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DOI: 10.1055/s-2007-995682
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Die Infrarot-Erytheme
Vom Infrarot-A- und Infrarot-C-Erythem zum Erythema ab igne[1] The Infrared ErythemasFrom Infrared A and C Erythema to Erythema ab igne[1]Prof. Dr. med. Hans Meffert
Chausseestraße 17
10115 Berlin
Email: hans.meffert@web.de
URL: http://www.dermatologie-berlin.de
Publication History
Publication Date:
05 May 2008 (online)
Zusammenfassung
Infrarot-(IR-)Bestrahlung kann Effekte an der Haut verursachen bzw. durch Ultraviolett (UV), Licht oder andere physikalische oder chemische Einwirkungen verursachte Effekte verstärken oder auch abschwächen. Verglichen mit dem UV sind unsere Kenntnisse über IR-Wirkungen eher spärlich. Nach intensiver Bestrahlung mit wIRA (wassergefiltertes IR, 3000 W/m2; 1440 kJ/m2) stieg die Hauttemperatur innerhalb weniger Minuten auf 45,3 °C an. Es kam zu homogener Rötung, die nur wenig auf die nicht exponierte Haut übergriff und innerhalb von etwa 120 Minuten verschwand. IRC (langwelliges IR, 500 - 1000 W/m2; 900 - 1800 kJ/m2) führte rasch zu einem zunächst überwiegend homogenen Erythem, das sich bald über die bestrahlte Fläche hinaus ausdehnte, sich dabei - anders als nach moderatem IRA-Strahlenfluss - bald retikulär bis dendritisch umstrukturierte und noch Stunden nach Ende der Bestrahlung deutlich zu erkennen war. Es zeigten sich deutliche Unterschiede in der Morphe und im Verlauf von UV-, IRA- und IRC-Erythemen. Wegen auffälliger Ähnlichkeiten von IR-Erythemen und Erythema ab igne kann die Abhängigkeit IRC-ausgelöster Erytheme von der Bestrahlungsstärke, -dosis und Frequenz möglicherweise Hinweise auf die Entstehung chronischer Schadwirkungen im Gewebe und ihre Rolle bei vorzeitiger Hautalterung und Krebsentstehung liefern.
Abstract
Infrared (IR) radiation can cause some effects in human skin as well as intensify or diminish effects which are caused by ultraviolet (UV), visible light or other physical or chemical means. Compared to UV, our knowledge of IR effects on human beings is rather low. Following intensive irradiation with wIRA (water-filtered IR, 3000 W/m2; 1440 kJ/m2) skin surface temperature rose up to 45.3 °C within six minutes. Intensive reddening appeared which just a little bit spread over the non-exposed skin and disappeared within some 120 minutes. IRC (long-wave IR, 500 - 1000 W/m2; 900 - 1800 kJ/m2) quickly provoked a predominately homogenous erythema, which soon spread out of the border of exposed skin, and, contrary to moderate IRA fluences, soon transformed itself reticular or dendritic, and was still clearly recognisable after some hours. There were distinctive differences between morphology and time course of erythemas provoked by UV, IRA or IRC. Due to some conspicuous similarities between IRC erythemas and erythema ab igne, it is speculated that experimental IR erythemas could give hints for fluence, irradiance, frequency and doses which are critical of premature skin aging or cancer development.
Einleitung
Etwa 43 % der die Erdoberfläche erreichenden Solarstrahlung sind dem Infrarot (IR) zuzuordnen. Dennoch wurde dem IR wegen der im Vergleich zum Ultraviolett (UV) kleineren Quantenenergie bislang weniger Aufmerksamkeit gewidmet. Verglichen mit UV und Sichtbarem (VIS) fällt die sehr unterschiedliche Eindringtiefe der IR-Teilbereiche in menschliche Haut auf. Während auf die Haut auftreffendes langwelliges IR (IRC) größtenteils bereits in der Epidermis in Wärme umgewandelt wird, dringen erhebliche Mengen von kurzwelligem IR (IRA) als Strahlen bis tief in die Subkutis ein ([Abb. 1]). So wird IRA primär auf größere Gewebsvolumina verteilt als die restliche optische Strahlung, und die durch IRA verursachte Wärme kann teilweise mit dem strömenden Blut besonders effektiv abtransportiert werden. Es ist umstritten, ob das IR der Solarstrahlung allein oder im Zusammenwirken mit UV oder VIS eine Ursache erwünschter oder unerwünschter Wirkungen sein kann.
Günstige Wirkungen von Anwendungen von künstlich erzeugtem IR in der Sauna oder IR-Kabine zu Prophylaxe, Therapie, Fitness und Wellness wurden unlängst in dieser Zeitschrift besprochen [1]. Hier wird über unterschiedliche Morphen und unterschiedlichen zeitlichen Verlauf von Erythemen berichtet, die durch IR-Strahlung unterschiedlicher spektraler Teilbereiche verursacht werden. Strukturell ähneln einige dieser Erytheme dem Erythema ab igne und können möglicherweise als Hinweise auf drohende Krebsentwicklung aufgefasst und genutzt werden.

Abb. 1 Penetration optischer Strahlung in helle menschliche Haut. Kurzwelliges Infrarot (IRA, 780 - 1500 nm) dringt tiefer als IRC, Sichtbares oder Ultraviolett in die Haut ein. IRA verteilt sich primär über größere Gewebevolumina. Die in der Tiefe entstandene Wärme kann effektiv mit dem strömenden Blut verteilt werden.
Material und Methoden
Probanden und Messdaten
Die Erytheme wurden auf der Rückenhaut voll aufgeklärter, hautgesunder Probanden in Höhe der Schulterblätter erzeugt. Der Studie war von der Ethik-Kommission am Universitätsklinikum Charité, Berlin, mit ihrem Votum vom 20. 12. 2002 zugestimmt worden. Die quantitative Bewertung der Erytheme erfolgte durch Messung der Hautfarbe an den exponierten Flächen vor, während und nach der IR-Bestrahlung im Lab-Farbraum gemäß CIE mithilfe eines Farbmessgeräts vom Typ spectro pen® (Fa. Dr. Lange, Düsseldorf). Die Hautoberflächentemperatur wurde synchron mit einem IR-Thermometer von Typ Raynger PM (Raytec Inc. Santa Cruz, USA) erfasst.
UV-Bestrahlungen
UV-Erytheme wurden durch Bestrahlung der Rückenhaut mit 1,6 minimalen Erythemdosen (MED) eines UVB-betonten Niederdruckfluoreszenzbrenners (Arimed-B®, Cosmedico Licht GmbH, Stuttgart) erzeugt. Die Bestrahlungsfelder mit Durchmessern von 2, 5, 12, 20 und 25 mm wurden mit UV-undurchlässigem Material umgeben ([Abb. 2]).

Abb. 2 Schablone und zugeordnete Erytheme 24 Stunden nach UV-Bestrahlung. Die UV-Erytheme sind scharf begrenzt und haben sich nur innerhalb den bestrahlten Flächen ausgebildet.
IRC-Bestrahlungen
IRC-Erytheme wurden durch Bestrahlung der Rückenhaut mit einem metallischen, in IR-Wärmekabinen eingesetzten IRC-Radiator mit einer Temperatur von etwa 708 K hervorgerufen. Bestrahlungsstärke: 200 - 1000 W/m2.
IRA-Bestrahlungen
IRA-Erytheme wurden durch Bestrahlung der Rückenhaut mit wassergefilterter IR-Strahlung hervorgerufen (IR-A-Bestrahlungsgerät „wIRA-Strahler”, Typ Hydrosun 505, Hydrosun Medizintechnik, Müllheim).
Ergebnisse
UV-Erytheme
Werden von UV-undurchlässigem Material umgebene Felder menschlicher Haut UV-bestrahlt, so resultieren nach 24 Stunden scharf begrenzte, uniform tingierte Erytheme, deren Größe derjenigen der Bestrahlungsfelder entspricht ([Abb. 2]).
IRC-Erytheme
Ein schwach ausgeprägtes IRC-Erythem (nach 500 W/m2; 1200 kJ/m2) lässt neben leichter Rötung auch retikulär-dendritische Strukturen erkennen, beschränkt sich weitgehend auf die bestrahlte Fläche von 10 × 15 cm und bildet sich innerhalb von weniger als 30 Minuten vollständig zurück ([Abb. 3]).
Nach 750 W/m2 und 1800 kJ/m2 erscheint rasch ein zunächst überwiegend homogenes IRC-Erythem, das sich bald über die bestrahlte Fläche hinaus ausdehnt, sich dabei retikulär-dendritisch umstrukturiert und noch 60 Minuten nach Bestrahlungsende deutlich zu erkennen ist ([Abb. 4]).
Nach weiterer Erhöhung der IRC-Bestrahlungsstärke (1000 W/m2; 480 kJ/m2) rötet sich die Haut noch schneller und intensiver. Rötung und retikulär-dendritische Strukturen persistieren über Stunden ([Abb. 5]).

Abb. 3 Erythem nach IRC-Exposition (500 W/m2; 1200 kJ/m2) unmittelbar nach der Exposition und nach Abklingzeiten von 15, 30 und 60 Minuten. Das schwach ausgeprägte Erythem lässt neben geringer Rötung auch dendritische Strukturen erkennen, beschränkt sich weitgehend auf die bestrahlte Fläche und bildete sich innerhalb von weniger als 30 Minuten vollständig zurück.

Abb. 4 Erythem nach IRC-Exposition (750 W/m2; 1800 kJ/m2) unmittelbar nach der Exposition und nach Abklingzeiten von 15, 30 und 60 Minuten. Es erscheint ein zunächst überwiegend diffuses Erythem, das sich bald über die bestrahlte Fläche hinaus ausdehnt, sich dabei retikulär-dendritisch umstrukturiert und noch 60 Minuten nach Bestrahlungsende deutlich erkennbar ist.

Abb. 5 Erythem nach IRC-Exposition (1000 W/m2; 900 kJ/m2) unmittelbar nach der Exposition und nach Abklingzeiten von 15, 30 und 60 Minuten. Nach weiterer Erhöhung der IRC-Bestrahlungsstärke ist die Haut noch intensiver und über Stunden persistierend gerötet.
IRA-Erytheme
Anders stellen sich IRA-Erytheme dar. Unter Bestrahlung mit wassergefilterter IR-Strahlung steigt die Hautoberflächentemperatur innerhalb von 6 Minuten auf 45,3 °C an. Wegen heftigen Hitzeschmerzes wurde die Bestrahlung nach sechs Minuten abgebrochen. Es zeigt sich eine homogene Rötung, die nur wenig auf die nicht bestrahlte Haut übergreift, unmittelbar nach der Bestrahlung am stärksten ausgeprägt ist und innerhalb von 40 Minuten verschwindet. Zum gleichen Zeitpunkt haben auch Hauttemperatur und -farbe (Lab-Werte) wieder ihre Ausgangswerte erreicht. Retikuläre oder dendritische Strukturen bildeten sich nicht aus. In der folgenden Abbildung ist menschliche Haut vor IRA-Bestrahlung und 10, 20 und 40 Minuten danach dargestellt. Die blauen Kreise entsprechen dem Bestrahlungsfeld von 10 cm Durchmesser.
Nach noch größeren, stark schmerzauslösenden IRA-Dosen (> 2000 W/m2) kommen innerhalb der homogen geröteten Fläche zunächst hellere Flecke zum Vorschein. Dann erscheinen dendritische Strukturen, die gröber und farblich weniger differenziert sind als die in IRC-Erythemen.
Diskussion
Die Erytheme
1961 schrieb Bücker, dass das Wärme-Erythem fleckig und nicht auf den Einwirkungsbereich begrenzt ist. Es entsteht kurze Zeit nach der Einwirkung und wird mit zunehmender Dosis stärker. Bei 45 °C Hauttemperatur wird die Schmerzgrenze überschritten [2]. Unseres Wissens sind durch spektrale Teilbereiche der IR-Strahlung wie IRA bzw. IRC provozierte Erytheme bisher nicht vergleichend untersucht worden. Wie im UV erwiesen sich IRC-Erytheme in unseren Untersuchungen als abhängig von der
-
Dosis,
-
Bestrahlungsstärke,
-
Wellenlänge.
Anders als im UV waren die IRC-Erytheme gekennzeichnet durch
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kurze Latenzzeiten (Minuten),
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verzögerte Rückbildung je nach Bestrahlungsstärke und Dosis im Verlauf von etwa 30 Minuten bis zu 6 Stunden,
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uneinheitliche Tingierung,
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unscharfe, wechselnde Begrenzung,
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häufig retikulär-dendritische Strukturen nach vorhergehender diffuser Rötung,
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Ausdehnung über die bestrahlte Fläche hinaus,
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Änderungen von Form, Färbung und Ausdehnung oft innerhalb von Minuten.
IRA-Erytheme erschienen gröber strukturiert und weniger differenziert gefärbt als IRC-Erytheme. Weitere Untersuchungen sollen klären, ob und inwieweit nicht-thermische Effekte eine Rolle spielen und ob die beschriebenen morphologischen Unterschiede der IRA- bzw. IRC-Erytheme qualitativer Natur sind oder beide Arten primär als Hitze-Erytheme aufgefasst werden müssen, deren unterschiedliche Ausprägung auf der primär stärkeren räumlichen Verteilung der angewandten IRA-Bestrahlungsstärken und -mengen beruht. Nach IRA- wie IRC-Exposition kam es initial zu homogener Rötung. Dann kamen retikulär-dendritische Strukturen zum Vorschein. Die homogene Rötung ist offensichtlich durch Gefäßweitstellung und Mastzell-Degranulation mit vermehrter Freisetzung von Mediatoren bedingt (vgl. Schulze [3], Juhlin [4]). Die retikuläre Rötung nach IRC entspricht wohl weitgestellten größeren Gefäßen, am ehesten Venolen, zum Abtransport der Wärme. Vermutlich sind diese Erytheme nur deswegen beim IRC zu sehen, weil die Wärme hier schichtweise zur Tiefe hin abgeleitet wird. Beim IRA könnten die Venolen aufgrund der größeren Tiefenwirkung eventuell schon schneller weitgestellt werden und sich in der diffusen Rötung verstecken.
Besonderheiten des IRA
Von allen Arten optischer Strahlung dringt IRA am tiefsten in den menschlichen Organismus ein. Anders als IRC, dessen primäre Wirkungen vor allem auf die Epidermis beschränkt sein dürften, reicht der primäre Wirkbereich des IRA von der Epidermis bis tief in die Subkutis ([Abb. 6]). Es ist nicht bekannt, ob das IR in moderat dosierter Solarstrahlung eine Ursache wesentlicher erwünschter oder unerwünschter Wirkungen sein kann. Wichtige Fragen harren der Antwort. Wirkt das IR des Sonnenlichtes auf die Haut karzinogen? Trägt es zur Verbesserung der UV-induzierten Vitamin-D-Ausbeute in der Haut bei? Anders als im UV sind im IR keine Aktionsspektren bekannt. Um spektral verteilte Wirkungen im IR beschreiben zu können, sollte zunächst - wie im UV - der Einfluss der Wellenlänge auf Art und Ausprägung der Erytheme charakterisiert werden.

Abb. 6 Haut vor IRA-Exposition (3000 W/m2; 1440 kJ/m2; oben links) und Erythem unmittelbar danach (oben rechts), sowie nach Abklingzeiten von 20 und 40 Minuten (unten links und rechts). Nach der IRA-Exposition homogene Rötung, die nur wenig auf die nicht exponierte Haut übergreift und innerhalb von etwa 120 Minuten verschwindet. Keine retikulären oder dendritische Strukturen.
Weitere Wirkungen der IR-Strahlung auf die Haut
Der technische Fortschritt ermöglicht immer mehr Menschen immer mehr IR-Exposition. Deshalb sollten Anstrengungen unternommen werden, um bald einen Kenntnisstand zu erreichen, der dem auf dem UV-Gebiet entspricht. Die Intensität künstlich erzeugter IR-Strahlung kann die der Sonne übertreffen ([Abb. 7]).

Abb. 7 Spektrum der solaren Bestrahlungsstärke als Funktion der Wellenlänge auf einer horizontalen Fläche in Berlin bei wolkenlosem Himmel und bei einer Sonnenhöhe über dem Horizont von 58³ mit einem Gesamtbetrag von Etotal = 695,07 W/m-2 (1) im Vergleich zu den Spektren der Bestrahlungsstärke eines wIRA-Strahlers (Typ Hydrosun 505 mit Rotfilter RG 665/3 mm, Kurve 2), einer IR-Halogenlampe (Philips, 750 W, Tc = 1750 K, Kurve 3) und eines IR-C-Strahlers mit Reflektor (T = 708 K, Kurve 4). Die Gesamtbestrahlungsstärke eines jeden dieser Strahler betrug Etotal = 1000 W/m-2. Die Intensität von künstlich erzeugtem IRA kann die der Sonne deutlich übertreffen.
Auch deshalb sind Untersuchungen der Wirkungen von IR- emittierenden Strahlenquellen auf die Haut dringend erforderlich. Berufsbedingt können Schweißer besonders stark der IR- (und UV-)Strahlung ausgesetzt sein.
Trotz aller Fortschritte im Arbeitsschutz kommen bei ihnen in Zeiten großen Arbeitsdruckes auch massive UV- und Hitze-Erytheme vor, Hautkrebse dagegen selten [5]. Große IR-Dosen werden zur Laser- oder LED-Skin rejuvenation (Hautverjüngung [!]) angewandt. So besserten sich die schlaffen Doppelkinne von Greisen nach 1100 - 1800 nm-Bestrahlungen dramatisch [6]. Gesichtsfalten und -verfärbungen als Folgen der Lichtalterung besserten sich nach sehr vielen, täglichen IRC-Bestrahlungen [7]. Diese und weitere ähnliche Beobachtungen erfolgten an Menschen. 1984 interpretierten L. H. Kligman und A. M. Kligman den damaligen Kenntnisstand dahingehend, dass sie glauben, dass IR stark zum chronischen Sonnenschaden der Haut beitrage [8]. Generell können Ergebnisse von In-vitro-Experimenten mit isolierten biologischen Substraten schwierig zu deuten sein. Das unmittelbare Übertragen der Ergebnisse von In-vitro-Experimenten auf den Menschen ist nicht ohne Weiteres zulässig. Das unverzichtbare, oft vernachlässigte Bindeglied zwischen Grundlagenforschung und Anwendung am Menschen ist die Anwendungsforschung am Menschen. Versuchen zufolge, die meist in vitro durchgeführt wurden, kann IR-Strahlung je nachdem krebsverursachend, -auslösend, -verhindernd oder -heilend wirken.
Erythema ab igne
Nicht mit den bisher besprochenen Erythemen sollte das 1911 von dem Berliner Dermatologen A. Buschke beschriebene Erythema ab igne (EAI; Buschkesche Hitzemelanose) verwechselt werden. Ein EAI kann an Stellen entstehen, die gewohnheitsmäßig überwärmt werden. Die dabei auftretende lokale Erwärmung des Gewebes reicht für regelrechte Verbrennung nicht aus und liegt meist unter der Hitzeschmerzgrenze oder im Grenzbereich entstehenden Hitzeschmerzes. Sie lässt nach Monaten bis Jahren retikuläre bis dendritische Flecke entstehen, die sich zunächst rötlich, dann zunehmend bräunlich verfärben. Schilderungen von Hautschäden durch künstlich erzeugte Wärmestrahlen oder durch den Hautkontakt mit erhitzten Materialien finden sich bereits in Publikationen aus der Frühzeit der Gewerbedermatologie. Es waren Summationseffekte, die bei Angehörigen damaliger Hitzeberufe wie Schmied, Schlosser, Schweißer, Glasmacher, Glasbläser, Lokomotivheizer, Bäcker oder auch bei im Rampenlicht agierenden Schauspielern ein EAI hervorriefen. Auf dem Boden des EAI können sich Plattenepithelkarzinome entwickeln. Diese wurde eher als regionale Kuriosa bekannt, als „schottischer Kaminkrebs”, „Turf Fire Cancer” irischer Bäuerinnen oder asiatischer „Kangri-Krebs.” Letzterer entstand nach häufigen Hitzeexpositionen durch unter dem Mantel getragene Öfchen oder erhitzte Steine.
Heute ist das EAI eine Rarität, die der Hautarzt gelegentlich über den Schulterblättern von Personen sieht, die sich gewohnheitsmäßig mit dem Rücken an einen Kachelofen schmiegen oder nach sehr häufigem Gebrauch von Heizkissen an der Bauchhaut bzw. Laptops auf dem Schoße oder auch von Heißluftgebläsen. Gegenwärtig interessiert uns, ob das EAI als Warnsignal für bevorstehende Entstehung von Hautkrebs genutzt werden kann.
Im feingeweblichen Bild ist das EAI durch dermale Ablagerungen von Melanin und Hämosiderin, eine Zunahme der elastischen Fasern und gelegentlich auch durch eine reaktive Neubildung von Blutgefäßen gekennzeichnet [9]. Atypische Keratosen sind nur vereinzelt beschrieben [10]. Zumindest in frühen Stadien bildet sich ein EAI nach Meiden der angeschuldigten Hitze- oder IR-Quellen spurlos zurück [9].
Es stellt sich die Frage, ob die nach starker IR-Bestrahlung entstehenden, dem EAI ähnelnden Erytheme als Hinweis auf drohende Krebsentwicklung aufgefasst und genutzt werden können.
Literatur
- 1 Meffert H, Piazena H. Wirkungen künstlich erzeugter Infrarotstrahlung auf den Menschen. Akt Dermatol. 2002; 28 187-192
- 2 Bücker H. Zur Erythemwirkung optischer Strahlung. UV-Erythem - Wärmeerythem. Strahlentherapie. 115; 1961 136-143
- 3 Schulze H J, Schmidt R, Mahrle G. Das Infrarot- (IR-)Erythem. Z Hautkr. 1985; 60 938-944
- 4 Juhlin L, Civier A, Shroot S, Hensby C. Effect of infrared irradiation on the recoverable levels of free arachidonic acid and prostaglandins in human forearm skin. J Invest Dermatol. 1983; 81 297-300
- 5 Tenkate T D. Optical radiation hazards of welding arcs. Rev Environ Health. 1988; 13 131-146
- 6 Goldberg D J. et al . Treatment of skin laxicity of the lower face and neck in older individuals with a broad spectrum infrared light device. J Cosmet Laser Ther. 2007; 9 35-40
- 7 Lee J H. et al . Effects of infrared radiation on skin photo-aging and pigmentation. Yonsei Med J. 2006; 47 485-490
- 8 Kligman L H, Kliman A M. Comment. Reflections on heat. Br J Dermatol. 1984; 110 369-375
- 9 Mitsubashi . et al . Cutaneous reactive angiomatosis occuring in erythema ab igne can cause atypia in endothelial cells: potential mimic of malignant vascular neoplasma. Pathol Int. 2005; 55 431-435
- 10 Arrington 3rd J H, Lockman D S. Thermal keratoses and squamous cell carcinoma in situ associated with erythema ab igne. Arch Dermatol. 1979; 115 1226-1228
1 Nach einem Vortrag anlässlich des VI. Symposiums „Licht und Gesundheit” am 13. und 14. März 2008 an der Technischen Universität Berlin.
Prof. Dr. med. Hans Meffert
Chausseestraße 17
10115 Berlin
Email: hans.meffert@web.de
URL: http://www.dermatologie-berlin.de
Literatur
- 1 Meffert H, Piazena H. Wirkungen künstlich erzeugter Infrarotstrahlung auf den Menschen. Akt Dermatol. 2002; 28 187-192
- 2 Bücker H. Zur Erythemwirkung optischer Strahlung. UV-Erythem - Wärmeerythem. Strahlentherapie. 115; 1961 136-143
- 3 Schulze H J, Schmidt R, Mahrle G. Das Infrarot- (IR-)Erythem. Z Hautkr. 1985; 60 938-944
- 4 Juhlin L, Civier A, Shroot S, Hensby C. Effect of infrared irradiation on the recoverable levels of free arachidonic acid and prostaglandins in human forearm skin. J Invest Dermatol. 1983; 81 297-300
- 5 Tenkate T D. Optical radiation hazards of welding arcs. Rev Environ Health. 1988; 13 131-146
- 6 Goldberg D J. et al . Treatment of skin laxicity of the lower face and neck in older individuals with a broad spectrum infrared light device. J Cosmet Laser Ther. 2007; 9 35-40
- 7 Lee J H. et al . Effects of infrared radiation on skin photo-aging and pigmentation. Yonsei Med J. 2006; 47 485-490
- 8 Kligman L H, Kliman A M. Comment. Reflections on heat. Br J Dermatol. 1984; 110 369-375
- 9 Mitsubashi . et al . Cutaneous reactive angiomatosis occuring in erythema ab igne can cause atypia in endothelial cells: potential mimic of malignant vascular neoplasma. Pathol Int. 2005; 55 431-435
- 10 Arrington 3rd J H, Lockman D S. Thermal keratoses and squamous cell carcinoma in situ associated with erythema ab igne. Arch Dermatol. 1979; 115 1226-1228
1 Nach einem Vortrag anlässlich des VI. Symposiums „Licht und Gesundheit” am 13. und 14. März 2008 an der Technischen Universität Berlin.
Prof. Dr. med. Hans Meffert
Chausseestraße 17
10115 Berlin
Email: hans.meffert@web.de
URL: http://www.dermatologie-berlin.de

Abb. 1 Penetration optischer Strahlung in helle menschliche Haut. Kurzwelliges Infrarot (IRA, 780 - 1500 nm) dringt tiefer als IRC, Sichtbares oder Ultraviolett in die Haut ein. IRA verteilt sich primär über größere Gewebevolumina. Die in der Tiefe entstandene Wärme kann effektiv mit dem strömenden Blut verteilt werden.

Abb. 2 Schablone und zugeordnete Erytheme 24 Stunden nach UV-Bestrahlung. Die UV-Erytheme sind scharf begrenzt und haben sich nur innerhalb den bestrahlten Flächen ausgebildet.

Abb. 3 Erythem nach IRC-Exposition (500 W/m2; 1200 kJ/m2) unmittelbar nach der Exposition und nach Abklingzeiten von 15, 30 und 60 Minuten. Das schwach ausgeprägte Erythem lässt neben geringer Rötung auch dendritische Strukturen erkennen, beschränkt sich weitgehend auf die bestrahlte Fläche und bildete sich innerhalb von weniger als 30 Minuten vollständig zurück.

Abb. 4 Erythem nach IRC-Exposition (750 W/m2; 1800 kJ/m2) unmittelbar nach der Exposition und nach Abklingzeiten von 15, 30 und 60 Minuten. Es erscheint ein zunächst überwiegend diffuses Erythem, das sich bald über die bestrahlte Fläche hinaus ausdehnt, sich dabei retikulär-dendritisch umstrukturiert und noch 60 Minuten nach Bestrahlungsende deutlich erkennbar ist.

Abb. 5 Erythem nach IRC-Exposition (1000 W/m2; 900 kJ/m2) unmittelbar nach der Exposition und nach Abklingzeiten von 15, 30 und 60 Minuten. Nach weiterer Erhöhung der IRC-Bestrahlungsstärke ist die Haut noch intensiver und über Stunden persistierend gerötet.

Abb. 6 Haut vor IRA-Exposition (3000 W/m2; 1440 kJ/m2; oben links) und Erythem unmittelbar danach (oben rechts), sowie nach Abklingzeiten von 20 und 40 Minuten (unten links und rechts). Nach der IRA-Exposition homogene Rötung, die nur wenig auf die nicht exponierte Haut übergreift und innerhalb von etwa 120 Minuten verschwindet. Keine retikulären oder dendritische Strukturen.

Abb. 7 Spektrum der solaren Bestrahlungsstärke als Funktion der Wellenlänge auf einer horizontalen Fläche in Berlin bei wolkenlosem Himmel und bei einer Sonnenhöhe über dem Horizont von 58³ mit einem Gesamtbetrag von Etotal = 695,07 W/m-2 (1) im Vergleich zu den Spektren der Bestrahlungsstärke eines wIRA-Strahlers (Typ Hydrosun 505 mit Rotfilter RG 665/3 mm, Kurve 2), einer IR-Halogenlampe (Philips, 750 W, Tc = 1750 K, Kurve 3) und eines IR-C-Strahlers mit Reflektor (T = 708 K, Kurve 4). Die Gesamtbestrahlungsstärke eines jeden dieser Strahler betrug Etotal = 1000 W/m-2. Die Intensität von künstlich erzeugtem IRA kann die der Sonne deutlich übertreffen.