Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2021; 56(05): 356-365
DOI: 10.1055/a-1137-2890
CME-Fortbildung

Zieltemperaturkontrolle beim Patienten mit Verbrennungen

Target Temperature Control in Patients with Burns
Stefan Trojan
,
Ulrich Limper
,
Frank Wappler

Zusammenfassung

Schwere Verbrennungen führen zu einer persistierenden hypermetabolen Antwort des Organismus mit signifikant gesteigertem Ruheenergieumsatz, Multiorgandysfunktion, Muskelabbau und erhöhtem Infektionsrisiko. Charakteristisch sind erhöhte Körperkern- und Hauttemperaturen. Eine weitere Steigerung der erhöhten metabolischen Rate kann durch Wärmeverluste ausgelöst werden, für die diese Patienten durch hohe Wärmeabgabe über Verdunstung von Feuchtigkeit und Beeinträchtigung der thermoregulatorischen und isolierenden Eigenschaften der verbrannten Haut besonders disponiert sind. Dies gilt besonders in allen Behandlungssituationen mit Exposition großer unbedeckter Hautflächen, wie bei der Primärversorgung, Verbandswechseln auf der Intensivstation und der Verbrennungschirurgie mit ausgedehntem sterilem Operationsfeld. Es konnte gezeigt werden, dass Hypothermie mit zahlreichen Risiken für den Verbrennungspatienten einhergeht. Ein konsequentes Wärmemanagement mit Messung der Körperkerntemperatur und Anwendung von externen und internen Wärmeprotektionsmaßnahmen wird empfohlen. Traditionell kommt hier eine Erhöhung der Raumtemperatur zum Einsatz. Dieser effektiven Maßnahme sind jedoch durch die Belastbarkeit der Behandler auf der Intensivstation und der Operateure Grenzen gesetzt. Zur Vermeidung einer perioperativen Hypothermie sind eine stringente Operationsplanung mit Begrenzung der Operationsdauer und eine enge intraoperative Kommunikation über das Hypothermierisiko von besonderer Bedeutung.

Bei der intensivmedizinischen Therapie ist die Differenzierung zwischen akzeptierter Temperaturerhöhung und infektiösem Fieber häufig erst durch die Einbeziehung weiterer Untersuchungsbefunde möglich. Als Kriterium für Sepsis gilt eine Temperatur über 39 °C oder unter 36,5 °C.

Kühlen ohne Auskühlung? 38,5 °C auf der Intensivstation – normal oder Fieber? Kalt trotz tropischer Hitze im Operationssaal? Hypo- und Hyperthermie gefährden den Patienten mit schweren Verbrennungen in allen Behandlungsphasen und sind eine diagnostische wie therapeutische Herausforderung.

Abstract

Severe burns lead to a persistent hypermetabolic response of the organism with significantly increased resting energy turnover, multi-organ dysfunction, muscle breakdown and increased risk of infection. Elevated core and skin temperatures are characteristic. A further increase in the metabolic rate can be triggered by heat losses, for which these patients are particularly predisposed due to high heat dissipation via evaporation of moisture and impairment of the thermoregulatory and insulating properties of the burnt skin. This is especially true in all treatment situations with exposure to large, uncovered skin surfaces, such as primary care, dressing changes in the intensive care unit and surgery with extensive sterile operating field. It has been shown that hypothermia is associated with numerous risks for the burn patient. Consistent heat management with measurement of the core body temperature and application of external and internal heat protection measures is recommended. Traditionally, an increase in room temperature is used here. However, this effective measure is limited by the resilience of the intensive care practitioners and the surgeons. To avoid perioperative hypothermia, strict surgical planning with limitation of the duration of surgery and close intraoperative communication about the risk of hypothermia are of particular importance.

The differentiation between accepted temperature increase and infectious fever is often only possible by the inclusion of further examination findings. The criterion for sepsis is a temperature above 39 °C or below 36.5 °C.

Kernaussagen
  • Schwere Brandverletzungen lösen eine einzigartige hypermetabole und hyperkatabole, langanhaltende Stressreaktion aus.

  • Teil der Stressantwort ist eine Temperaturdysregulation, die eine erhöhte Körperkern- und Hauttemperatur zur Folge hat.

  • Zwischen nicht infektiöser Temperaturerhöhung als Reaktion auf das Verbrennungstrauma oder Fieber als Symptom einer Infektion zu unterscheiden, ist schwierig ohne die Einbeziehung weiterer klinischer und laborchemischer Untersuchungsbefunde. Als Zeichen einer Sepsis gilt eine Temperatur > 39 °C oder < 36,5 °C.

  • Kälteexposition kann zu einer weiteren nicht beherrschbaren Steigerung der Stoffwechselrate führen.

  • Das Outcome von Verbrennungspatienten wird in allen Behandlungssituationen durch Hypothermie gefährdet. Sie bedürfen bei der Erstversorgung, auf der Intensivstation und im Operationssaal der Wärmeprotektion.



Publication History

Article published online:
26 May 2021

© 2021. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany