Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2024; 59(02): 78-94
DOI: 10.1055/a-2070-3170
CME-Fortbildung
Topthema

Immunmetabolismus in der Sepsis

Immunometabolism in Sepsis
Björn Koos
,
Matthias Unterberg
,
Tim Rahmel
,
Michael Adamzik

Der Immunmetabolismus umfasst die Wechselwirkungen zwischen Stoffwechselprozessen und Immunantwort – er spielt damit eine wichtige Rolle bei der Regulation von Entzündungsreaktionen und hat signifikanten Einfluss auf den Sepsisverlauf. Aber nicht nur die Immunreaktion beeinflusst die Stoffwechselwege, auch eine Modulation der Stoffwechselwege wirkt sich wiederum auf die Immunität der zugehörigen Zelle und damit den Zustand des Immunsystems aus.

Abstract

Immunometabolism is a fascinating field of research that investigates the interactions between metabolic processes and the immune response. This intricate connection plays a pivotal role in regulating inflammatory reactions and consequently exerts a significant impact on the course of sepsis. The proinflammatory response during an immune reaction is closely tied to a high energy demand in immune cells. As a result, proinflammatory immune cells rapidly require substantial amounts of energy in the form of ATP, necessitating a fundamental and swift shift in their metabolism, i.e., their means of generating energy. This entails a marked increase in glycolysis within the proinflammatory response, thereby promptly meeting the energy requirements and providing essential metabolic building blocks for the biosynthesis of macromolecules. Alongside glycolysis, there is heightened activity in the pentose phosphate pathway (PPP). The PPP significantly contributes to NADPH production within the cell, thus maintaining redox equilibrium. Elevated PPP activity consequently leads to an increased NADPH level, resulting in enhanced production of reactive oxygen species (ROS) and nitric oxide (NO). While these molecules are crucial for pathogen elimination, an excess can also induce tissue damage. Simultaneously, there are dual interruptions in the citric acid cycle. In the cellular resting state, the citric acid cycle acts as a sort of “universal processor”, where metabolic byproducts of glycolysis, fatty acid breakdown, and amino acid degradation are initially transformed into NADH and FADH2, subsequently yielding ATP. While the citric acid cycle and its connected oxidative phosphorylation predominantly generate energy at rest, it becomes downregulated in the proinflammatory phase of sepsis. The two interruptions lead to an accumulation of citrate and succinate within cells, reflecting mitochondrial dysfunction. Additionally, the significantly heightened glycolysis through fermentation yields lactate, a pivotal metabolite for sepsis diagnosis and prognosis. Conversely, cells in an anti-inflammatory state revert to a metabolic profile akin to the resting state: Glycolysis is attenuated, PPP is suppressed, and the citric acid cycle is reactivated. Of particular interest is that not only does the immune reaction influence metabolic pathways, but this connection also operates in reverse. Thus, modulation of metabolic pathways also modulates the immunity of the corresponding cell and thereby the state of the immune system itself. This could potentially serve as an intriguing avenue in sepsis therapy.

Kernaussagen
  • Der Immunmetabolismus ist ein faszinierendes Forschungsfeld, das die Wechselwirkungen zwischen den Stoffwechselprozessen und der Immunantwort untersucht. Diese komplexe Verbindung spielt eine entscheidende Rolle bei der Regulation von Entzündungsreaktionen und hat damit einen signifikanten Einfluss auf den Verlauf einer Sepsis.

  • Die proinflammatorische Antwort bei einer Immunreaktion und in der Sepsis ist mit einem hohen Energieaufkommen der Immunzellen verbunden. Daher benötigen proinflammatorische Immunzellen sehr schnell und in großer Menge Energie in Form von ATP. Hierzu müssen sie ihren Metabolismus, also die Art, Energie zu erzeugen, grundlegend und blitzartig umstellen.

  • Die Glykolyse wird in der proinflammatorischen Antwort deutlich gesteigert. Dadurch wird der Energiebedarf schnell gedeckt und wichtige metabolische Bausteine für die Biosynthese von Makromolekülen werden bereitgestellt.

  • Neben der Glykolyse wird der Pentosephosphatweg (PPP) gesteigert. Der PPP ist maßgeblich für die Produktion von NADPH in der Zelle und damit für das Redoxgleichgewicht zuständig. Die gesteigerte Aktivität des PPP führt somit zu einer höheren NADPH-Konzentration, was zu einer erhöhten Produktion von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) und Stickstoffmonoxid (NO) führt. Diese Moleküle sind einerseits zur Beseitigung von Pathogenen erforderlich, können aber im Übermaß auch Gewebeschäden verursachen.

  • Gleichzeitig kommt es zu einer 2-fachen Unterbrechung im Zitratzyklus. Dieser ist im Ruhezustand der Zelle eine Art „Alles-Verwerter“, in dem die Stoffwechselprodukte der Glykolyse, des Fettsäure- und des Aminosäureabbaus zunächst zu NADH und FADH2 und anschließend zu ATP umgewandelt werden.

  • In Ruhe wird der Großteil der Energie der Zelle durch den Zitratzyklus bzw. die daran angeschlossene oxidative Phosphorylierung gewonnen. In der proinflammatorischen Phase der Sepsis ist der Zitratzyklus jedoch herunterreguliert, und durch die beiden Unterbrechungen kommt es zu einer Akkumulation von Zitrat und Succinat in den Zellen. Dies spiegelt sich in der sog. mitochondrialen Dysfunktion wider.

  • Die stark gesteigerte Glykolyse erzeugt durch Gärung auch Laktat, einen wichtigen Metaboliten in der Sepsisdiagnostik und -prognose.

  • Auf der anderen Seite kehren Zellen im antiinflammatorischen Zustand zu einem metabolischen Zustand ähnlich dem Ruhezustand zurück: Die Glykolyse wird gedrosselt, der PPP herunterreguliert und der Zitratzyklus reaktiviert.

  • Besonders interessant ist, dass nicht nur die Immunreaktion die Stoffwechselwege beeinflusst, sondern diese Verbindung auch andersherum funktioniert. Eine Modifizierung der Stoffwechselwege beeinflusst daher auch die Immunität der zugehörigen Zelle und damit den Zustand des Immunsystems an sich. Dies könnte sich als ein interessanter Ansatzpunkt in der Sepsistherapie erweisen.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
14. Februar 2024

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