Dialyse aktuell 2019; 23(04): 139
DOI: 10.1055/a-0853-6879
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Digitalisierung – Chance, Risiko oder beides?

Christian Schäfer
1   Stuttgart
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Publication Date:
21 May 2019 (online)

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Apps sind im privaten Bereich längst fest in den Alltag vieler Bundesbürger integriert– sei es für das Lesen von eBooks (electronic Books) und Nachrichten, die Dokumentation von absolvierten Sporteinheiten, das Scannen von QR-Codes, die Wetterprognose, die Routenplanung und -navigation, das Kochen nach elektronisch verfügbaren Rezepten und für vieles mehr. Aber auch im deutschen Gesundheitswesen haben eHealth (electronic Health) und spezieller mHealth (mobile Health) sowohl in der Pflege als auch in der Medizin Einzug gehalten, auch wenn dieser Prozess derzeit noch eher schleppend ist.

So fasste der Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) Jürgen Klauber die Ergebnisse des Krankenhaus-Reports 2019 mit dem Schwerpunkt „Das digitale Krankenhaus“ zusammen: „Der Digitalisierungsrückstand in deutschen Krankenhäusern ist mehr als deutlich.“ Bei den 167 in die Auswertung einbezogenen Krankenhäusern waren insbesondere kleinere Krankenhäuser (< 200 Betten) kaum digitalisiert (durchschnittlicher EMRAM-Score 1,3 auf einer Skala von 0–7; EMRAM: Electronic Medical Record Adoption Model). Die untersuchten Häuser kamen im Schnitt auch nur auf einen Wert von 2,3 – dies liegt deutlich unter dem Durchschnittswert in der EU (Europäischen Union), der 3,6 beträgt. Zudem erreichte keines der einbezogenen Krankenhäuser die höchste Digitalisierungsstufe 7. Klauber erklärte: „Für die unzureichende Digitalisierung gibt es viele Ursachen. Dazu gehört neben der mangelhaften Investitionskostenfinanzierung durch die Bundesländer auch eine mangelnde Innovationskultur in den Häusern. Vollzieht man die aufgrund von Überkapazitäten und Qualitätsdefiziten zweifellos notwendige Strukturbereinigung, hätte dies auch positive Konsequenzen für den notwendigen Fortschritt bei der Digitalisierung. Digitale Systeme könnten dann deutlich leichter Einzug halten.“

Aber nicht nur hierbei, sondern auch beim Aufholen auf die Nutzungsintensität von eHealth-Lösungen seitens der Patienten besteht bei den Akteuren im Gesundheitssektor Handlungsbedarf: Wie die vom GKV-Spitzenverband beauftragte und Mitte April veröffentlichte Studie „Digitalisierung des Gesundheitsmarktes“ der Wirtschaftsberatung Deloitte ergab, geht die Disruption inzwischen vom Verbraucher aus. Man sollte daher nicht die Chance verschlafen, nachzuziehen und zukünftig mehr zu gestalten. Denn die Möglichkeiten, die sich gerade angesichts der weiten Verbreitung von z. B. Smartphones und Wearables bieten, um Prävention, Diagnostik und Therapie auf medizinischer und pflegerischer Seite zu verbessern, sind sicherlich groß.

Der Stellenwert, der Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz (KI) neuerdings zugewiesen wird, zeigt sich z. B. in Folgendem: Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) hat Mitte März das Wissenschaftsjahr 2019 mit dem Titel „Künstliche Intelligenz“ ausgerufen. Hierbei spielt u. a. auch folgende Frage eine Rolle: „Wird die KI die Medizin revolutionieren?“. Zudem hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) Mitte April den „Health Innovation Hub“ initiiert. Diese Ideenfabrik soll laut BMG die Chancen der Digitalisierung für eine bessere Patientenversorgung nutzen.

Neben Chancen sind natürlich auch Risiken zu bedenken, gerade wenn es z. B. um sensible Daten von Patienten und App-Nutzern etc. geht. Zu diesem Thema können Sie sich gerne den Artikel „Telemedizin mit Blick auf die Heimdialyseverfahren“ ab Seite 174 im vorliegenden Heft zu Gemüte führen. Dieser Beitrag ist Teil des Schwerpunkts „Heimdialyse“, dem wir diese Ausgabe der „Dialyse aktuell“ gewidmet haben – lesen Sie die interessanten Artikel ab Seite 150. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre dieser und der weiteren Beiträge in dieser Ausgabe!