Heilpflanzen 2022; 02(04): 14-15
DOI: 10.1055/a-1742-8252
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Rezepturen mit Echtem Johanniskraut

Iris Eisenmann-Tappe
Basisrezept Oleum Hyperici („Rotöl“)

Für das Oleum Hyperici sollte man die oberen 10 cm der blühenden Triebspitzen des Echten Johanniskrauts (Hypericum perforatum) an einem sonnigen, trockenen Tag zur Mittagszeit sammeln.

Zutaten

Blühende Triebspitzen des Echten Johanniskrauts

Auszugsöl (zum Beispiel natives Bio-Oliven- oder Sonnenblumenöl, kaltgepresst)

Zubereitung/Anwendung

Ein sterilisiertes Glasgefäß zu ⅔ mit den angequetschten Blüten, Blättern und Fruchtkapseln füllen und mit dem gewählten Auszugsöl übergießen. Dabei sollte das Pflanzenmaterial vollständig vom Öl bedeckt sein! 3–4 Tage nur mit einem Tuch bedecken, damit Feuchtigkeit entweichen kann (Vorbeugung von Schimmel). Dann gut verschlossen und lichtgeschützt 4–6 Wochen (siehe Info) stehenlassen und gelegentlich durchschwenken. Abfiltern und in dunkle Flaschen füllen. Dunkel und kühl aufbewahren. Die Haltbarkeit des „Rotöls“ beträgt etwa ein Jahr.

INFO:

Dieses Rezept ist eine Kaltmazeration, wie sie zur Gewinnung von Wirkstoffen durchgeführt wird, die nur in geringen Konzentrationen vorliegen. Man wählt mit mehreren Wochen eine relativ lange Auszugszeit. Die im Sonnenlicht erhöhte Temperatur des Öls verbessert prinzipiell die Extraktion – kann aber, wie im Fall des Hyperforins, auch den Abbau von gewünschten Inhaltsstoffen beschleunigen. Im ländlichen Raum wurden und werden mit Sommerkräutern Öle hergestellt, die im kommenden Winter zur Einreibung schmerzender Gelenke und für wärmende Massagen dienen. Dabei ist neben Arnika- und Ringelblumenöl das Johanniskrautöl ein Klassiker, nicht zuletzt wegen der schönen Rotfärbung. Sie verstärkt das Gefühl, sich die wohltuende Wärme und das Licht des Sommers zuzuführen. Selbst hergestelltes, leuchtend rotes Öl, das im Sonnenlicht ausgezogen wurde, beinhaltet gewissermaßen eine psychologische Komponente, die durchaus zum gewünschten Anwendungserfolg beitragen kann. Wer auf die rote Farbe nicht verzichten und im Sonnenlicht ausziehen möchte, sollte ein relativ lichtstabiles Öl verwenden (zum Beispiel Olivenöl oder Macadamianussöl). Zudem sollte man die Temperatur im Gefäß kontrollieren und dieses gegebenenfalls in den Schatten stellen: Vor allem an heißen Tagen können im Sonnenlicht 50 °C und mehr erreicht werden. Zum Vergleich: Natives Olivenöl erster Kaltpressung darf laut Gesetz bei der Herstellung nicht über 27 °C erhitzt werden, da sonst wertvolle Inhaltsstoffe geschädigt werden. Öle, die in Gegenwart von Sauerstoff dem Sonnenlicht ausgesetzt sind, werden zudem durch Peroxidationsprozesse schneller ranzig. Dadurch verkürzt sich auch die Haltbarkeit des Rotöls.

TIPP:

Zum Schutz des Hyperforins, das man wegen seiner keimwidrigen Eigenschaften in möglichst hoher Konzentration im Auszugsöl erhalten möchte, kann man den Auszug in Braunglasflaschen vornehmen. Diese haben allerdings den Nachteil, dass man eine mögliche Schimmelbildung an der Gefäßinnenwand nicht gut erkennen kann.

Auch Oleum Hyperici ohne intensive Rotfärbung ([Abb. 1]) ist wirksam, wenn es nach Anleitung ausgezogen wurde und eine bräunliche Färbung aufweist. Es ist wundheilend, entzündungshemmend, durchblutungsfördernd, antibakteriell und antiviral.

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Abb.1 Herstellung von Oleum Hyperici unter Lichtausschluss und unter Sonnenlicht im Vergleich. Exakt gleiche Chargen und Einwaagen von Johanniskraut-Triebspitzen und Sonnenblumenöl wurden verwendet, Ausziehzeit jeweils 6 Wochen. Links die originale Farbe des Sonnenblumenöls, in der Mitte Oleum Hyperici nach Auszug im Dunkeln, rechts Oleum Hyperici nach Auszug im Sonnenlicht. Quelle: Iris Eisenmann-Tappe
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Abb. 2 Eine Mischung aus getrockneten Wiesenkräutern wie Johanniskraut, Echtes Labkraut und Gelber Steinklee kann als duftende Füllung für ein Schlafkissen verwendet werden. Quelle: Iris Eisenmann-Tappe
Rezeptur

Umschläge bei leichten Verbrennungen

Um Verbrennungen 1. Grades (zum Beispiel Sonnenbrand) zu lindern, eignen sich Mullumschläge mit Oleum Hyperici.

Zutaten

Oleum Hyperici (siehe Rezept links)

Mullumschläge

Zubereitung/Anwendung

Umschläge mit Oleum Hyperici tränken, auf der betroffenen Hautstelle befestigen und 8–10 Stunden oder über Nacht aufliegen lassen.

Rezeptur

Wärmendes Massageöl bei Muskelschmerzen oder Kältegefühl

Die Mischung aus Oleum Hyperici und ätherischem Fichtennadelöl wirkt durchblutungsfördernd und löst Verspannungen.

Zutaten

100 ml Oleum Hyperici

10 Tr. ätherisches Fichtennadelöl

Zubereitung/Anwendung

Ätherisches Öl in das Oleum Hyperici tropfen und gut schütteln. Mischung auf die betroffenen Muskelpartien auftragen und gut einmassieren.

Rezeptur

Massageöl zur Stimmungsaufhellung

Um die wohltuende Wirkung des Oleum Hyperici zu verstärken, kann es mit ätherischen Ölen gemischt werden. Der blumig-süße Duft von ätherischem Rosenöl wirkt harmonisierend, Lavendelöl wirkt ausgleichend und entspannend.

Zutaten

100 ml Oleum Hyperici

10 Tr. Lavendel fein

5 Tr. ätherisches Rosenöl

Zubereitung(/Dosierung)

Oleum Hyperici gut mit den ätherischen Ölen mischen, auf die Haut auftragen und sanft einmassieren.

Rezeptur

Schlafkissen in Anlehnung an das traditionelle „Frauenbettstroh“

Eine Mischung aus duftenden und dämonenabwehrenden Kräutern wurde seit alter Zeit zur Geburtserleichterung und zum Schutz von Mutter und Kind in Kissen und Matratzen gefüllt. Das süß duftende Echte Labkraut (Galium verum) erhielt aus dieser Tradition heraus den Namen „Liebfrauenbettstroh“. Auch getrocknetes Johanniskraut entwickelt einen heuartigen Duft – sein Zweck in der traditionellen Bettstrohmischung war aber hauptsächlich die Geistervertreibung. Heute entspannt uns der Duft nach Heu und Sommerwiese und kann die Schlafqualität fördern.

Zutaten/Materialien

Baumwollhülle

Rohwolle

Mischung getrockneter Wiesenkräuter (zum Beispiel Johanniskraut, Echtes Labkraut („Liebfrauenbettstroh“), Honigklee (Gelber Steinklee, Melilotus officinalis)

Zubereitung

Baumwollhülle mit Rohwolle und der Kräutermischung füllen.

Wichtiger Hinweis

Wie jede Wissenschaft ist die Heilpflanzenkunde ständigen Entwicklungen unterworfen. Soweit in der Zeitschrift medizinische Sachverhalte, Anwendungen und Rezepturen beschrieben werden, handelt es sich naturgemäß um allgemeine Darstellungen, die eine individuelle Beratung, Diagnose und Behandlung durch einen Arzt oder Apotheker nicht ersetzen können. Jeder Nutzer ist für die etwaige Anwendung und vorherige sorgfältige Prüfung von Dosierungen, Applikationen oder sonstigen Angaben selbst verantwortlich. Autoren, Herausgeber und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass diese Angaben bei ihrer Veröffentlichung dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung für Schäden oder andere Nachteile ist jedoch ausgeschlossen.



Publication History

Article published online:
08 December 2022

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