Aktuelle Dermatologie 2023; 49(07): 296-297
DOI: 10.1055/a-2079-9614
Interview

Regeln, die mehr als tausend Jahre Gültigkeit haben

Prof. Ingrid Moll im Gespräch mit Prof. Michael Landthaler
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Prof. Dr. Michael Landthaler

Warum haben Sie die Dermatologie als Fachgebiet gewählt?

Die Vorlesungen meines späteren akademischen Lehrers Prof. Braun Falco haben im Studium mein Interesse an der Dermatologie geweckt und ich habe mich entschlossen, das 3. Tertial meiner Medizinalassistenten-Zeit in der Dermatologie zu machen. In diesen 4 Monaten ist mir klargeworden, dass ich Dermatologe werden will.

Sind Sie mit Ihrer Wahl zufrieden und warum?

Die Dermatologie ist ein klinisch morphologisches Fach mit einem sehr breiten Spektrum, zu nennen sind die konservative und operative Dermatologie, die Allergologie, Onkologie, Proktologie, Andrologie und auch die Histopathologie. In meiner jetzt 50-jährigen Tätigkeit als Arzt habe ich es nie bereut, Dermatologe geworden zu sein, und mein Beruf hat mir immer Freude gemacht.

Sie haben in Ihrer Karriere viel erreicht. Worauf sind Sie besonders stolz?

Stolz bin ich, dass ich dazu beitragen konnte, in Regensburg eine Hautklinik, eine Universitätsklinik und eine medizinische Fakultät aufzubauen und diese auch gut innerhalb der Universität zu verankern, und dass 3 Oberärzte der Klinik in Regensburg leitende Funktionen in deutschen Hautkliniken übernommen haben (Prof. Stolz im Klinikum München, Prof. Vogt in Homburg/Saar und Prof. Szeimies in Recklinghausen). Stolz bin ich besonders auf die Widmung der Assistenzärzte zu meinem Abschied. „Ganz besonders möchten wir Ihnen für die Vermittlung eines medizinischen Ethos und Handelns danken, in dessen Zentrum der Patient mit seinen ganz individuellen Wünschen, Ängsten und Bedürfnissen steht. Wir hoffen, die von Ihnen vermittelten Werte in unserer weiteren klinischen Tätigkeit zu bewahren und weiter zu tragen.“

Welcher Fall ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?

Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir meine erste Lyell-Patientin, die wir in München auf Normalstation betreut haben und die die schwerste Arzneireaktion überlebt hat und mit der ich über viele Jahre in Kontakt blieb.

Von wem haben Sie besonders viel gelernt?

Natürlich habe ich besonders viel von meinem Lehrer Prof. Braun Falco gelernt, sehr wichtig in meiner Entwicklung waren aber auch die Münchner Oberärzte Prof. Michael Dorn, Dr. Birger Konz und Prof. Helmut. H. Wolf, der mich in die Histopathologie einführte.

Was war der beste Rat, den Sie während Ihrer Karriere erhalten haben?

Bei der Übernahme eines Lehrstuhls bekommt man natürlich viele gute Ratschläge zur Patientenversorgung, zum Umgang mit Kollegen, zur Lehre usw. Für mich wichtige Ratschläge fand ich aber in den Regeln des Heiligen Benedikt von Nursia (480–547 n. Chr.), von denen viele auf die Leitung einer Klinik und die Patientenversorgung zutreffen. Bspw.: „Wer es auf sich nimmt, Menschen zu führen, muss sich bereithalten, Rechenschaft abzulegen“. Eine weitere Regel von Benedikt lautet: „Denn nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken …, die Sorge für die Kranken muss vor und über Allem stehen ..., aber auch die Kranken mögen bedenken, dass man ihnen dient, um Gott zu ehren, sie sollten ihre Brüder, die ihnen dienen, nicht durch übertriebene Ansprüche traurig machen“. Und als letzte Regel für den Abt (Klinikchef) möchte ich zitieren: „Er wisse, dass er mehr helfen als herrschen soll“.

Was ist momentan die wichtigste Entwicklung der Dermatologie?

Zu den wichtigsten Entwicklungen in der Dermatologie gehören für mich die neuen Therapiemöglichkeiten bei Hochrisiko- und metastasierten Melanom-Patienten und die systemischen Therapien von Psoriasis und atopischem Ekzem.

Wo sehen Sie die Zukunft der Dermatologie?

Die Bedeutung der Dermatologie wird in Zukunft zunehmen, einerseits durch den demografischen Wandel mit immer älteren Patienten mit den Tumoren der Haut und die zunehmende Bedeutung der geriatrischen Dermatologie. Andererseits werden wir mehr Hautveränderungen auf pigmentierter Haut sehen und aufgrund der Migration tropische und subtropische Infektionen verzeichnen. Es ist in absehbarer Zeit auch mit weiteren Neuerungen in der topischen und systemischen Therapie zu rechnen. Die Dermatologie an den deutschen Universitätskliniken und medizinischen Fakultäten ist gut aufgestellt und viele Dermatologen haben wichtige Funktionen bspw. als ärztliche Direktoren, Dekane und Mitarbeiter in der Hochschulleitung eingenommen. Die Dermatologie in Deutschland ist auch wissenschaftlich sehr aktiv und erfolgreich und deshalb wird das Fach Dermatologie an den Kliniken und Fakultäten in Deutschland weiter eine wichtige Rolle spielen. Der demografische Wandel in Deutschland und die vielen weiteren topischen und systemischen Therapien werden dazu führen, dass die niedergelassenen Kollegen auch in Zukunft für die medizinische Versorgung in Deutschland unersetzlich bleiben.

Was raten Sie jungen Kollegen?

Jungen Kollegen rate ich eine möglichst breite klinische Ausbildung anzustreben, einschließlich der operativen Therapie und der systemischen Therapie in der Dermatologie, sich ständig weiterzubilden und sich an die Regel des heiligen Benedikts zu halten: Nur der kranke Bruder bedarf des Arztes.

Was machen Sie nach Feierabend als Erstes?

Seit 10 Jahren bin ich in der glücklichen Lage, dass ich meinen Tagesablauf frei gestalten kann, ich befunde zwar immer noch Präparate an der Klinik, finde aber ausreichend Zeit, viel Sport zu treiben, viel zu lesen, viel zu reisen und mich meiner Familie inklusive der vier Enkelkinder zu widmen.



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Article published online:
20 July 2023

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