Dialyse aktuell 2008; 12(2): 63
DOI: 10.1055/s-2008-1077098
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Ein erster Schritt zur künstlichen Niere

Stephanie Schikora
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Publication Date:
05 May 2008 (online)

Schon heute sind in Deutschland nach Angaben der Gesellschaft für Nephrologie über 87000 Menschen auf eine Nierenersatztherapie angewiesen, und die weiteren Prognosen sind bekanntermaßen nicht sehr erfreulich. Aus medizinischer Sicht am besten sind dabei kontinuierliche Verfahren - allen voran natürlich die Nierentransplantation, da eine transplantierte Niere der Funktion der eigenen Niere am Nächsten kommt. Dass aber medizinische Gründe und vor allem der Mangel an Spenderoganen dem entgegenstehen, muss man hier eigentlich nicht extra erwähnen.

Eine relativ kontinuierliche Entgiftung und einen stetigen Flüssigkeitsentzug ermöglicht heute die Peritonealdialyse - ein Verfahren, das allerdings in Deutschland nach Ansicht vieler Experten zu selten eingesetzt wird. Böse Stimmen unterstellen den Dialysezentren und Nephrologen in diesem Zusammenhang oft eigennütziges Interesse: Sie würden die Hämodialyse bevorzugen, um ihre Plätze in den Zentren optimal auszulasten. Dies aber ist ein ganz anderes Kapitel. Eines jedenfalls ist klar: Nicht für jeden Patienten eignet sich eine vergleichsweise kontinuierliche Peritonealdialyse. Gerade für noch relativ junge Patienten hat die Peritonealdialyse ein weiteres, großes Plus, denn sie erlaubt die Entgiftung mit einer vergleichsweise großen Flexibilität.

Jetzt gibt es einen neuen Ansatz, der es den Patienten ermöglichen soll, die Dialyse bei freier Zeiteinteilung durchzuführen, ohne an einen festen Ort gebunden zu sein: ein tragbares, mobiles Hämodialysegerät. Versuche ein solches Gerät zu entwickeln, gab es schon vor 30 Jahren, damals jedoch stieß man schnell an technische Grenzen.

Diese scheinen heute zumindest zu einem großen Teil ausgemerzt. Das Ergebnis ist ein etwa 5 kg schweres, batteriebetriebenes Dialysegerät, das - an einem breiten Gürtel um die Hüften getragen - die gesamte Technik auf kleinstem Raum vereint. Neben der eigentlichen Dialysekammer sowie den Pumpen und Schläuchen, die das Blut wieder zurück in den Körper befördern, enthält das Gerät eine Reihe von Sicherungssystemen, die bei Luftblasen, Blutgerinnseln, Unterdruck oder Undichtigkeit im System Alarm schlagen. Anders als ein „normales” Dialysegerät, das pro Patient und Minute einen halben Liter Dialyseflüssigkeit verbraucht, kommt das tragbare System mit deutlich weniger Flüssigkeit aus, die immer wieder regeneriert wird.

Noch steckt das System jedoch in den Kinderschuhen: So pumpt das Gerät das Blut fünfmal und das Dialysat sogar zehnmal langsamer als herkömmliche Dialysegeräte. Dementsprechend werden bei gleicher Laufzeit deutlich weniger harnpflichtige Substanzen ausgeschieden. Zumindest zum Teil kann dies eine längere Tragedauer zwar ausgleichen, doch welcher Dialysepatient kann und möchte die zusätzlichen 5 kg sechs bis acht Stunden mit sich herumschleppen?

Außerdem ist das System noch nicht ganz ausgereift: Im Rahmen einer von Davenport et al. im Dezember letzten Jahres im Lancet publizierten Studie mit acht Patienten mussten zwei Teilnehmer die Dialyse abbrechen, weil sich Blutgerinnsel im Zugang zum Blutgefäßsystem gebildet hatten (zu wenig Heparin?). Bei zwei weiteren störten Kohlendioxidbläschen die Zirkulation der Dialyseflüssigkeit. In einem weiteren Fall hatte sich eine Nadel gelöst und den Blutfluss unterbrochen.

All diese Probleme werden sich - unter anderem nach Ansicht von Prof. Jan Galle, Lüdenscheid, sicherlich lösen lassen. Trotzdem wird das Gerät seiner Meinung nach aber die bisherigen Verfahren nur ergänzen können. Sicherlich kommen auch für diese Dialyseoption nur ausgewählte Patienten infrage. Nur rund 10 % der derzeitigen Patienten brächten die nötige Souveränität beim Umgang mit dem Gerät mit, schätzt Galle. Nichtsdestotrotz - ein Schritt in Richtung künstliche Niere ist damit sicherlich getan.

Stephanie Schikora

Stuttgart

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