Aktuelle Urol 2024; 55(02): 94-96
DOI: 10.1055/a-2223-2793
Referiert und kommentiert

Kommentar zu: Gesundheitsbezogene Lebensqualität nach radikaler Zystektomie

Contributor(s):
Karl-Friedrich Kowalewski
1   Klinik für Urologie und Urochirurgie, Universitätsklinikum Mannheim, Mannheim, Germany
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Clements et al. [1] berichten in ihrer Arbeit über eine Kohorte von 72 Patienten, die sowohl an einer randomisiert-kontrollierten Studie (RCT) zum Vergleich der offenen (ORC) und roboterassistierten Zystektomie (RARC) als auch gleichzeitig an einer prospektiven Studie zur Lebensqualität teilgenommen hat.

Eine Stärke der Studie besteht darin, dass die Patientenkohorte aus einer prospektiven RCT entnommen wurde, wodurch trotz des retrospektiven Designs der aktuellen Auswertung, von einer prinzipiell guten Datenqualität auszugehen ist. Wie jede Studie, ist jedoch auch die vorgestellte Arbeit nicht frei von Limitationen.

Wie bereits erwähnt, ist die Auswertung retrospektiv erfolgt und besitzt somit allenfalls explorativen Charakter, zumal die initiale Studie nicht für die Lebensqualität, sondern Komplikationen gepowert war [2]. Weiterhin ist die Fallzahl nochmals geringer als in der ursprünglichen Studie. Während in der Studie initial, zumindest in der ITT-Analyse, 118 Patienten eingeschlossen waren, wurden gegenwärtig nur 72 Patienten (32 RARC, 40 ORC) ausgewertet. Hier wäre interessant zu wissen, weshalb deutlich weniger Patienten der RARC-Gruppe (12 vs. 4) die postoperativen Fragebögen ausgefüllt haben. Die Autoren beschreiben dazu, dass diese 16 Patienten vermehrt eine kontinente Harnableitung erhalten haben und öfters einen festen Partner hatten.

Als Ziel der Studie wurde von den Autoren eine Langzeitanalyse der Lebensqualität ausgegeben, die in bestehenden RCTs unterrepräsentiert ist. Die Nachsorge wurde hier bis zu 24 Monaten postoperativ durchgeführt. In Anbetracht der Tatsache, dass die Patienten bereits im Zeitraum zwischen 2010 bis 2013 operiert wurden, wäre ein noch längeres Follow-up wünschenswert gewesen, hätte jedoch vermutlich nochmals eine geringe Fallzahl zur Folge gehabt.

Hinsichtlich der Ergebnisse zeigen sich keine statistisch oder klinisch relevanten Unterschiede in den verschiedenen Domänen der Lebensqualität zwischen beiden Gruppen. Lediglich Symptome im Bereich der Harnableitung (z.B. Hautveränderungen) waren nach 3 und 24 Monaten geringer in der RARC-Gruppe, bei jedoch nur geringen Unterschieden nach 6 und 18 Monaten. Damit ist das Erreichen der Signifikanzschwelle als Zufallsprodukt aufgrund der niedrigen Fallzahl und eines multiplen Testproblems zu interpretieren.

Allgemein ist die Lebensqualität zwischen OPN und RARC mittlerweile gut untersucht. Bei den beiden größten verfügbaren Phase-III-Studien, RAZOR und iROC, fanden sich keine Unterschiede hinsichtlich der Lebensqualität zwischen beiden Armen. Bei letzterer Studie ist zu beachten, dass die Harnableitung intrakorporal durchgeführt wurde, während bei der aktuell diskutierten Arbeit alle Harnableitungen offen-chirurgisch angelegt wurden. Dass sich keine Unterschiede in der Lebensqualität zwischen der RARC und der ORC zeigen, konnte zuletzt auch durch eine Metaanalyse belegt werden, die alle 8 verfügbaren RCTs eingeschlossen hat [3].

Abschließend bleibt festzuhalten, dass die vorgestellte Studie wenig neue Informationen für uns bereithält. Es bleibt aktuell dabei, dass die Diskussion über die Überlegenheit eines der beiden Verfahren (RARC vs. ORC) nicht zielführend erscheint und die Auswahl der OP-Methode auf lokalen Faktoren wie Erfahrung des OP-Teams und Verfügbarkeit eines robotischen Systems basieren sollte.



Publication History

Article published online:
27 March 2024

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