Gastroenterologie up2date 2023; 19(03): 241-257
DOI: 10.1055/a-1984-7039
Leber/Galle/Pankreas

Hepatische Enzephalopathie Teil 1: Definitionen, Pathogenese und Diagnostik

Axel Holstege

Die hepatische Enzephalopathie (HE) ist eine häufige und folgenschwere Komplikation insbesondere einer Leberzirrhose: Bei Auftreten einer HE in dieser Situation liegt definitionsgemäß eine dekompensierte Leberzirrhose vor, und die Prognose der Patienten verschlechtert sich deutlich. Der erste Teil zum Thema HE fasst das aktuelle Wissen zu den unterschiedlichen HE-Typen, zur Pathogenese sowie zur Diagnostik von subklinischer und klinischer HE zusammen.

Kernaussagen
  • Die HE ist ein neurologisch-psychiatrisches Syndrom, das fast immer mit einem akuten oder chronischen Leberversagen assoziiert ist. Eine HE verschlechtert die Prognose der betroffenen Patienten.

  • Pathogenetisch steht am Anfang eine Dysfunktion und Schwellung der Astrozyten des Gehirns, ausgelöst durch die vermehrte Aufnahme von Ammoniak. Dieser entsteht beim Abbau endogener und/oder intestinaler Proteine.

  • Eine qualitative Änderung des Mikrobioms im Darm bei Leberzirrhose begünstigt die Entstehung der HE.

  • Die Symptome der HE sind unspezifisch und erfordern bei diagnostischer Unsicherheit oder fehlendem therapeutischem Ansprechen den Ausschluss anderer Ursachen durch eine zerebrale Bildgebung.

  • Auf die Bestimmung des Serum-Ammoniakspiegels sollte verzichtet werden, da sich aus dem Messwert keine sicheren diagnostischen oder therapeutischen Konsequenzen ableiten lassen.

  • Die Diagnostik bei HE umfasst ihre Typisierung (A, B, C), die Einschätzung des Schweregrades (cHE, oHE), des Verlaufs und die Suche nach einem oder mehreren Auslösern.

  • Die Diagnose der oHE erfolgt in der Regel klinisch (West-Haven-Klassifikation). Bei gesichertem Vorliegen einer oHE ist die sorgfältige Suche nach einem Auslöser ein wichtiger Bestandteil der Diagnostik.

  • Die Symptome bei cHE sind nur schwer von milden kognitiven Einschränkungen (MCI) im Alter abzugrenzen. Als Suchtest auf eine cHE eignet sich am Krankenbett u. a. der ANT1 (Animal Naming Test).

  • Psychometrische Tests (z. B. kritische Flimmerfrequenz, PHES) definieren die minimale HE.

  • Das Fahrvermögen von Patienten mit subklinischer HE kann nicht mit psychometrischen Tests, sondern nur im realen oder simulierten Fahrtest überprüft werden.



Publication History

Article published online:
15 August 2023

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