Aktuelle Dermatologie 2021; 47(04): 144-145
DOI: 10.1055/a-1218-4703
Interview

„Wir werden bald in der Lage sein, auch Krankheiten erfolgreich zu behandeln, die bisher als nicht therapierbar galten“

Prof. Christiane Bayerl im Gespräch mit Thomas Ruzicka
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Prof. Dr. med. Dr. h. c. mult. Thomas Ruzicka

Warum haben Sie die Dermatologie als Fachgebiet gewählt?

Es war ein Zufall, wie so vieles im Leben. Ältere Freunde – allesamt wie ich aus Prag –, die als Assistenten in der Düsseldorfer Hautklinik tätig waren, u. a. der leider sehr früh verstorbene Michael Hornstein sowie Peter Bielicky, der Sohn des ehemaligen Prager Ordinarius für Dermatologie, haben mich auf das Fach, die hervorragende Atmosphäre in der dortigen Klinik, und v. a. Prof. Günther Goerz als möglichen Mentor und Doktorvater hingewiesen. Ein weiterer, eher biografischer Grund, der mich in die Dermatologie führte, war die Tatsache, dass meine Mutter an einem Lupus erythematodes erkrankte. Das hat mein Interesse an Hautkrankheiten, und ganz besonders auch an schweren systemischen Krankheiten sowie dem Zusammenhang mit innerer Medizin, geweckt und nachhaltig stimuliert.

Von wem haben Sie besonders viel gelernt?

Zwei Persönlichkeiten haben mich besonders geprägt. Zum einen mein Doktorvater Prof. Goerz in Düsseldorf: Er war ein Pionier der molekularen, strikt naturwissenschaftlich orientierten Dermatologie zu einem Zeitpunkt, als das Fach erst an der Schwelle zum Sprung in die Moderne stand. In einer Zeit, wo man sich v. a. überlegte, ob man eine Hautkrankheit mit Pix lithantracis oder Liquor carbonis detergens behandeln sollte, war er ein Proponent und Vorkämpfer systemischer, hochwirksamer, rationaler Therapien, an die sich die zaghaften, ängstlichen Dermatologen damals nicht herantrauten. Ihn interessierten auch Fragen, wie eine Therapie wirkt, und warum, also mit einem Wort die biochemische Pharmakologie der Haut. Das hat mich ungeheuer angeregt, und das Interesse an der molekularen Medizin hat mich über das gesamte berufliche Leben begleitet.Zum anderen der äußerst charismatische und mitreißende Prof. Otto Braun-Falco, vom dem ich sozusagen den letzten klinische Schliff bekam. Er hat um sich ein Team von Spitzenexperten versammelt, deren klinisches Wissen ich in mir aufgesogen hatte. Die Münchner Klinik war tatsächlich ein dermatologischer Hotspot gewesen – das ist sie ja bis zum heutigen Tag geblieben –, und dort lernen zu dürfen war eine Chance, die ich voll nutzte.

Welcher Fall ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?

Erst vor wenigen Jahren betreute ich, gemeinsam mit Frau Prof. Carola Berking, einen ca. 50-jährigen Patienten mit einer monströsen Orbitametastase eines malignen Melanoms. Trotz modernster Therapie mit BRAF- und MEK-Inhibitor wuchs der Tumor rasend schnell, quasi vor unseren Augen. Bei jeder Visite war er deutlich größer als am Vortag. Es war beängstigend und führte mir die eigene therapeutische Unfähigkeit schmerzlich vor Augen. Die Lebenserwartung habe ich auf ca. 3 Wochen geschätzt. Wir entschlossen uns, eine bis dahin vermutlich noch nie eingesetzte Waffe einzusetzen, eine Trippeltherapie unter Zusatz eines Checkpoint-Inhibitors zur laufenden Therapie. Der Patient erfuhr eine Vollremission, die bis heute, nach ca. 4 Jahren, anhält. Das war wie eine Wunderheilung, und da der Patient katholischer Theologe war, für mich die erste tatsächlich bewiesene Wunderheilung in der katholischen Kirche. Nun warte ich auf meine Heiligsprechung ...

Was ist momentan die wichtigste Entwicklung der Dermatologie?

Das sehen vermutlich alle Kollegen gleich. Die Dermatoonkologie hat uns eine in dieser Form, Ausmaß und Geschwindigkeit unerwartete Explosion an Wissen und Möglichkeiten beschert, die unsere Tätigkeit auf ein völlig anderes Niveau katapultierte. Darüber hinaus ist die Dermatologie aus einem Schattendasein eines von Kollegen anderer Fächer nicht ganz ernst genommenen Faches (Hautarzt als „akademisch gebildete Friseuse oder Kosmetikerin“ oder etwas scherzhaft „Arzt für Pelz- und Lederkrankhheiten“, der nur Kortison verschreiben kann) in den Mittelpunkt des Interesses gerückt: Die Fortschritte beim malignen Melanom waren Schrittmacher und Impulsgeber der gesamten Onkologie, und wir Dermatologen haben plötzlich eine Vorreiterrolle übernommen. Neben der Onkologie wird auf uns in Bälde eine Welle neuer Therapiemöglichkeiten bei entzündlichen Krankheiten zurollen, die sich bereits in fortgeschrittenen Stadien der Entwicklung befinden. Als Beispiel seien die Jak-Stat-Inhibitoren, die Jakinibs, genannt. Wir werden bald in der Lage sein, auch Krankheiten erfolgreich zu behandeln, die bisher als nicht therapierbar galten.

Was sind, neben Ihrem Beruf, Ihre sonstigen Interessen und Hobbies?

Ich bin in der glücklichen Lage, dass mein Beruf auch mein Hobby ist. Ich muss also nicht unterscheiden zwischen Arbeit und Freizeit, zwischen Tätigkeit in der Klinik oder Praxis und nach Feierabend. Mein Beruf hat mir ungeheuer viel Befriedigung gebracht und die Begegnungen mit vielen interessanten Kollegen weltweit ermöglicht, woraus sich viele über den ganzen Erdball gespannte Freundschaften entwickelten oder auch Reisen in zahlreiche Länder der Welt. Aber natürlich habe ich auch sehr viele außerberufliche Interessen, die mein Leben bereichern. Dazu zählt in erster Linie die Musik – das Münchner Nationaltheater ist mein zweites Wohnzimmer. Dazu zählt aber auch der Sport: Das als naturalisierter Bayer obsessiv betriebene Skifahren ebenso wie Eishockey (für einen geborenen Tschechen ein Muss), Tennis (mit zwei dermatologischen Tenniscracks als zwangsverpflichteten Trainern – Herrn Prof. Percy Lehmann und Frau Privatdozentin Daniela Hartmann) und v. a. Fußball. Immerhin war ich jahrelang der Kapitän der deutschen Fußballnationalmannschaft (der Dermatologen) …

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Dr. h. c. mult. Thomas Ruzicka
Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie
Frauenlobstr. 9–11
80337 München
Deutschland
Thomas.Ruzicka@med.uni-muenchen.de



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Article published online:
16 April 2021

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