psychoneuro 2007; 33(10): 428-429
DOI: 10.1055/s-2007-992874
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Spastizität und Dystonien ökonomisch behandeln - Botulinum Neurotoxin Typ A

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Publication Date:
14 November 2007 (online)

 
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Botulinumtoxin A kann heute sicher und effizient bei den unterschiedlichsten Indikationen, die mit muskulärer Übererregbarkeit einhergehen, eingesetzt werden. Was aber, wenn die lokale intramuskuläre Injektion mit Botulinumtoxin A auf einmal nicht mehr wirkt? Nach Prof. Dr. Gerhard Reichel, Chefarzt des Kompetenzzentrums für Bewegungsstörungen an der Paracelsus Klinik Zwickau, kommen dafür drei Hauptursachen in Frage: 1. Probleme beim Patienten, 2. Progression der Erkrankung und 3. Fehler beim Arzt. So können soziale Probleme und Ängste das Therapieergebnis bei Krankheiten wie Dystonien beeinflussen, auch wenn diese nur in geringem Maß psychischen Einflüssen unterliegen. Dystonien können sich zudem im Lauf der Zeit verändern, z.B. bei einer zervikalen Dystonie, weitere Hals- oder Rückenmuskeln betreffen oder sich von einer auf die andere Seite verlagern. Dem behandelnden Arzt können Fehler unterlaufen wie unzureichende Aufklärung über mögliche Therapieeffekte, oder Nebenwirkungen, falsche Krankheits-, Syndromdiagnose oder Muskelanalyse (falscher Muskel, zu hoch, zu tief, falsche Dosis, falscher Zeitpunkt). Richtig eingesetzt, können mit Botulinumtoxin für alle Beteiligte sehr befriedigende Ergebnisse erreicht werden. "Bei Therapieversagern sollten spezielle Techniken wie Bildgebung oder Elektromyografie eingesetzt werden, um zu verhindern, dass dystone Anteile/Muskeln nicht behandelt werden bzw. dass Botulinumtoxin in nichtdystone Anteile injiziert wird", empfahl Reichel. Eine Bildung neutralisierender Antikörper ist nach den bisherigen Erfahrungen unter komplexproteinfreiem Botulinum Neurotoxin Typ A (Xeomin®) unwahrscheinlich.

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Wann sollte wie lange therapiert werden?

Eine Indikation zur Therapie mit Botulinum Neurotoxin A besteht bei Spastizität mit lokalem Behinderungsschwerpunkt bei der im für die Therapie vorgesehenen Bewegungssegment (eine oder mehrere Körperregionen) trotz ausreichendem Einsatz von physikalischen Maßnahmen weiterhin eine relevante Spastik besteht, die zu Funktionsbeeinträchtigung oder Spasmen führt. Dabei sollte ein Einverständnis zur Behandlung durch den Betroffenen oder gesetzlichen Betreuer, sowie ein mit Patient/Betreuer oder Pflegenden vereinbartes realistisches Behandlungsziel definiert sein und ein Zeitraum bis zur Re-Evaluation zwecks Abklärung der Zielerreichung vereinbart werden, erklärte Prof. Jörg Wissel von der Neurologische Rehabilitationsklinik Beelitz.

Bei richtiger Anwendung sind bei Dystonien z.B. Botulinum Neurotoxin A (Xeomin®) Injektionen als alleinige Therapie bei vielen Patienten zur adäquaten Symptomkontrolle ausreichend. Auch bei Spastizität können mit Botulinum-Neurotoxin-A-Injektionen als alleinige Therapie der Muskeltonus gesenkt und die passive Motilität von Gelenken verbessert werden, was allerdings bei Patienten im Stadium einer chronischen Spastik häufig nicht ausreicht, sodass hier dann eine Kombination mit redressierenden Maßnahmen und aktivem Training besonders der Antagonisten empfohlen wird. Dabei ist bei Spastizität eine Therapie mit Botulinum Neurotoxin A so lange gerechtfertigt, wie ein realistisches Behandlungsziel zwar noch nicht erreicht ist, aber dieses nach Einschätzung des Behandlers durch weitere Behandlungen (ohne oder in Kombination mit adjuvanten physikalischen oder anderen Verfahren) realistisch erreichbar erscheint.

KW

Quelle: Satellitensymposium "Botulinum Neurotoxin Typ A" im Rahmen des 80. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) am 13. September in Berlin, unterstützt von Merz Pharmaceuticals GmbH