Gastroenterologie up2date 2008; 4(2): 106-107
DOI: 10.1055/s-2008-1077328
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Häufigkeit nichtpolypoider Neoplasien im Kolon - Augen für dezente Mukosaveränderungen schärfen

Jürgen  Pohl
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Publication Date:
16 June 2008 (online)

Kommentar zu:

Prävalenz nichtpolypoider (flacher und eingesunkener) kolorektaler Neoplasien bei asymptomatischen und symptomatischen Erwachsenen

Prevalence of nonpolypoid (flat and depressed) colorectal neoplasms in asymptomatic and symptomatic adults

Soetikno RM, Kaltenbach T, Rouse RV, Park W, Maheshwari A, Sato T, Matsui S, Friedland S; Gastroenterology Section, Veterans Affairs Palo Alto Health Care System, Palo Alto, California 94304, USA

Hintergrund: Bisherige Präventionsstrategien kolorektaler Karzinome zielen darauf, polypoide Neoplasien aufzuspüren und zu entfernen. Schwieriger zu entdecken sind flache Läsionen. Daten zu deren Prävalenz und klinischer Bedeutung sind derzeit knapp.

Methoden: R.M. Soetikno et al. untersuchten in ihrer Studie 1819 konsekutive erwachsene Patienten, davon 1737 Männer, die sich einer routinemäßigen Koloskopie unterzogen. Dies geschah im Rahmen von Screening-Untersuchungen, Überwachungsprogrammen bei familiärer Belastung oder nach eigenen Neoplasien im Kolon sowie bei Patienten, die sich wegen Symptomen wie Anämie, rektalen Blutungen, abdominellen Beschwerden oder Ähnlichem einer Diagnostik unterzogen. Die Autoren verwendeten bei suspekten, nicht eindeutigen Arealen verdünnte Indigokarminlösung und dokumentierten alle Neoplasien. Zudem entnahmen sie Biopsien oder führten Polypektomien bzw. Mukosaresektionen durch. Im Bedarfsfall wurden die Patienten operiert.

Ergebnisse: Die Gesamtprävalenz nichtpolypoider kolorektaler Neoplasien betrug 9,3 %. Dabei gab es abhängig von der Indikation der Untersuchung deutliche Unterschiede: in der Screening-Population lag die Rate bei 5,8 %, in den Überwachungsprogrammen bei 15,4 % und bei den symptomorientierten Untersuchungen bei 6,0 %. Die Gesamtprävalenz solcher Läsionen mit in situ oder submukös invasiven Karzinomen betrug 0,8 %, bei den Screening-Patienten 0,3 %. Insgesamt enthielten flache Läsionen verglichen mit polypoiden häufiger Karzinome, unabhängig von der Größe (Odds Ratio 9,8). Größenadaptiert betrug die Odds Ratio für in situ oder submukös invasive Karzinome in der Screening-Population 2,0 und in den Überwachungsprogrammen 63,7. Das höchste Karzinomrisiko hatte mit 33 % der eingesenkte Typ nichtpolypoider Läsionen.

Folgerung: In der vorliegenden Studie wurden flache kolorektale Neoplasien im Rahmen von Routinekoloskopien relativ häufig diagnostiziert und gingen im Vergleich zu polypoiden Läsionen unabhängig von der Größe häufiger mit Karzinomen einher, so die Autoren.

JAMA 2008; 299: 1027 - 1035

Entartungsneigung flacher Adenome. Da die meisten kolorektalen Karzinome über die Vorstufe von Adenomen entstehen, können mittels Abtragung von Adenomen bei der Vorsorgekoloskopie bis zu 90 % der Karzinome verhindert werden. Dass Adenome nicht nur in polypoider, relativ einfach bei der Koloskopie erkennbarer Wachstumsform, sondern in relevanter Anzahl auch in flachen Wuchsformen vorkommen, ist mittlerweile gut abgesichert. Gerade diese endoskopisch schwerer erkennbaren und deshalb bei der Vorsorgekoloskopie häufig übersehenen flachen Adenome scheinen aber eine besondere Neigung zur Entartung zu haben. Diese Tatsache wird durch diese große monozentrische Querschnittsstudie eindrucksvoll untermauert. Bei 1819 eingeschlossenen Patienten betrug die Prävalenz flacher Neoplasien 9,35 %, und es zeigte sich, dass Neoplasien mit flachen im Vergleich zu polypösen Wuchsformen unabhängig von der Größe ein nahezu 10-fach höheres Risiko für karzinomatöse Entartung hatten. Dabei hatte die Subgruppe der eingesunkenen Adenome sogar eine Entartungswahrscheinlichkeit von 33 %.

Die Autoren folgern, dass flache Adenome häufig sind und eine besondere Tendenz zur karzinomatösen Entartung haben. Bei der Koloskopie übersehene flache Adenome könnten erheblich zu dem bekannten Phänomen beitragen, dass 0,3 - 0,9 % der Patienten trotz stattgehabter Polypektomie innerhalb von 3 Jahren nach Koloskopie kolorektale Karzinome entwickeln [1].

Fazit. Die Botschaft für endoskopisch tätige Ärzte ist klar: Wir müssen bei der Vorsorgekoloskopie unsere Augen besonders für dezente Mukosaveränderungen schärfen, um flache Adenome sicherer zu erkennen. Dafür sind eine optimierte Darmvorbereitung sowie eine angemessene Untersuchungszeit mit Inspektion der Kolonmukosa die wesentlichen Voraussetzungen. Erst kürzlich zeigte eine Studie eindrucksvoll die lineare „Dosis-Wirkungs-Beziehung” zwischen mittlerer Untersuchungszeit und Zahl der entdeckten Adenome [2]. Nicht der Untersucher mit der kürzesten Untersuchungszeit, sondern derjenige mit der höchsten Adenomdetektionsrate ist der bessere Endoskopiker!

Erstpublikation: DMW 2008; 133: 760

Literatur

  • 1 Lieberman D. A call to action - measuring the quality of colonoscopy.  N Engl J Med. 2006;  355 2588-2589
  • 2 Barclay R L, Vicari J J, Doughty A S. et al . Colonoscopic withdrawal times and adenoma detection during screening colonoscopy.  N Engl J Med. 2006;  355 2533-2541

PD Dr. med. Jürgen Pohl

Geschäftsführender Oberarzt
Innere Medizin II
Dr. Horst-Schmidt-Klinik

Ludwig-Erhard-Straße 100
65199 Wiesbaden

Email: juergen.pohl@hsk-wiesbaden.de

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