Krankenhaushygiene up2date 2024; 19(02): 103-104
DOI: 10.1055/a-2293-5652
Editorial

Probiotika: Eine Revolution in der Umgebungsreinigung?

Luisa Anna Denkel
,
Rasmus Leistner

Die Umgebungsreinigung im Krankenhaus ist neben der Händehygiene eine wichtige Säule für die Prävention nosokomialer Infektionen und multiresistenter Erreger. Die weit verbreitete Verwendung von Antiseptika und Desinfektionsmitteln wird mit einer gesteigerten Toleranz klinischer Isolate gegenüber diesen Substanzen, der Entwicklung von Kreuzresistenzen mit Antibiotika und anderen potenziell schädlichen Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt in Verbindung gebracht. Insbesondere können die derzeit häufig verwendeten chemischen Desinfektionsmittel wie Glucoprotamin, Aldehyde und quaternäre Ammoniumverbindungen toxische Phenol- und Aldehyddämpfe bilden, die für die Gesundheit und die Umwelt problematisch sind. Daher sind alternative Technologien gefragt, um die Palette der derzeit verfügbaren Desinfektionsmittel zu ergänzen. Idealerweise sollten sie natürlich mindestens ebenso wirksam, aber weniger schädlich für die Umwelt und das Wohlbefinden der Beschäftigten im Gesundheitswesen sein. Probiotische Reinigungsprodukte sind eine neue Art der Reinigungsmittel für Oberflächen im Gesundheitswesen. Sie enthalten gesundheitsfördernde, sogenannte probiotische Mikroorganismen, wie z.B. Bazillus-, Lactobazillus- oder Bifidobakterien-Arten. Damit stellen sie eine potentiell nachhaltigere und biologisch abbaubare Alternative zu herkömmlichen chemischen Desinfektionsmitteln dar. Im Jahr 2022 veröffentlichte das Robert-Koch-Institut (RKI) neue Empfehlungen zur Reinigung und Desinfektion von Oberflächen im Krankenhaus [1]. Die Verwendung von probiotischen Reinigungsmitteln in Krankenhäusern wurde damals noch nicht empfohlen, da die vorhandene Evidenz zu diesem Zeitpunkt nicht ausreichte, allerdings wurden probiotische Reinigungsmittel als zukunftsweisende Technologie erwähnt.

Herkömmliche Desinfektionsmittel wirken nicht selektiv, indem sie alle Mikroorganismen auf Krankenhausoberflächen reduzieren. Bei der Neubesiedlung nach der Desinfektion können unerwünschte Mikroorganismen wie Krankheitserreger von einem geringeren Konkurrenzdruck um Ressourcen im Lebensraum profitieren und sich schnell wieder ansiedeln. Im Gegensatz dazu beruht die Wirkungsweise der Probiotika auf dem Prinzip des kompetetiven Ausschlusses (competitive exclusion). Probiotische Mikroorganismen, welche die Krankenhausumgebung besiedeln, konkurrieren mit potenziellen Krankheitserregern um Nährstoffe und Lebensraum. Einige probiotische Bakterien können sogar sekundäre Metaboliten absondern, die ihnen einen Überlebensvorteil verschaffen. Darüber hinaus sind einige probiotische Arten in der Lage, Pathogene an der Bildung von Biofilmen zu hindern, indem sie die Adhäsion und Koaggregation von Pathogenen verringern, den Zellstoffwechsel stören und/oder die Kommunikation der Pathogene untereinander, das sog. Quorum Sensing, beeinträchtigen. Somit bietet die probiotische Reinigung eine umweltfreundliche und wirksame Methode zur Aufrechterhaltung von Sauberkeit und Hygiene in verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens, indem sie sich den natürlichen Wettbewerb zwischen nützlichen Bakterien und schädlichen Krankheitserregern zunutze macht.

An der Charité wurden zwei Versuche mit probiotischen Reinigungsmitteln durchgeführt. In der ersten Studie wurde eine neurologische Station abwechselnd mit einem probiotischen Reinigungsmittel, einem herkömmlichen Oberflächenreiniger auf Seifenbasis und einem Desinfektionsmittel gereinigt [2]. Die Analyse des Krankenhausmikrobioms zeigte eine signifikant höhere biologische Vielfalt in Zusammenhang mit der probiotischen Reinigung. Außerdem verringerte das probiotische Reinigungsprodukt im Vergleich zur chemischen Desinfektion das Auftreten von Pseudomonas spp. in Umweltproben. Darüber hinaus zeigte die Studie auch eine Verringerung antimikrobieller Resistenzgene in Umweltproben nach der Reinigung mit Probiotika im Vergleich zu chemischen Desinfektionsmitteln. Die zweite Studie konzentrierte sich auf die Frage, ob die verschiedenen Strategien bei der Reinigung der Krankenhausumgebung auch Auswirkungen auf die Raten nosokomialer Infektionen haben können [3]. Diese Frage wurde in einer randomisierten, Cluster-kontrollierten Studie mit Crossover-Design untersucht. Die Studie wurde auf insgesamt 18 Normalstationen durchgeführt. Desinfektionsmittel, seifenbasierte Reinigungsmittel und Probiotika waren in Bezug auf die Prävention von nosokomialen Infektionen und dem Aufkommen multiresistenter Bakterien vergleichbar wirksam.

Die routinemäßige und weit verbreitete Anwendung von probiotischen Reinigungsmitteln in Krankenhäusern erfordert allerdings Vorschriften, Sicherheitsstandards und Qualitätskontrollen, die von Behörden festgelegt, befolgt und überwacht werden müssen, um die Patientensicherheit zu gewährleisten. Die Europäische Union hat sich bereits mit Produkten befasst, die Mikroorganismen – wie beispielsweise Probiotika – enthalten. Darin legen die Autoren fest, dass jegliche Mikroorganismen, die Detergenzien absichtlich zugesetzt werden, genau definiert sein müssen. Das bedeutet, diese Mikroorganismen müssen eine ATCC-Nummer (American Type Culture Collection) haben, in einer offiziell anerkannten internationalen Bakteriensammlung hinterlegt sein (International Depository Authority [IDA]) oder durch Sequenzierung der 16S ribosomalen DNA bzw. vergleichbare geeignete Methoden genau identifiziert und öffentlich zugänglich sein. Solche Vorschriften und ihre Einhaltung sind auch auf nationaler Ebene erforderlich, um die Patientensicherheit zu gewährleisten.

Die probiotische Reinigung ist eine vielversprechende und innovative Technologie für die Umgebungsreinigung im Gesundheitswesen. Aktuelle Studien liefern erste Forschungsergebnisse und praktische Erfahrungen. Die Erkenntnisse reichen jedoch noch nicht aus, um ihre routinemäßige Anwendung in Krankenhäusern zu empfehlen. Qualitativ hochwertige, multinationale, multizentrische randomisierte kontrollierte Studien, sog. RCTs, mit ausreichender statistischer Aussagekraft sind erforderlich, um die Wirkung der probiotischen Reinigung auf die Häufigkeit von nosokomialen Infektionen in Krankenhäusern zu bewerten. Neben der Wirksamkeit, Patientensicherheit und Personalschutz ist Nachhaltigkeit in Bezug auf die Umweltverträglichkeit ein entscheidender Faktor, der bei der Einführung neuer Reinigungsmethoden im Krankenhaus berücksichtigt werden muss.

Ihre

PD Dr. rer. nat. Luisa Denkel und PD Dr. med. Rasmus Leistner



Publication History

Article published online:
22 May 2024

© 2024. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany