Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2023; 55(02): 75-76
DOI: 10.1055/a-2039-4046
Praxis – Interview

Potenzielle Arzneimittelinteraktionen – vieles ist noch unklar

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Unser Gesprächspartner: Dr. med. Peter Holzhauer

Studium der Humanmedizin an der Universität Göttingen, Facharzt für Innere Medizin mit Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren, 1991 bis 2011 Chefarzt und Ärztlicher Direktor der Veramed-Klinik am Wendelstein, seit August 2011 Chefarzt der Abteilung für Onkologie und Komplementärmedizin des onkologischen Zentrums Oberaudorf – Klinik Bad Trissl. Schwerpunkte: Integration von supportiven komplementär-medizinischen Behandlungsmaßnahmen und konventionellen onkologischen Standardtherapien, Nebenwirkungsmanagement, moderne Ernährungsmedizin und Mikronährstofftherapie.

DZO: Was sind Ihrer Ansicht nach die wichtigsten Neuerungen im Bereich der pharmazeutischen Arzneimittelentwicklung in der Onkologie?

Das mittlerweile umfangreiche und ständig zunehmende Arsenal der zielgerichteten Substanzen hat das therapeutische Spektrum der medikamentösen Tumortherapie ganz erheblich erweitert. Dazu gehören kleine Moleküle, wie Tyrosinkinase-Inhibitoren, aber auch die ganz innovativen Drug Delivery Systeme, wie die Antikörper-Wirkstoffkonjugate, bei denen ein zielgerichteter Antikörper, wie z. B. Trastuzumab, mit einem daran gekoppelten Zytostatikum, z. B. Deruxtecan, an die Zielstruktur der Tumorzelle andockt, das ganze Konjugat dann von der Zelle internalisiert wird und im intrazellulären Raum dann das Zytostatikum freigesetzt wird. Daneben stehen uns heute für viele Tumorentitäten unterschiedliche Immuntherapien, sogenannte ICI’s als Immun-Checkpoint-Inhibitoren in verschiedenen Therapielinien als Monotherapien oder in Kombination mit Chemotherapie zur Verfügung.

DZO: Welche Arzneimittelinteraktionen sind bei den bisher in der Onkologie angewandten Substanzen besonders zu beachten?

Pharmakokinetische Wechselwirkungen, die den Metabolismus von onkologischen Medikamenten beeinflussen können, sind besonders zu beachten. Aber auch die weniger bekannten pharmakologischen Interaktionen, wie die Wechselwirkung zwischen anorganischem Selen und Vitamin C, vor allem in einer etwaigen Mischinfusion, sind zu beachten.

DZO: Bei Einnahme welcher Nahrungsmittel können Interaktionen auftreten?

Da gibt es leider sehr viele potenzielle Arzneimittelinteraktionen. Die bekanntesten Nahrungsmittel mit Wechselwirkungspotenzial sind Grapefruit oder Grapefruitsaft, auch die bei Erkältungen gerne eingesetzte Aroniabeere oder Apfelbeere hat als CYP3A4-Inhibitor ein sehr ausgeprägtes Wechselwirkungspotenzial. Bei Zytostatika, die über das gleiche Cytochrom-Enzym verstoffwechselt werden, z. B. Trabectedin, kann es zu einem langsameren Abbau und in der Folge zu erhöhter Toxizität führen. Nicht so bekannt, aber auch sehr relevant ist die mögliche Interaktion von grünem Tee in einer Größenordnung von zwei Tassen, mit dem Proteasom-Inhibitor Bortezomib. Hier läuft die Wechselwirkung nicht über das Cytochromsystem, sondern es erfolgt eine Reaktion von zweiwertigen Alkoholgruppen des grünen Tees mit dem Boratom von Bortezomib. Der Wirkungsverlust dieses Medikaments kann dann bis zu 50% betragen.

DZO: Können Kaffee, Tee oder Milch zu einer Einschränkung einer Arzneimittelaufnahme führen?

Ja, die in Kaffee und Tee enthaltenen Gerbstoffe können die Aufnahme von zahlreichen Medikamenten beeinflussen. Protein- und kohlenhydratreiche Getränke, wie z. B. Milch können zu einer Verlangsamung der Aufnahme verschiedener Medikamente führen.

DZO: Gibt es Daten zu den häufig eingenommenen sekundären Pflanzenstoffen, wie Kurkuma, Omega-3-Fettsäuren und Kohlsorten, ob diese zu Interaktionen führen können?

Es kann zu Wechselwirkungen mit Antikoagulanzien, Thrombolytika und Thrombozytenaggregationshemmern kommen. Kurkuma ist ein moderater Inhibitor der CYP-Enzyme 2C19, 2C9 und 3A4. Die Relevanz ist allerdings bei der sehr schlechten Resorption von Curcumin unklar. Bei inravenöser oder buccaler Gabe (Mundspray) kann das aber wichtig sein. Auch Omega-3-Fettsäuren können dosisabhängig in die Blutgerinnung eingreifen. Das sollte man bei der Kombination mit Antikoagulatien berücksichtigen.

DZO: Was halten Sie von speziellen Datenbanken, wie DRUG DIGEST, A.D.A.M. Drugchecker oder ABDA-Interaktionen?

Es gibt ja zahlreiche derartige Portale und Services. Wichtig ist, dass die Anwendung einfach ist, sonst wird der Dienst nicht genutzt. Sehr gut finde ich die App-basierte Anwendung Drug Interaction Checker, die in den jeweiligen App-Stores kostenlos heruntergeladen werden kann. Wenn ich Zeit habe, dann sehe ich mir den jeweiligen Stoffwechselweg eines Medikamentes in der Beschreibung der Europäischen Arzneimittelagentur EMA an.

DZO: Herr Dr. Holzhauer, um Schluss noch eine persönliche Frage: Was tun Sie für sich, um gesund zu bleiben?

Dr. Holzhauer: Ich betreibe intensiv fast täglich Sport, lege als leidenschaftlicher Koch größten Wert auf eine gesunde und dennoch sehr schmackhafte Ernährung und versuche mit dem täglichen Stress vernünftig umzugehen.



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Article published online:
21 June 2023

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