Intensivmedizin up2date 2008; 4(3): 193-204
DOI: 10.1055/s-2008-1077491
Allgemeine Prinzipien der Intensivmedizin

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Rationaler Einsatz von Gerinnungsfaktorkonzentraten

Hanno  Riess, Andreas  Loew
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
06. August 2008 (online)

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Kernaussagen

Die Empfehlungen zum prophylaktischen und therapeutischen Einsatz von Blutplasma und Gerinnungsfaktorkonzentraten stützen sich nur in sehr wenigen Bereichen auf prospektiv randomisierte Doppelblindstudien. Meist liegen den Empfehlungen historische kasuistische Erfahrungen zugrunde.

Bei Faktormangelzuständen und der Verfügbarkeit geeigneter Gerinnungsfaktorkonzentrate sind diese gegenüber der Gabe von Blutplasma vorzuziehen.

Unter steady-state Bedingungen ist bei der Gabe von Gerinnungsfaktoren oder Blutplasma (1 ml entspricht 1 IE) davon auszugehen, dass die Gabe von 1 IE/kgKG zu einem Aktivitätsanstieg von 1 – 2 % im Plasma führt. In Situationen mit erhöhtem Umsatz ist eine im Einzelfall deutlich geringere Recovery und auch eine verkürzte Halbwertszeit zu erwarten.

Zur Substitution bei Hämostasestörungen – insbesondere auch bei erworbenen Störungen, die mehrere Faktoren (und evtl. auch Inhibitoren) betreffen – kann Blutplasma als gefrorenes Frischplasma (FFP) oder als Solvent-Detergent-Poolplasma (SDP) eingesetzt werden, sofern kein entsprechendes Konzentrat zur Verfügung steht.

Bei der Behandlung hereditärer Faktormangelzustände können Hemmkörper auftreten, die gegen den transfundierten Gerinnungsfaktor gerichtet sind. Dies ist insbesondere bei der Behandlung von Hämophilie-Patienten ein klinisch relevantes Phänomen. Die Behandlung mit Konzentraten, die den bestehenden Hemmkörper umgehen, z. B. mit rekombinantem Faktor VIIa oder FEIBA, eröffnet in diesen Fällen die Möglichkeit einer wirksamen Blutstillung. Die Eliminierung des Hemmkörpers ist komplex und bleibt ausgewiesenen Zentren vorbehalten.

Der Einsatz von rekombinantem Faktor VIIa, FEIBA, PPSB, aber auch Faktor XIII und Fibrinogen wird wiederholt zur „unspezifischen hämostyptischen” Behandlung von erworbenen Blutungsleiden empfohlen. Die zugrunde liegenden wissenschaftlichen Berichte sind unzureichend zur klaren Indikationscharakterisierung. Als ultima ratio können diese Konzentrate zur Blutstillung in Betracht gezogen werden.

Gerinnungsinhibitorische Faktorenkonzentrate stehen für seltene hereditäre Mangelzustände (z. B. Antithrombin, Protein C) zur Verfügung. Darüber hinausgehende Indikationen gründen sich auf kasuistische Erfahrungen und kleinere prospektive Studien.

Bei schwerer Sepsis, insbesondere mit Multiorgandysfunktion und Zeichen der Verbrauchskoagulopathie, senkt aktiviertes Protein C signifikant und klinisch relevant die Sterblichkeit.

Gerinnungsinhibitorische Faktorenkonzentrate können ein vorbestehendes Blutungsrisiko verstärken.

Bei der Anwendung von Gerinnungsfaktorenkonzentraten sind Kenntnisse über die Zusammensetzung der Therapeutika, die biologische Halbwertszeit der enthaltenen Komponenten sowie das Wissen über die Möglichkeit alternative Produkte zu fordern.

Literatur

Prof. Dr. med. Hanno Riess

Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie
Charité Campus Virchow Klinikum
Universitätsmedizin Berlin

Augustenburger Platz 1
13353 Berlin

eMail: hanno.riess@charite.de