Zwischen der Höhe des Blutdrucks und dem kardiovaskulären Risiko besteht ein linearer
Zusammenhang [1]. Um einen Schwellenwert für die Erhöhung des Blutdrucks festzulegen und damit die
Notwendigkeit einer Behandlung anzuzeigen, wurde ein Grenzwert von 140/90 mmHg festgelegt
[2]. Dieser Grenzwert soll jedoch bei kardialen Risikopatienten deutlich unterschritten
werden (Diabetes: <130/<80 mmHg) [2]. Trotz einer Vielzahl von verfügbaren Antihypertensiva ist die Blutdruckeinstellung
aber vielfach nicht optimal [3] und selbst bei guter Blutdruckeinstellung bleibt ein Restrisiko der arteriellen
Hypertonie bestehen, das über das kardiale Risiko normotensiver Vergleichspersonen
hinausgeht. Ursachen dafür sind ausweislich einer Analyse der HOT(Hypertension Optimal
Treatment)-Studie weitere metabolische Risikofaktoren, die trotz optimaler Blutdruckeinstellung
persistieren. Sie sind zum Teil durch die Art der Pharmakotherapie determiniert.
Studie untersucht Diabetes-Inzidenz durch Pharmakotherapie
Studie untersucht Diabetes-Inzidenz durch Pharmakotherapie
Schon seit 1958 ist bekannt, dass einzelne Antihypertensiva die Glukosetoleranz verschlechtern
und die Patienten häufiger einen Diabetes mellitus entwickeln, als wenn sie mit Placebo
behandelt worden wären ([4], [5]). Bisher war es allerdings schwierig, die mit der Hypertonie und begleitenden Risikofaktoren
einhergehende Diabetes-Inzidenz gegenüber einer Pharmakotherapie induzierten Diabetes-Inzidenz
abzugrenzen. Um diese Frage zu beantworten, wurde von Elliott und Meyer eine Netzwerk-Metaanalyse
durchgeführt und im Lancet veröffentlicht [6]. Sie umfasst die Daten von 143153 Patienten aus 22 randomisierten klinischen Studien.
Von besonderem Interesse war in diesem Kontext der Vergleich von ACE-Hemmern mit AT1-Rezeptorblockern, da für beide Substanzen bereits ein günstiger Effekt im Hinblick
auf die Diabetes-Entwicklung gezeigt wurde. AT1-Rezeptorblocker waren in einer traditionellen Metaanalyse in allen bisher durchgeführten
Vergleichen den jeweiligen Vergleichssubstanzen überlegen. Hier lagen aktuelle Daten
zu Losartan im Vergleich zu Betablockern aus der LIFE-Studie (OR 0,73; 95% CI 0,62-0,87),
zu Valsartan im Vergleich zu Kalziumantagonisten aus der VALUE-Studie (OR 0,78; 95%
CI; 0,70-0,88) und zu Candesartan vor. Candesartan reduzierte in der ALPINE-Studie
die Diabetes-Inzidenz gegenüber Thiaziden (OR 0,12; 95% CI 0,01-0,97), sowie in den
kombinierten Daten aus SCOPE und CHARM im Vergleich zu Placebo (OR 0,80; 95% CI 0,67-0,95).
AT1-Rezeptorblocker wurden jedoch bisher nicht direkt mit ACE-Hemmern in randomisierten
Studien mit dem Endpunkt Diabetes-Entwicklung verglichen. Die methodische Besonderheit
der Netzwerk-Metaanalyse erlaubt jedoch auch den indirekten Vergleich zweier Therapiestrategien,
die in direkten Vergleichsstudien nicht untersucht wurden.
Vergleich von AT1-Rezeptorblockern und ACE-Hemmern
Vergleich von AT1-Rezeptorblockern und ACE-Hemmern
Unter der Behandlung mit AT1-Rezeptorblockern, ACE-Hemmern, Kalziumantagonisten oder auch Placebo zeigte sich
eine deutlich geringere Diabetes-Inzidenz. Referenz war eine Diuretika-Therapie. Diese
Aussage galt nicht für Patienten, die mit Betablockern behandelt wurden (Abb. [1]).
Abb. 1 Patienten mit einem AT1-Rezeptorblocker (ARB), ACE-Hemmern, Kalziumkanalblockern (CCBs) oder nur Placebo-Medikation
entwickeln seltener einen Diabetes als Patienten mit Diuretika-Behandlung. (nach Elliott (6))
Nahm man dagegen Placebo als Referenz, konnte keine statistisch unterschiedliche Diabetes-Inzidenz
für ACE-Hemmer, Kalziumantagonisten und Betablocker gezeigt werden (Abb. 2). Während
Diuretika-behandelte Patienten allerdings signifikant häufiger einen Diabetes entwickelten
(OR 1,30; 95% CI 1,07-1,58) als unter Placebo, war die Diabetes-Inzidenz unter einer
Behandlung mit AT1-Rezeptorblockern deutlich reduziert (OR 0,75; 95% CI 0,61-0,91). Individuelle Vergleiche
zwischen ACE-Hemmern und AT1-Rezeptorblockern beziehungsweise zwischen Betablockern und Diuretika erbrachten allerdings
keine statistische Signifikanz.
Abb. 2 Patienten mit einem AT1-Rezeptorblocker (ARB) entwickeln seltener einen Diabetes und Patienten mit einer
Betablocker- oder Diuretika-Therapie häufiger einen Diabetes als Patienten unter Placebo.
CCBs = Kalziumkanalblocker. (nach Lam [7])
Die Ergebnisse der Metaanalyse wurden in zwei Leserbriefen von Lam & Owen [7] sowie von Johnston [8] diskutiert. Lam & Owen merkten an, dass das von Elliott gewählte Modell nicht für
zufällige Effekte aus randomisierten Studien mit mehreren Behandlungsarmen korrigiert
sei. Sie schlugen eine Bayesian Netzwerk-Analyse vor und präsentierten auch deren
Ergebnisse: Zusätzlich signifikant höhere Diabetes-Inzidenz unter der Verwendung von
Betablockern im Vergleich zu Placebo (OR 1,25; 95% CI 1,06-1,50) bei ansonsten vergleichbaren
Aussagen. Johnston bemerkte in seiner Stellungnahme, dass, je neuer ein Medikament
sei, umso weniger Diabetes-Entwicklung zu beobachten sei und führte das auf die weniger
lange Erfahrung mit diesen Medikamenten zurück. Dieser Aussage wurde von Elliott mit
dem Einwand widersprochen, dass neuere Medikamente - sozusagen als Zulassungskriterium
- besser sein müssten als alte und dass die nicht zugelassene Substanzklasse der Vasopeptidase-Inhibitoren
beziehungsweise der Endothelin-Antagonisten dafür ein gutes Beispiel sei.
"Rangordnung" der Substanzen mit diabetogener Potenz belegt
"Rangordnung" der Substanzen mit diabetogener Potenz belegt
Zusammenfassend scheinen die Daten der vorliegenden Analyse hinreichend robust, um
Unterschiede in der diabetogenen Potenz verschiedener Substanzklassen zu belegen.
Die Autoren folgern aus ihrer Arbeit, dass es sozusagen eine "Rangordnung" gebe, die
von AT1-Rezeptorblockern angeführt werde und bei welcher Diuretika das Schlusslicht bilden.
Kommentar - Was bedeuten die Studienergebnisse für die Therapie?
Kommentar - Was bedeuten die Studienergebnisse für die Therapie?
Diuretika sind heute zu Recht aufgrund der Senkung von Morbidität und Mortalität wichtige
Bausteine in der Therapie von Patienten mit arterieller Hypertonie. Vielfach sind
sie unverzichtbarer Bestandteil einer antihypertensiven Kombinationstherapie, dessen
Einsatz eine adäquate Blutdrucksenkung überhaupt erst erlaubt. Sinnvoll ist hier ein
in vielen Fixkombinationen von zum Beispiel AT1-Rezeptorblockern mit niedrig dosierten Diuretika umgesetztes Therapieprinzip, das
erst kürzlich in einer Analyse von Law und Kollegen bestätigt wurde [9]. Er konnte in seinen Analysen zeigen, dass es bei Diuretika, Betablockern und Kalziumantagonisten
zu einer Dosis-abhängigen Zunahme nicht nur der Wirksamkeit, sondern auch der Nebenwirkungen
kommt, während die Nebenwirkungen einer RAS-Blockade in allen Dosierungen vergleichbar
waren. Seine Empfehlung, eine hoch dosierte RAS-Blockade mit niedrig dosierten Nicht-RAS-Blockern
zu kombinieren, hat sich bis heute auch in der Praxis durchgesetzt.
Diuretika und Betablocker nur begrenzt geeignet
Als Monotherapie erscheinen Diuretika allerdings auf der Basis der vorliegenden Daten
nur begrenzt geeignet. Während die amerikanischen Guidelines des Joint National Committee
on the Prevention, Detection, Evaluation and Treatment of High Blood Pressure (JNC
VII) [10] die Verwendung von Diuretika weiterhin empfehlen, halten sich europäische Empfehlungen
hier deutlich zurück [2]. Großbritannien geht mit den Konsequenzen aus diesen Erkenntnissen noch deutlich
weiter. Aufgrund der befürchteten ökonomischen Konsequenzen einer Diabetes-Entwicklung
werden Diuretika und Betablocker hier als Medikamente der dritten beziehungsweise
vierten Wahl eingestuft [11]. Eingewendet wird in diesem Kontext gelegentlich die fehlende Evidenz für die kardiovaskuläre
Bedeutung der Diabetesentwicklung [12]. Dieses Fehlen erscheint allerdings aufgrund der Langfristigkeit der beschriebenen
Veränderungen nur zu verständlich und kann nicht als Legitimation für Medikamente
mit geringeren Stückkosten herhalten [13].
Problematik bei jüngeren und kardialen Risikopatienten
Insbesondere bei zwei definierten Patientengruppen erscheint der Einsatz von Diuretika
und auch Betablockern problematisch: Bei jüngeren Patienten ist die Nachhaltigkeit
der beschriebenen metabolischen Veränderungen unter Diuretika und Betablockern ein
wichtiger Aspekt. Bei einer Diagnosestellung im Alter von 35 Jahren und einer voraussichtlichen
Behandlungsdauer von mehr als 40 Jahren sollte metabolischen Komplikationen ein besonderes
Augenmerk gewidmet werden. Obwohl randomisierte, kontrollierte Studien zu dieser Fragestellung
aufgrund der niedrigen kurzfristigen Inzidenz von kardiovaskulären Ereignissen in
dieser Patientengruppe fehlen, ist hier einer RAS-Blockade und im Hinblick auf die
niedrigere Inzidenz von weiteren Nebenwirkungen (Stichwort: Husten bei ACE-Hemmern)
den AT1-Rezeptorblockern der Vorzug zu geben [14]. Das NICE empfiehlt daher gerade für junge Patienten den Einsatz von RAS-blockierenden
Substanzen. Eine weitere Patientengruppe, bei denen der Einsatz von hoch dosierten
Diuretika schwierig erscheint, sind kardiale Risikopatienten (z. B. Patienten mit
metabolischem Syndrom). Diese Patienten weisen neben der arteriellen Hypertonie eine
Reihe weiterer metabolischer Veränderungen auf. Das metabolische Syndrom ist vor allem
bei älteren Patienten Hinweis auf eine begleitende Glukosetoleranzstörung, eine spätere
Diabetesentwicklung und häufigere kardiovaskuläre Ereignisse. Daher erscheint der
Einsatz von Diuretika hier kontraproduktiv.
Von AT1-Rezeptorblockern profitieren besonders zwei Patientengruppen
Zusammenfassend sehe ich auf Basis der vorliegenden Analyse einen Einsatz von AT1-Rezeptorblockern insbesondere bei jüngeren Patienten, deren Bluthochdruck häufig
durch eine Angiotensin-II-Erhöhung gekennzeichnet ist und bei denen die langfristige
metabolische Neutralität und gute Verträglichkeit ein wichtiges Anliegen ist. Darüber
hinaus profitieren Patienten mit Metabolischem Syndrom sowie Patienten mit Typ-2-Diabetes
vom Einsatz von AT1-Rezeptorblockern, da diese im Hinblick auf die Entwicklung eines Diabetes, aber auch
weiterer Endorganschäden günstige Effekte nachgewiesen haben. Häufig ist der AT1-Rezeptorblocker hier Bestandteil einer antihypertensiven Kombinationstherapie.
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