BMI in kg/m2) ausgewertet. Signifikante Unterschiede wurden statistisch mittels t-Test (p < 0,05)
errechnet. Der BMI wurde gemäß Garrow and Webster in drei Gruppen eingeteilt (< 25
= Normalgewicht; 25,0-29,9 = leichtes Übergewicht; > 29,9 = Adipositas).
VAS Werte bei Normalgewichtigen niedriger
VAS Werte bei Normalgewichtigen niedriger
Der BMI betrug im Gesamtkollektiv im Mittel 27,4 kg/m2 (17,9-45,0 kg/m2). Normalgewichtig waren 22 Patienten, leicht übergewichtig 27, und eine Adipositas
zeigten 16 Personen. Zu Beginn der Behandlung betrug die Schmerzintensität durchschnittlich
6,9 auf der VAS, bei Entlassung 3,7 und beim Follow-up 5,5 (Abb. [2]). Ab einem BMI > 24,9 kg/m2 waren zu allen 3 Zeitpunkten die Werte auf der VAS um ca. 2 Grade höher als bei den
Normalgewichtigen. Eine ähnliche Tendenz zeigten der ODI und RM mit stärkeren Beeinträchtigungen
der Übergewichtigen (Abb. [3], [4]). Außerdem lagen die ermittelten Werte beider Scores zu Beginn der Behandlung jeweils
höher (entsprechend einer stärkeren Beeinträchtigung) als bei Entlassung. Nach 3 Monaten
stiegen sie zwar wieder an, erreichten jedoch die Ausgangswerte nicht.
Abb. 2 Verlauf der VAS, *= signifikanter Unterschied (B=Beginn, E=Ende der stationären
Behandlung, 3 Mon. = 3 Monate nach stationärer Behandlung)
Abb. 3 Verlauf des ODI, *= signifikanter Unterschied (B=Beginn, E=Ende der stationären
Behandlung, 3 Mon.=3 Monate nach stationärer Behandlung)
Abb. 4 Verlauf des RM, *= signifikanter Unterschied (B=Beginn, E=Ende der stationären
Behandlung, 3 Mon.=3 Monate nach stationärer Behandlung)
Kurzes Follow-up
Kurzes Follow-up
Die hier vorgestellte Studie bezieht sich lediglich auf die Ergebnisse nach 3 Monaten,
was sicherlich für weitere Schlussfolgerungen einen zu kurzen Zeitraum darstellt.
Ein längeres Follow-up von mindestens einem Jahr ist nötig und wird bereits verfolgt.
Eine weitere Limitierung bei der Interpretation der Resultate ist die Tatsache, dass
eine komplette Beantwortung der Fragen zu den Scores für den ODI und RM zum 2. Befragungszeitpunkt
(Ende der stationären Behandlung) nicht in allen Punkten vollständig möglich war.
Angaben z. B. zum Gesellschaftsleben oder Reisen / Fortbewegen konnten die Patienten
direkt bei der Entlassung natürlich nicht korrekt machen. Schließlich muss man einschränkend
anmerken, dass nicht alle Patienten konsequent die Fortführung der konservativen Therapie
unter ambulanten Bedingungen praktiziert haben, wofür heutzutage sicher auch die limitierten
Budgets der niedergelassenen Ärzte mitverantwortlich gemacht werden können.
Dr. Dorothea Daentzer
Dr. Dorothea Daentzer,
PD Dr. med. Christian H. Flamme,
Orthopädische Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover, Klinik II im Annastift,
Email: daentzer@tiscali.de