Psychother Psychosom Med Psychol 2009; 59(1): 3-4
DOI: 10.1055/s-0028-1090121
Nachruf

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Nachruf Prof. Dr. med. Reinhold Schwarz (1946–2008)

Obituary Prof. Dr. med. Reinhold Schwarz (1946–2008)Joachim  Weis1 , Gabriele  Blettner1
  • 1für die Arbeitsgemeinschaft PSO der Deutschen Krebsgesellschaft
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Publication Date:
12 January 2009 (online)

Prof. Dr. med. Reinhold Schwarz

Der plötzliche Tod unseres lieben Kollegen und Freundes Reinhold Schwarz hat uns zutiefst getroffen und sprachlos gemacht. Sein Wirken ist eng mit der Entwicklung der Psychoonkologe verbunden.

Reinhold Schwarz wurde in Brackenheim Württemberg geboren und hat von 1966–1972 ein Studium der Humanmedizin an den Universitäten in Marburg, München, London absolviert und mit dem Medizinisches Staatsexamen und dem Grad des Doktors der Medizin abgeschlossen. Im Jahre 1974 erhielt er die Approbation als Arzt. Seinen vielseitigen Interessen folgend hat er teilweise parallel zum Medizinstudium von 1970 an zusätzlich ein Studium der Soziologie begonnen und 1975 mit dem Diplom abgeschlossen. Im Jahre 1975 begann er am Heidelberger Institut für Psychoanalyse und Psychotherapie (DGPT) eine Psychotherapeutische und Psychoanalytische Weiterbildung, die er mit dem Erwerb der Zusatzbezeichnung „Psychotherapie” und „Psychoanalyse” im Jahre 1981 erfolgreich abschloss. Seine berufliche Laufbahn begann er im Jahre 1975 als wissenschaftlicher Angestellter am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim, Univ. Heidelberg (Psychosomatische Klinik) im DFG Sonderforschungsbereich 116 „Psychiatrische Epidemiologie”, wo er bis 1981 wirkte. Im Jahre 1982 wechselte er als wiss. Angestellter in das Modellprojekt der Deutschen Krebshilfe e. V. „Psychosoziale Nachsorgeeinrichtung und Fortbildungsseminar”, Univ. Heidelberg (Leitung Prof. Dr. Almuth Sellschopp). Im Jahre 1984 übernahm er die Ärztliche Leitung der Nachsorgeeinrichtung und führte diese Einrichtung bis 1997. Während dieser Zeit in Heidelberg erwarb er im Jahr 1988 die Zusatzbezeichnung „Sozialmedizin”. Seine weitere akademische Laufbahn verfolgend habilitierte er sich im Jahre 1991 mit einem für ihn wichtigen Forschungsthema der Psychoätiologie von Krebserkrankungen und erhielt die venia legendi für das Gebiet „Klinische Psychosomatik und Sozialmedizin”. Das auf dieser Habilitationsschrift basierende Buch zur Krebspersönlichkeit ist in Deutschland immer noch ein wichtiges Referenzwerk. Für diese Arbeit wurde er im Jahre 1992 mit dem Römer-Preis des Deutschen Kollegiums für Psychosomatische Medizin geehrt. Ebenfalls noch in der Heidelberger Zeit im Jahr 1995 erwarb er den Facharzttitel „Psychotherapeutische Medizin”. Aufgrund seiner wissenschaftlichen Qualifikation wurde er dann im Jahr 1998 auf den Lehrstuhl für Sozialmedizin an die Universität Leipzig berufen, den er bis zu seinem Tod innehatte.

Reinhold Schwarz war einer der richtungweisenden Pioniere der Psychoonkologie. Er hat die Psychoonkologie in Deutschland geprägt wie kein anderer. Die Verbesserung der psychosozialen Versorgung von Krebspatienten war ihm ein nachhaltiges Anliegen, die psychoonkologische Forschung seine wichtige Lebensaufgabe. Er hat unsere Fachgesellschaft, die Arbeitsgemeinschaft Psychoonkologie (PSO) in der Deutschen Krebsgesellschaft, zusammen mit anderen Kollegen initiiert und im Jahre 1988 mitbegründet. Als Sprecher hat er sie bis 1998 geleitet und sie als eine funktionierende Fachgesellschaft ausgebaut.

In seiner Heidelberger Zeit hat er als Leiter der Nachsorgeeinrichtung durch zahlreiche wissenschaftliche Kongresse Impulse gesetzt, die aus unserer heutigen Sicht als wichtige Meilensteine in der psychoonkologischen Forschung sowie Lebensqualitätsforschung in Deutschland zu bewerten sind und die auch immer wieder Verbindungen zu zentralen Themen der psychosozialen Versorgung geschaffen haben. Hier sind vor allem zu nennen die Psychosozialen Krebskongresse in Jahren 1989, 1991 sowie 1998 (10 Jahre PSO: Qualität in der psychosozialen Onkologie) sowie die Kongresse zur Lebensqualitätsforschung in den Jahren 1994 und 1996.

Seine Interessen waren vielseitig. Daher hat er sich auch mit Randthemen wie beispielsweise der Spontanremission von Krebserkrankungen beschäftigt. Gemeinsam mit anderen Kollegen hat er den ersten und bislang einzigen nationalen Kongress zum Thema Spontanremission in Heidelberg 1997 organisiert und verschiedene nationale und internationale Experten zusammengeführt.

Frühzeitig engagierte er sich auch in internationalen wissenschaftlichen Gesellschaften oder Fachgruppen. So war er Gründungsmitglied in der europäischen Gesellschaft für Psychoonkologie (ESPO) und hat aktiv in der europäischen Forschungsgruppe Lebensqualität der EORTC mitgewirkt. Durch die bereits genannten Kongresse in Heidelberg hat er wichtige Impulse für die Etablierung der Lebensqualität als Zielgröße in der Onkologie in Deutschland gegeben. Wir verdanken ihm und seiner Arbeitsgruppe in Leipzig die Ermittlung von Referenzdaten zur Lebensqualität (EORTC), psychischen Befindlichkeit (HADS) oder Fatigue (MFI) für Deutschland.

Er war auch der Ausarbeitung einer Qualitätssicherung der jungen Disziplin Psychoonkologie verpflichtet. So hat er frühzeitig die Notwendigkeit einer Fort- und Weiterbildung für das Gebiet der Psychoonkologie erkannt und die Fortbildungsseminare an der Nachsorgeeinrichtung in Heidelberg ausgebaut. Gemeinsam mit anderen hat er die Weiterbildung Psychoonkologie ins Leben gerufen, der Vorläufer unserer heutigen WPO e. V.. Ebenso hat er die erste S1-Leitlinie für psychosoziale Krebsberatungsstellen mit initiiert und in der Arbeitsgruppe der PSO / DKG zu Erstellung dieser Leitlinie mitgewirkt.

Neben der PSO hat er in der Gründung weiterer Fachgesellschaften und Verbänden mitgewirkt, wie der Deutschen Fatigue Gesellschaft (DFaG), der deutschen Arbeitsgemeinschaft für Psychoonkologie (dapo) sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft der Krebsberatungsstellen (BAK).

In der psychotherapeutischen Behandlung von Tumorpatienten hat er daran gearbeitet, mit seinem psychoanalytischen Behandlungshintergrund Konzepte der psychotherapeutischen Behandlung von Tumorpatienten angemessen umzusetzen.

Durch seine soziologische Ausbildung hat er sich auch wichtigen Themen der Rehabilitation und Sozialmedizin gewidmet. Er fokussierte spezifische Gruppen von Krebspatienten wie Laryngektomierte, die bisher unter psychoonkologischer und rehabilitativer Perspektive eher vernachlässigt waren. Außerhalb der Psychoonkologie widmete er sich in seinen Forschungsprojekten auch der Situation minderjähriger Mütter und gesundheitlichen Folgen politischer Haft in der ehemaligen SBZ / DDR.

Als Leiter der Abteilung für Sozialmedizin war er auch akademischer Lehrer. Die Nachwuchsförderung war ihm ein wichtiges Anliegen. Er hat junge Fachkolleginnen und -kollegen für das Themenfeld der Psychoonkologie begeistert und in die Übernahme von Verantwortung in diesem Bereich geführt.

Aufgrund seiner wissenschaftlichen Verdienste wurde er 2006 in den Versorgungsausschuß der Deutschen Krebshilfe berufen. Er hat in diesem Rahmen auch den Förderschwerpunkt Psychosoziale Krebsberatungsstellen begleitet und gestaltet. In diesem Jahr wurde er in das Expertengremium des BMG zum Nationalen Krebsplan als Experte in die Arbeitsgruppe „Versorgungsstrukturen” berufen.

In der ersten persönlichen Begegnung wirkte er vielleicht etwas zurückhaltend, psychoanalytisch distanziert. Wenn man diese erste Begegnungsebene mit ihm überwunden hatte, konnte man eine verbindliche und zutiefst zwischenmenschliche Seite mit ihm erleben. Aufgrund seines Feingespürs und seiner diplomatischen Fähigkeiten hatte er die Gabe, in schwierigen Situation und Konflikten zu vermitteln. Er konnte Zuhören und Rat geben, dabei eigene Interessen in den Hintergrund rücken. Mit Reinhold Schwarz haben wir einen engagierten Wissenschaftler, führenden Psychoonkologen und exzellenten Psychotherapeuten verloren. In tiefer freundschaftlicher und kollegialer Verbundenheit, Zuneigung und Dankbarkeit trauern wir um unseren Freund, Kollegen und Weggefährten und nehmen Abschied. Wir sind getragen von der Hoffnung, dass Vieles von seinem Wirken und von dem, was wir so sehr an ihm geschätzt haben, uns weiter begleiten wird. Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Frau und seiner Familie.

Prof. Dr. phil. Joachim Weis

Klinik für Tumorbiologie an der Universität Freiburg, Abteilung Psychoonkologie

Breisacher Str. 117

79106 Freiburg

Email: weis@tumorbio.uni-freiburg.de

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