Der Klinikarzt 2007; 36(8): 478
DOI: 10.1055/s-2007-986578
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CCR5-Inhibition bei HIV-Infektion - Neues Wirkprinzip bereichert therapeutisches Spektrum

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Publication Date:
23 August 2007 (online)

 
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Da HIV-Patienten lebenslang behandelt werden müssen, sind Nebenwirkungen und potenzielle Langzeittoxizitäten einer antiretroviralen Therapie von großer klinischer Bedeutung. Daher richtet sich der Fokus bei der Suche nach neuen Medikamenten auf möglichst wirksame und gleichzeitig gut verträgliche Wirkstoffe - Anforderungen, die der CCR5-Inhibitor Maraviroc laut aktuellen Studiendaten erfüllt, meinte Prof. Jürgen Rockstroh, Bonn. Die Zulassung der neuen Substanz darf nach dem positiven Votum des europäischen "Committee for Medicinal Products for Human Use" (CHMP) bereits für dieses Jahr erwartet werden, in den USA ist die Zulassung Anfang August erteilt worden.

Schon die Infektion der CD4-Zelle verhindern

Die bisher zur Verfügung stehenden antiretroviralen Medikamente - Protease-Inhibitoren (PI) sowie nukleosidische und nichtnukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI und NNRTI) - greifen in die HIV-Replikation innerhalb der Wirtszelle ein und stoppen so die Vermehrung des Virus. Ein Eindringen des HI-Virus in die Wirtszelle können sie aber nicht verhindern. Genau dazu sind die neuen CCR5-Antagonisten, die so genannten Entry-Inhibitoren aber in der Lage, so Rockstroh.

Denn diese blockieren den Chemokin-Rezeptor 5 (CCR5) auf der Oberfläche der menschlichen CD4-Zellen und unterbrechen so den Lebenszyklus der HI-Viren zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt. Bei immerhin mehr als 80 % der therapienaiven sowie bei 47-62 % der intensiv vorbehandelten Patienten sind Viren zu finden, die diesen CCR5-Rezeptor als Eintrittspforte in die Zelle nutzen. Ob ein Patient mit einem solchen sogenannten CCR5-tropen Virus infiziert ist, kann man mithilfe eines Labortests feststellen.

Wirksam und verträglich bei vorbehandelten Patienten

Die Effektivität der Substanz, so Prof. Gerd Fätkenheuer, Köln, zeigte sich zum Beispiel in den Ergebnissen der beiden Phase-IIb/III-Studien MOTIVATE[1] 1 und 2. An beiden Studien nahmen insgesamt mehr als 1000 über mindestens sechs Monate antiretroviral vorbehandelte Patienten mit CCR5-Tropismus teil. Keiner von ihnen hatte auf eine mindestens vierwöchige Therapie mit einem unveränderten Regime angesprochen. Zudem wiesen die Studienteilnehmer Resistenzen auf. Im Rahmen der Studie erhielten sie dann eine optimierte Basistherapie (OBT) plus Placebo oder Maraviroc (einmal bzw. zweimal täglich).

Zwischenanalysen nach 24 Wochen zeigten eindrucksvolle virologische Ansprechraten: Unter der zusätzlichen Maraviroctherapie sank die Viruslast bei 44,0 bzw. 45,3 % der Patienten unter die Nachweisgrenze (< 50 HIV-RNA-Kopien/ml), während dies unter der alleinigen Basistherapie nur bei 23,0 % der Patienten der Fall war. Außerdem stieg die Zahl der CD4±Zellen unter Maraviroc signifikant stärker an (+108,6 bzw. +106,3 Zellen/µl) als unter Placebo (+57,4 Zellen/µl).

Hinsichtlich der Häufigkeit unerwünschter Nebenwirkungen waren keine klinisch relevanten Unterschiede zwischen Verum und Placebo zu beobachten. Maraviroc zeigte ein günstiges Verträglichkeitsprofil.

Eine Option auch bei therapienaiven Patienten

Ähnlich gute Ergebnisse für Maraviroc wie im MOTIVATE-Programm präsentierte Prof. Michael Saag, Birmingham (USA), jetzt auf der Konferenz der International AIDS Society. Auch in der MERIT[2]-Studie stellte Maraviroc seine Effizienz unter Beweis. Diesmal allerdings waren therapienaive CCR5-trope HIV-Infizierte über 48 Wochen entweder mit Maraviroc (zweimal 300 mg täglich) oder mit Efavirenz (einmal täglich 600 mg) behandelt worden - jeweils zusätzlich zu einer Zidovudin-Lamivudin-Basistherapie (n = 633).

Im direkten Vergleich: ähnliche Ansprechraten

Dabei sank unter der Maraviroctherapie bei 65,2 % der protokollgemäß behandelten Patienten die Viruslast unter die Nachweisgrenze von 50 Kopien/ml. Wurde die Ansprechrate weniger streng definiert (Viruslast unter 400 Kopien/ml) sprachen sogar 75,3 % der Patienten auf die Therapie an. Im Vergleichsarm waren die Ansprechraten mit 69,2 (Nachweisgrenze: 50 Kopien/ml) bzw. 78,9 % allerdings noch ein wenig besser.

Diese geringfügigen Unterschiede zwischen den beiden Behandlungsgruppen zeigten sich interessanterweise jedoch nur bei Patienten aus den Studienzentren auf der Südhalbkugel, also bei argentinischen, südafrikanischen oder australischen HIV-Infizierten. In den Zentren der nördlichen Hemisphäre (Nordamerika, Europa) waren die Ansprechraten vergleichbar.

Immunabwehr wird gestärkt

Allerdings kam es unter Maraviroc nur zu halb so vielen AIDS-definierenden Ereignissen der Kategorie C (z. B. Infektionen oder maligne Erkrankungen) wie unter Efavirenz (1,7 versus 3,3 %). Ebenfalls besser schnitt der Entry-Inhibitor bezüglich der CD4±Zellzahlen nach der Therapie ab: Hatten die Patienten Maraviroc erhalten, stieg ihre CD4±Zellzahl im Vergleich zum Ausgangswert um 170 Zellen/mm3, unter Efavirenz fiel der CD4±Zellanstieg mit 144 Zellen/mm3 geringer aus.

Geringere Zahl an Nebenwirkungen

Auch bezüglich des Nebenwirkungsprofils war der CCR5-Inhibitor übrlegen: In dieser Studiengruppe waren weniger unerwünschte Ereignisse des Schweregrades 3 oder 4 aufgetreten als unter der Efavirenztherapie. Die häufigsten Nebenwirkungen unter Maraviroc waren Nasopharyngitis und Bronchitis, während unter Efavirenz häufiger Schwindel, Durchfall, ungewöhnliche Träume oder Hautauschlag auftraten. Außerdem kam es unter Efavirenz häufiger zu Erhöhungen der Lipidspiegel. Die Inzidenz an stark erhöhten Transaminasen war in beiden Studienarmen vergleichbar.

Quelle: Pressemitteilung "Maraviroc reduziert nach 48-wöchiger Behandlung die HI-Viruslast bei nicht vorbehandelten Patienten", herausgegeben von der Pfizer Deutschland GmbH, Karlsruhe

Dr. Margarete Steinhorst, Mosbach

Quelle: Symposium "Extrazelluläre Virusabwehr - Paradigmenwechsel in der ART", anlässlich des Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongresses, veranstaltet von der Pfizer Deutschland GmbH, Karlsruhe

01 Maraviroc plus Optimized background Therapy In Viremic Antiretroviral Treatment-Experienced patients

02 Maraviroc versus Efavirenz Regimens as Initial Therapy

01 Maraviroc plus Optimized background Therapy In Viremic Antiretroviral Treatment-Experienced patients

02 Maraviroc versus Efavirenz Regimens as Initial Therapy

 
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