Diabetes aktuell 2008; 6(1): 6
DOI: 10.1055/s-2008-1061749
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Blutzuckerwerte normalisiert - Patient tot? - Mehr Todesfälle in der intensiv behandelten Gruppe der ACCORD-Studie

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Publication Date:
11 March 2008 (online)

 
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Daten aus verschiedenen Studien ließen den Schluss zu, dass bei Diabetes eine Absenkung des Blutzuckers auf das Niveau von nicht diabetischen Erwachsenen die kardial bedingte Mortalitätsrate senken könnte. Es wurde jedoch eine randomisierte kontrollierte Studie gefordert, um diese Hypothese zu bestätigen - oder zu widerlegen. Die ACCORD-Studie (Action to Control Cardiovascular Risk in Diabetes) sollte untersuchen, ob eine aggressive Senkung des Blutzuckers das Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und hohem Risiko reduziert. In die an 77 Zentren in den USA und in Kanada durchgeführte Studie wurden Patienten zwischen 40 und 82 Jahren aufgenommen, die außer einem Typ-2-Diabetes auch noch mindestens zwei oder mehr Risikofaktoren für kardiale Erkrankungen oder eine bereits diagnostizierte Herzkrankheit haben mussten. Der Diabetes bestand im Durchschnitt seit mindestens zehn Jahren. 5 123 Patienten wurden randomisiert in eine Gruppe mit intensiver Therapie und 5 128 Patienten in eine Gruppe mit Standardtherapie aufgenommen. Zwei weitere randomisierte Studienarme der ACCORD-Studie untersuchen die Auswirkungen der Blutdruck- oder der Lipidkontrolle.

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Anspruchsvolleres Therapieziel führt zu mehr Todesfällen

Im Februar stoppte das National Heart, Lung, and Blood Institute (NHLBI) auf Empfehlung des zehnköpfigen Data and Safety Monitoring Boards aus Sicherheitsgründen 18 Monate vor dem Ende der Studie den Behandlungsarm, in dem bei den Patienten eine aggressive Senkung des Blutzuckers angestrebt wurde. Denn in diesem Behandlungsarm verstarben bis dato 257 Patienten, gegenüber 203 im Behandlungsarm mit der Standardtherapie. Zwar lag die Mortalitätsrate in beiden Gruppen insgesamt niedriger als bei vergleichbaren Populationen in anderen Studien, jedoch führte die Tatsache, dass es bei den intensiv behandelten Patienten im Zeitraum von vier Jahren 53 Todesfälle mehr gab (3 pro Tausend pro Jahr) zum vorzeitigen Stopp dieses Behandlungsarms. "Ganz offensichtlich war die Strategie, den Blutzucker in dieser Gruppe auf Werte zu senken, die niedriger sind als die Empfehlungen der derzeit geltenden Leitlinien, für diese Typ-2-Patienten mit hohem Risiko schädlich", so Prof. Elisabeth G. Nabel, Direktorin des NHLBI. Sie gab jedoch gleichzeitig bekannt, dass die ACCORD-Studie bis zum geplanten Ende im Juni 2009 weiter geführt wird und dass die Patienten aus dem gestoppten Arm jetzt auf die Standardbehandlung eingestellt werden.

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Zielwert HBA1c < 6,0 % zu aggressiv?

Bei den Patienten im jetzt gestoppten Behandlungsarm lag der Zielwert für die Therapie bei einem HBA1c von unter 6,0 %, im Bereich des bei nicht diabetischen Erwachsenen gefundenen Wertes. Der entsprechende Zielwert in der Gruppe mit der Standardbehandlung lag bei 7-7,9 %. In der ACCORD-Studie erreichten die Patienten in der Gruppe mit der aggressiven Behandlungsstrategie im Durchschnitt niedrigere HBA1c-Werte als diejenigen in der Gruppe mit der Standardtherapie: Etwa 50 % erreichten HBA1c-Werte um 6,4 %, unter Standardtherapie erreichten etwa 50 % der Patienten HBA1c-Werte im Bereich von weniger als 7,5 %. In beiden Gruppen lagen die durchschnittlichen Werte niedriger als bei Studienbeginn.

Die Gründe für die höhere Mortalitätsrate in der aggressiv behandelten Gruppe sind nicht klar, vor allem gibt es keine Hinweise dafür, dass ein Medikament oder eine Medikamentenkombination dafür verantwortlich sein könnte. Die meisten Teilnehmer in der aggressiv behandelten Gruppe erhielten mehrere Medikamente. Sowohl in dieser Gruppe wie in der Gruppe mit der Standardtherapie konnten alle von der FDA empfohlenen Substanzen eingesetzt werden, wie Metformin, Glitazone, Insulin, Sulfonylharnstoffe, Exanitide und Acarbose. Wegen der aktuellen Diskussion um das Rosiglitazon wurde hier besonders intensiv geprüft. Es gab aber keine Hinweise auf eine Verbindung zwischen den Todesfällen und dieser Substanz, erklärte Prof. William T. Friedewald, Mitglied im Steering Committee von ACCORD.

So wichtig diese Ergebnisse der ACCORD-Studie auch sind, sie werden auf die Therapie bei den meisten Typ-2-Patienten keinen Einfluss haben, weil die wenigsten Patienten mit einem hohen kardiovaskulären Risiko wie die in der Studie auf Werte hin therapiert werden, die unter den Empfehlungen der Leitlinien liegen, erklärte Prof. Judith Fradkin, Direktorin der Division of Diabetes, Endocrinology, and Metabolic Diseases des National Insitute of Diabetes an Digestive and Kidney Diseases (NIDDK). Ohne ärztlichen Rat sollten Patienten ihre Therapiestrategie oder ihre Therapieziele ohnehin nicht ändern.

gb

Quelle: Newsletter "Diabetes in Control", 13. Februar 2008. ACCORD clinical trial website www.accordtrial.org/public/index.cfm

 
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