Rofo 2024; 196(04): 337-338
DOI: 10.1055/a-2222-7129
Brennpunkt

Kommentar zu „KINDER – Schädigungsvolumen korreliert bei hypoxischen Neugeborenen mit dem Outcome“

Paul-Christian Krüger
1   Section of Pediatric Radiology, Jena University Hospital, Department of Diagnostic and Interventional Radiology, Jena, Germany (Ringgold ID: RIN539134)
› Author Affiliations

Die hypoxisch ischämische Enzephalopathie ist mit einer Inzidenz von 1,5/1000 Lebendgeburten in den entwickelten Ländern eine ernst zu nehmende Erkrankung bei Neugeborenen [1]. Häufige Ursache ist eine perinatale Asphyxie, also eine Unterversorgung des Gehirns während der Geburt. Eine therapeutische Hypothermie stellt aktuell die Standardbehandlung dar.

Im Anschluss an die Hypothermie spielt die Magnetresonanztomografie (MRT) neben einer standardisierten klinisch-neurologischen Untersuchung eine wichtige Rolle bei Diagnostik und Einschätzung des Schweregrades der Hirnschädigung. Hierfür wurden eine Reihe von MRT-Scores entwickelt [2], welche unter anderem die Ausprägung der Diffusionsstörung als Zeichen der Ischämie bewerten. Diese Scores sind allerdings zeitaufwändig, verhältnismäßig subjektiv oder basieren auf dem Konsensusverfahren.

Die retrospektive Studie von Calabrese et al. untersucht in einer sekundären Auswertung von MRT-Daten die im Rahmen der HEAL-Studie (01/2017–10/2019) angefertigt wurden, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Volumen der geschädigten Hirnareale und dem neuronalen Entwicklungsergebnis nach 24 Monaten gibt. Nach Aussagen der Autoren hatte die Studienmedikation (randomisierte, doppelt-verblindet hochdosierte Gabe von Erythropoetin) keinen Einfluss auf die MRT-Daten.

Die Autoren konnten insgesamt 387 Neugeborene in die retrospektive Auswertung einschließen, die sowohl suffiziente MRT-Daten als auch ein klinisch-neurologisches 24-Monats Follow-up aufwiesen.

Die quantitative Auswertung der Hypoxieareale durch eine automatische Bestimmung des Hirnvolumens mit ADC-Werten <800×10–6mm2/s ist ein interessanter Ansatz, da er von einer Schädigung des Gehirns unterhalb des Schwellenwertes ausgeht, den exakten ADC-Wert aber nicht benötigt. Ein geschädigtes Hirnvolumen von >1 ml war mit einem erhöhten Risiko für einen komplikativen Verlauf wie Tod, mittlere bis schwere neurologische Entwicklungsstörungen und infantile Zerebralparese assoziiert. Die automatische Auswertung zeigte eine gute Korrelation zur Expertenbewertung. Die Autoren beschreiben darüber hinaus, dass die Ischämie im Thalamus eine sehr starke Korrelation mit Tod oder neurologischen Entwicklungsstörungen aufwies.

Die Studie fokussiert allein auf die diffusionsgewichtete Bildgebung zur Einschätzung der Schwere einer HIE. Dies ist im klinischen Alltag allerdings nicht ausreichend. Schon die Hauptpublikation der HEAL-Studie [3] zeigt, dass die diffusionsgewichtete Bildgebung nur ein Teil des Protokolls sein sollte. Es gibt auch Veränderungen, welche besser in den Standardsequenzen T1w und T2w bestimmt werden können. Darüber hinaus können kleine Blutungen besser in T2* detektiert werden. In der HEAL-Studie war die MR-Spektroskopie der genaueste Prädiktor. Hier kommen die Autoren zu dem Schluss, dass die alleinige MRT, auch mit Spektroskopie bei milder und moderater Schädigung keine genauen Vorhersagen für das klinische Outcome treffen kann.

Somit handelt es sich bei der Studie um einen sehr vielversprechenden Ansatz zur automatisierten Beurteilung der Schwere einer HIE, allerdings kann die MRT und insbesondere natürlich die diffusionsgewichtete Bildgebung nur ein Baustein für die Einschätzung der Schwere einer HIE nach Asphyxie sein. Sie soll helfen, gefährdete Kinder zu identifizieren. Man sollte aber vorsichtig bei der Kommunikation mit den Eltern hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit und Ausprägung einer neurologischen Entwicklungsstörung sein.



Publication History

Article published online:
20 March 2024

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