Gastroenterologie up2date 2008; 4(4): 288-289
DOI: 10.1055/s-2008-1077758
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Kolorektales Karzinom: Biomarker sagt Therapieansprechen voraus

Anke  Reinacher-Schick
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Publication Date:
09 December 2008 (online)

Kommentar zu:

Prädiktive Biomarker für das Ansprechen einer Chemotherapie bei kolorektalem Karzinom: Ergebnisse der UK-MRC-FOCUS-Studie

Predictive biomarkers of chemotherapy efficacy in colorectal cancer: results from the UK MRC FOCUS trial

Braun MS, Richman SD, Quirke P, Daly C, Adlard JW, Elliott F, Barrett JH, Selby P, Meade AM, Stephens RJ, Parmar MK, Seymour MT; Leeds Institute of Molecular Medicine, University of Leeds, Leeds, United Kingdom

Hintergrund: Bei der Behandlung kolorektaler Karzinome könnten Patienten von einer individualisierteren Therapie profitieren. So würden sie nur Chemotherapeutika erhalten, auf die ein Ansprechen zu erwarten wäre und eine unnötige Toxizität ließe sich vermeiden. M.S. Braun et al. untersuchten nun, ob Biomarker ein solches Ansprechen voraussagen können.

Methoden: Die Autoren griffen hierzu auf Daten der FOCUS-Studie (Fluorouracil, Oxaliplatin, CPT-11: Use and Sequencing) zurück. In dieser wurde bei Patienten mit metastasierten kolorektalen Karzinomen randomisiert eine Therapie mit Fluorouracil alleine verglichen mit einer Behandlung mit Fluorouracil in Kombination mit Irinotecan oder Oxaliplatin. Für die vorliegende Arbeit bestimmten die Autoren bei 1628 Patienten 11 Biomarker und korrelierten sie mit dem Ansprechen auf die Therapie. Immunhistochemisch analysierten sie MLH1/MSH2, p53, Topoisomerase-1 (Topo-1), Excision Repair Cross-Complementing Gen 1 (ERCC1), O-6-Methylguanin-DNA-Methyltransferase (MGMT) und Cyclooxygenase-2 (COX-2). Außerdem bestimmten sie Einzelnukleotid-Polymorphismen von GSTP1 (Glutathion-S-Transferase-P1), ABCB1 (ATP-binding Cassette-group-B, Gen 1), XRCC1 (X-Ray Repair Cross-complementing Group 1), ERCC2 und UGT1A1 (UDP-Glucuronyltransferase).

Ergebnisse: Von 1313 Teilnehmern (81 %) konnten die Autoren immunhistochemisch Topo-1 analysieren (< 10 %: niedrig, 10 – 50 %: mäßig und > 50 %: hoch). Bei Patienten mit niedriger Topo-1 führte die zusätzliche Gabe von Irinotecan oder Oxaliplatin nicht zu einem verlängerten progressionsfreien Überleben. Dagegen profitierten Patienten mit mäßiger oder hoher Topo-1 von beiden Substanzen (Hazard Ratio 0,48). Hohe Werte für Topo 1 gingen zudem bei einer Kombinationschemotherapie mit einem verlängerten Gesamtüberleben einher, und zwar um 5,3 Monate. Bei Patienten mit niedriger Topo 1 zeigte sich kein Nutzen. Bezüglich MLH1/MSH2 fanden sich keine signifikanten Interaktionen mit der Therapie, wenngleich hier die Verlustrate mit nur 4,4 % der Patienten sehr gering ausfiel und somit die Aussagekraft dieses Biomarkers deutlich eingeschränkt war.

Folgerungen: Die Immunhistochemie von Topo-1 konnte bei Patienten mit metastasierten kolorektalen Karzinomen eine Subpopulation identifizieren, die von Irinotecan und möglicherweise auch Oxaliplatin profitiert, so die Autoren.

J Clin Oncol 2008; 26: 2690 – 2698

(zusammengefasst von Dr. Johannes Weiß, Bad Kissingen)

Prädiktive Marker. Die Therapie des kolorektalen Karzinoms (KRK) hat sich in den letzten Jahren durch den Einsatz neuer Kombinationschemotherapien und zielgerichteter Substanzen entscheidend verbessert. Es gibt jedoch ausgesprochene interindividuelle Unterschiede bezüglich Wirkung und Nebenwirkungen der Substanzen. Auch der finanzielle Aufwand für das Gesundheitswesen ist hoch. Wenn man die Gesamtpopulation betrachtet, so sind die Prognoseverbesserungen durch die einzelnen Therapeutika lediglich moderat. Die Suche nach geeigneten Biomarkern, welche eine Subpopulation von Patienten identifizieren, die besonders von einer bestimmten Therapie profitiert (prädiktive Marker), erscheint somit sowohl für die Behandlung der Patienten als auch aus sozioökonomischer Sicht sinnvoll.

Voraussetzungen. Die Suche nach solchen Markern wurde bislang vor allem an kleineren, heterogenen Patientenkollektiven durchgeführt, was die Wertigkeit einschränkt. Von Experten gefordert, sollten optimale Biomarker jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllen, bevor sie in die Routinebehandlung übernommen werden können. So sollten sie im Patientenmaterial (Blut, Gewebe) stabil, reproduzierbar und einfach bestimmbar sein. Das untersuchte Patientenkollektiv sollte ausreichend groß sein, um den Effekt des Markers sicher zu detektieren und sollte darüber hinaus aus einer randomisierten Therapiestudie stammen. Sehr wichtig ist ferner eine Validierung, wenn möglich prospektiv, an einem unabhängigen Patientenkollektiv. Schließlich sollte der Effekt des Markers ausreichend groß sein, um klinisch relevant zu sein.

K-RAS-Gen und MSI. Ein Marker, der diese Eigenschaften aktuell sehr gut erfüllt, ist der Mutationsstatus des Onkogens K-RAS. Patienten, deren Tumor ein mutiertes K-RAS-Gen exprimiert, sprechen nicht auf eine Mono- oder Kombinationstherapie mit einem Anti-EGFR-Antikörper an. Patienten mit Wildtyp-K-RAS-Gen hingegen profitieren von einer solchen Therapie. Ein weiterer recht vielversprechender Biomarker ist eine Mikrosatelliteninstabilität (MSI) im Tumor. So scheinen Patienten mit Kolonkarzinomen im Stadium II und MSI von einer adjuvanten 5-FU-Monotherapie keinen Nutzen zu haben.

Topo-1-Expression. Die vorliegende Untersuchung von Braun et al. stellt eine bereits im Vorfeld geplante, begleitende Markeranalyse der bislang größten Einzelstudie für die Behandlung des metastasierten KRK dar. Die Untersuchung umfasste ein sorgfältig methodisch und biometrisch geplantes Studienprotokoll, das in einem ersten Screening-Schritt die Analyse von insgesamt 11 Markern vorsah, in einem zweiten Schritt die beiden interessantesten Marker Topoisomerase-1 (Topo-1) und MSI im Gesamtkollektiv untersuchte. Vor allem die nukleäre Topo-1-Expression scheint als prädiktiver Marker vielversprechend zu sein. Patienten mit hoher Topo-1-Expression profitieren von einer primären Kombinationstherapie, vor allem mit Irinotecan. Dies ist auch aus mechanistischer Sicht sinnvoll, da Topo-1 die Zielstruktur des Irinotecan-Metaboliten SN38 darstellt. SN38 lagert sich an den Komplex DNA und Topo-1 an und führt zum Abbruch der DNA-Replikation durch Doppelstrangbrüche. Experimentelle Daten wiesen darauf hin, dass Irinotecan vor allem bei hohen Topo-1-Spiegeln wirkt. Wie geeignet ist also der immunhistochemische Nachweis einer Topo-1-Expression als Biomarker in der Behandlung des metastasierten KRK? Wird Topo-1 in die klinische Routine übernommen werden können?

Die Immunhistochemie als Nachweismethode ist weit verbreitet und an archiviertem Tumormaterial gut durchführbar. Jedoch ist die Auswertung noch immer untersucherabhängig, deutlich mehr als z. B. eine PCR-basierte Mutationsanalyse wie für das Onkogen K-RAS. Der Effekt einer hohen Topo-1-Expression erscheint ausreichend groß und somit klinisch relevant. Wie von den Autoren selbst diskutiert, steht für den Marker Topo-1 die unabhängige Validierung aus, die jedoch bereits begonnen wurde (Patientenmaterial der CAIRO-Studie). Falls sich die Ergebnisse bestätigen, könnte die Bestimmung einer Topo-1-Expression vor Einleitung einer 5-FU-Monotherapie erwogen werden.

MSI bei KRK. Der Nachweis einer Mikrosatelliteninstabilität ist bei metastasierten KRK klinisch weniger relevant. Vermutlich da instabile (vs. stabile) Tumoren prognostisch günstiger sind, liegt die Häufigkeit von hochgradig instabilen Tumoren in Erstlinientherapie-Studien zur palliativen Behandlung bei unter 5 %. Somit ließ sich in der vorliegenden Studie ein möglicher Nutzen einer Kombinationschemotherapie vs. einer 5-FU-Monotherapie bei MSI-high-Tumoren statistisch nicht nachweisen.

Fazit. Zusammenfassend stellt die Arbeit von Braun et al. einen weiteren Schritt hin zur individualisierten Therapie für Patienten mit metastasiertem KRK dar, wenn auch die Validierung an einem unabhängigen Kollektiv für einen Marker wie Topo-1 vor der Einführung in die klinische Praxis gefordert werden muss.

PD Dr. Anke Reinacher-Schick

Medizinische Universitätsklinik, Knappschaftskrankenhaus
Ruhr-Universität Bochum

In der Schornau 23 – 25
44892 Bochum

Email: Anke.Reinacher@rub.de

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