Laryngorhinootologie 2022; 101(08): 634-635
DOI: 10.1055/a-1776-1874
Referiert und Diskutiert

Kommentar zu „Subglottische Stenose durch allergische Reaktion auf Trachealkanüle“

Rezensent(en):
Joachim Stadler

** Trachealstenosen stellen schwerwiegende Komplikationen nach einer Tracheotomie dar, deren Behandlung meist schwierig und langwierig ist. In ihrem Case Report berichten Bui und Mitarbeiter*innen über eine tracheotomierte Patientin, die kurz nach der Operation eine vollständige supraorifizielle Stenose entwickelte. Diese führen die Autor*innen im Wesentlichen auf eine Metallunverträglichkeit zurück.

Die wissenschaftliche Aussagekraft von Fallberichten ist gegenüber Studien sicherlich eingeschränkt. Jedoch ist ein Case Report durchaus geeignet, besondere Befundkonstellationen oder auch seltene Diagnosen darzustellen. Die Aussagekraft dieses Artikels erscheint allerdings beschränkt. Zunächst ist die Verwendung von Kanülen aus Metall in Deutschland aktuell eher unüblich. Falls eine Versorgung mit einer Metallkanüle erforderlich ist, wird man hierzulande sicher bevorzugt auf Silberkanülen zurückgreifen. Diese bestehen aus Sterlingsilber mit einem hohen Reinheitsgrad. Eine allergische Reaktion sollte daher eine extrem seltene Ausnahme sein. Die von den Autor*innen verwendete Kanüle aus Edelstahl ist nach einer Recherche in Deutschland zwar via Internethandel theoretisch erhältlich. Inwiefern diese Kanülenart in Deutschland auch tatsächlich eingesetzt wird, erscheint mehr als fraglich.

Leider wird die Aussagekraft der Arbeit durch weitere Unklarheiten geschmälert. Wie die Autor*innen schreiben, traten bei der Patientin bereits vor der Tracheotomie behandlungsbedürftige Trachealstenosen auf. Diese waren sogar die Ursache des erfolgten Luftröhrenschnittes. Die Ursache der Stenosierung konnte nicht gefunden werden. Möglicherweise ist die rezidivierende Stenosierung durch wiederholte Intubationen bedingt. Ein gastroösophagealer Reflux als Ursache wurde laut den Autor*innen ausgeschlossen, ebenso eine Autoimmunerkrankung. Hierzu muss kritisch angemerkt werden, dass sich das typische Bild der Autoantikörper bei einer Granulomatose mit Polyangiitis (früher Morbus Wegener) manchmal erst deutlich nach dem Auftreten der ersten Symptome einstellt.

Aber auch eine Tracheotomie selbst stellt eine mögliche Ursache der Entstehung einer Trachealstenose dar [1]. Daher ist es bedauerlich, dass von den Autor*innen keine Angaben zu der gewählten Tracheotomietechnik, der Höhe der Eröffnung der Luftröhre oder auch zu möglichen Komplikationen gemacht werden. Erst später im Text (im Rahmen der Beschreibung der geplanten zukünftigen Therapie) erfährt man, dass die Patientin an einer erheblichen Adipositas leidet. Dies ist ein zusätzlicher Risikofaktor und dürfte die Tracheotomie erheblich erschwert haben. Die Autor*innen berichten postoperativ auch über eine Einschränkung der Stabilität der Trachealwand. Auch dies kann Folge einer Tracheotomie-bedingten sogenannten A-Frame-Deformation sein [1]. Es ist daher völlig unverständlich, dass keine Bildgebung der Trachea mittels CT erfolgt ist. Vielmehr gehen die Autor*innen aufgrund der nachgewiesenen Nickelallergie und der verwendeten Kanüle von einer allergischen Genese der Stenose aus. Die Häufigkeit einer Nickelallergie in der Normalbevölkerung geben sie dabei mit 18,5% an. In der Arbeit wird daher eine Epikutantestung zumindest bei atopischen Patient*innen vor Einsatz von Implantaten aus diesem Material in Betracht gezogen. Unter Berücksichtigung der genannten Häufigkeit der Nickelallergie und der Tatsache, dass die verwendete Jackson-Kanüle in den USA laut Autor*innen breite Verwendung findet, muss man sich aber fragen, warum eine derartige Befundkonstellation nicht bereits früher beobachtet und publiziert wurde.

Fazit

Aufgrund der verwendeten Kanüle aus Edelstahl und der genannten methodischen Einschränkungen beinhaltet der Case Report von Bui und Mitarbeiter*innen für einen in Deutschland tätigen HNO-Arzt keine wesentlichen neuen Gesichtspunkte.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
01. August 2022

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  • Literatur

  • 1 Klemm E, Novak A. Kompendium Tracheotomie und Atemwege. 2. Aufl.. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag; 2018