psychoneuro 2008; 34(3): 172
DOI: 10.1055/s-2008-1076643
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Tiefe Hirnstimulation bei Morbus Parkinson - Lebensqualität verbessern

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Publication Date:
14 April 2008 (online)

 
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Neben den Kardinalsymptomen Tremor, Rigor und Bradykinese sowie posturaler Instabilität treten bei Morbus Parkinson in der Folgezeit weitere Komplikationen auf, wie z.B. eine demenzielle Entwicklung, Depressionen, Halluzinationen oder autonome Funktionsstörungen, erklärte Prof. Heinz Reichmann, Dresden. Trotz der Fortschritte in der Behandlung führt die Erkrankung zu zunehmender Behinderung und Einschränkung der Lebensqualität. Diese steht daher zunehmend im Mittelpunkt der Behandlung, wie Prof. Claudia Trenkwalder, Göttingen, beim 9. Medtronic Activa®-Forum vorstellte. Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO versteht man unter Lebensqualität die individuelle Einschätzung der eigenen Position im Leben, gemessen an der Kultur und dem jeweiligen Wertesystem, in dem sich das Individuum befindet, und gemessen an seinen individuellen Zielen, Erwartungen, Standards und Bedenken.

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Mehr Lebensqualität mit tiefer Hirnstimulation

Bei Parkinsonpatienten im fortgeschrittenen Stadium beeinträchtigen laut Trenkwalder insbesondere die motorischen Einschränkungen die Lebensqualität, vor allem wenn die Patienten noch im berufstätigen Alter sind. Einer britischen Studie zufolge sind Patienten unter 45 Jahren nach der Diagnosestellung im Durchschnitt nur noch knapp sechs Jahre erwerbstätig [1]. Aber auch der Alltag, die sozialen Beziehungen und Freizeitaktivitäten werden durch die motorischen Einschränkungen belastet. Das therapeutische Fenster ist jedoch eng. Neurochirurgische Behandlungsmöglichkeiten wie die tiefe Hirnstimulation (Deep Brain Stimulation, DBS) stellen für diese Patienten dann eine effektive Ergänzung oder Alternative zu bestehenden Therapien dar, wenn die Wirkung dopaminerger Medikamente nachlässt. Die Lebensqualität der Patienten kann durch die DBS signifikant verbessert werden, betonte Prof. Jens Volkmann, Kiel. Dies zeigte unter anderem eine multizentrische, randomisierte und kontrollierte Studie, die Lebensqualität und motorische Funktion von 156 Parkinsonpatienten mit schweren motorischen Beeinträchtigungen nach DBS bzw. medikamentöser Behandlung verglich [2]. Die Lebensqualität der DBS-Patienten nahm im Vergleich zu den rein medikamentös behandelten Patienten um rund 25% zu (Abb. [1]). Im Vergleich zu den Ausgangswerten konnte dagegen bei der Medikamentengruppe keine Verbesserung der Lebensqualität beobachtet werden.

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Abb. 1 Verbesserung der Lebensqualität unter tiefer Hirnstimulation. Primärer Zielparameter war die Veränderung innerhalb des "Parkinson's Disease Questionnaire" (PDQ-39), eines gut validierten Instruments zur Erhebung der Lebensqualität von Parkinsonpatienten

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Aktuelle Daten zur Sicherheit

Auch hinsichtlich der Sicherheit kann die DBS heute überzeugen. Nach einer Studie mit 1 183 Patienten, die in Deutschland operiert wurden, liegt die postoperative Mortalitätsrate in den ersten 30 Tagen bei 0,4%, wie Prof. Jürgen Voges, Magdeburg, die Ergebnisse einer eigenen Untersuchung an fünf deutschen Zentren vorstellte [3]. Die permanente Morbiditätsrate (hauptamtlich verursacht durch intrakranielle Blutungen) liegt in dieser Studie bei 1,0%.

In Bezug auf Kognition, Affekt und Verhalten kann die DBS heute ebenfalls als sichere Methode bezeichnet werden, schlussfolgerte Dr. Friederike Sixel-Döring, Kassel [4], [5]. Die verbesserte Alltagskompetenz der DBS-Patienten kann jedoch die jahrelange interfamiliäre Rollenverteilung verändern und zu interfamiliären Konflikten führen. "Hier ist es sicherlich sinnvoll, die Patienten einer Psychotherapie zuzuführen. Wir sollten die Patienten sorgfältig nach neuropsychologischen und -psychiatrischen Kriterien beurteilen. Nach der Operation benötigen viele Patienten eine strukturierte Nachsorge", forderte Sixel-Döring.

Sinnvoll für den Patienten wäre sicherlich auch ein möglichst früher Behandlungszeitpunkt. Die anwesenden 112 Neurologen und Neurochirurgen aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz bekundeten bei einer Publikumsbefragung einstimmig, dass die Patienten heutzutage noch zu spät mit der DBS behandelt werden.

Um rasch und sicher erkennen zu können, welche Patienten für eine DBS in Frage kommen, hat ein Expertenteam jetzt für Neurologen das computergestützte Screeningprogramm STIMULUS entwickelt (www.test.stimulus-dbs.org).

Dr. Katrin Wolf, Eitorf

Quelle: "9. Medtronic Activa®-Forum Lebensqualität verbessern" am 15. und 16. Februar 2008 im Magdeburg, veranstaltet von der Medtronic GmbH

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Literatur

  • 01 Schrag A . Banks P . Time of loss of employment in Parkinson's disease.  Mov Disord. 2006;  21 (11) 1839-843
  • 02 Deuschl G . et al . A randomized trial of deep-brain stimulation for Parkinson's disease.  N Engl J Med. 2006;  355 (9) 896-908
  • 03 Voges J . et al . Thirty days complication rate following surgery performed for deep-brain-stimulation.  Mov Disord. 2007;  22 (10) 1486-1489
  • 04 Parsons TD . et al . Cognitive sequelae of subthalamic nucleus deep brain stimulation in Parkinson's disease: a meta-analysis.  Lancet Neurol. 2006;  5 (7) 578-588
  • 05 Avbek S . et al . Long-term cognitive profile and incidence of dementia after STN-DBS in Parkinson's disease.  Mov Disord. 2007;  22 (7) 974-981
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Literatur

  • 01 Schrag A . Banks P . Time of loss of employment in Parkinson's disease.  Mov Disord. 2006;  21 (11) 1839-843
  • 02 Deuschl G . et al . A randomized trial of deep-brain stimulation for Parkinson's disease.  N Engl J Med. 2006;  355 (9) 896-908
  • 03 Voges J . et al . Thirty days complication rate following surgery performed for deep-brain-stimulation.  Mov Disord. 2007;  22 (10) 1486-1489
  • 04 Parsons TD . et al . Cognitive sequelae of subthalamic nucleus deep brain stimulation in Parkinson's disease: a meta-analysis.  Lancet Neurol. 2006;  5 (7) 578-588
  • 05 Avbek S . et al . Long-term cognitive profile and incidence of dementia after STN-DBS in Parkinson's disease.  Mov Disord. 2007;  22 (7) 974-981
 
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Abb. 1 Verbesserung der Lebensqualität unter tiefer Hirnstimulation. Primärer Zielparameter war die Veränderung innerhalb des "Parkinson's Disease Questionnaire" (PDQ-39), eines gut validierten Instruments zur Erhebung der Lebensqualität von Parkinsonpatienten