B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2009; 25(1): 24-25
DOI: 10.1055/s-0028-1098801
WISSEN KURZGEFASST

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Körperliches Training mit COPD-Patienten – Funktionelle und psychologische Aspekte

Zusammenfassung der Dissertation von Kerstin Bastian (2002)
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Publication Date:
12 February 2009 (online)

„COPD“ („chronic obstructive pulmonary disease“) ist ein Sammelbegriff für die variable Kombination der beiden Krankheitsbilder chronische Bronchitis und Lungenemphysem. Die Ausatmung ist erschwert. Die wesentlichen Beschwerden von COPD-Patienten sind ständige Atemnot (Dyspnoe) mit Husten und Auswurf, Belastungsintoleranz und eine eingeschränkte Lebensqualität. Hauptrisikofaktor ist das Rauchen.

Viele der typischen Beschwerden von Patienten werden als altersbedingt und selbstinduziert angesehen. Die COPD gilt vielleicht auch aus diesen Gründen als weltweit unterdiagnostizierte Erkrankung [5] [7]. Vermutlich werden nur ein Viertel aller Fälle diagnostiziert [8] [9]. Erst in letzter Zeit wird der COPD vermehrt gesundheitspolitische Beachtung zuteil, obwohl ca. 3 Millionen Menschen in Deutschland erkranken und die COPD in den USA die vierthäufigste Todesursache darstellt – Tendenz steigend (bedingt durch die Zunahme von Raucherinnen).

Um Luftnot zu vermeiden, reduzieren viele COPD-Patienten ihre körperlichen Aktivitäten. Folge ist eine sich negativ auswirkende „Dyspnoe-Spirale“ [10], bestehend aus Bewegungsmangel mit zunehmender Luftnot und daraus resultierender abnehmender Belastbarkeit, Ernährungsstörungen, psychosozialen Veränderungen und einer eingeschränkten Lebensqualität.

Neben der Rauchabstinenz und einer optimalen medikamentösen Versorgung ist der Stellenwert einer körperlichen Bewegungstherapie derzeit unumstritten [6].

Der krankheitsbegleitend auftretende Bewegungsmangel ist ein wichtiges Argument zur Durchführung einer pneumologischen Rehabilitationsmaßnahme. Obwohl sich nach bisherigen Erkenntnissen die Lungenfunktionswerte durch körperliches Training als kaum beeinflussbar erweisen, führen pneumologische Rehamaßnahmen zu einer Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit und einer Abnahme der Dyspnoe. Die Lebensqualität wird verbessert und die Zahl der Krankenhaustage kann reduziert werden [1] [2] [3] [4]. Zahlreiche Fragen auf dem Gebiet des körperlichen Trainings mit COPD-Patienten sind bisher offen geblieben. Eine Evaluierung von Bewegungsprogrammen, die in Deutschland derzeit hauptsächlich in Rehakliniken durchgeführt werden, ist daher dringend notwendig.

Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, den Einfluss unterschiedlicher Trainingsprogramme (Kraft-, Ausdauer- oder ein kombiniertes Kraft-Ausdauer-Training) auf die körperliche Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität von COPD-Patienten zu untersuchen und die Effektivität einer dreiwöchigen stationären pneumologischen Rehabilitation zu erfassen. Die Assessmentinstrumente wurden hinsichtlich ihrer Anwendung für COPD-Patienten kritisch diskutiert. Die Interpretation der Ergebnisse sollte Trainingsempfehlungen für ein zielgerichtetes sporttherapeutisches Training im Bereich der stationären Rehabilitation erlauben.

An der Studie nahmen 69 Patienten (44 Männer, 25 Frauen) mit mittel- bis schwergradiger COPD (FEV1 %pred. = 48 % ± 19), davon 32 mit Indikation zur Sauerstofflangzeittherapie (LOX = „liquid oxygen therapy“, > 16 Stunden / Tag), teil. Die Patienten mit und ohne LOX wurden randomisiert entweder einem Ausdauertraining (Aohne LOX und Amit LOX), einem Krafttraining (Kohne LOX und Kmit LOX) oder einer Kombination von beiden (AKohne LOX und AKmit LOX) zugeteilt.

Zu Beginn und zu Ende des dreiwöchigen Trainingsprogramms wurden bei allen Patienten Lungenfunktionsuntersuchungen und Belastungstests durchgeführt. Die subjektive Dyspnoe wurde mittels einer visuellen Analogskala, das Belastungsgefühl mit der Borg-Skala gemessen. Angst-, Depressivitäts- und Lebensqualitätseinschätzung (Hospitality Anxiety and Depression Scale und Aachener Lebensqualitätsinventar) wurden an einer Teilgruppe (n = 16) erhoben.

Neben dem „Standardtherapieprogramm“ (v. a. Atemgymnastik, Atemschule, Entspannungstraining) absolvierten die Ausdauergruppen viermal wöchentlich ein Training auf einem Fahrradergometer mit 70 % der maximalen Leistungsfähigkeit, die Kraftgruppen viermal wöchentlich ein Gerätetraining mit 40 % der berechneten Maximalkraftleistung.

Die Lungenfunktion und arteriellen Blutgase blieben weitgehend unverändert. Die ein Ausdauertraining alleine oder in Kombination absolvierenden nichtsauerstoffpflichtigen Gruppen (Aohne LOX und AKohne LOX) profitierten von einer leichten Abnahme der Atemwegsobstruktion. Die Kraftgruppe (Kohne LOX) konnte signifikant ihre Atemmuskelkraft steigern. Das Ausdauertraining mit schwer betroffenen COPD-Patienten (Amit LOX) führte zu einer besseren Oxygenisierung des Blutes (PaO2 > 60 mm Hg).

Alle Gruppen mit Krafttraining (Kohne LOX, AKohne LOX, Kmit LOX und AKmit LOX) konnten programmspezifisch eine signifikante Kraftsteigerung nachweisen. Allerdings profitierten von einem Ausdauertraining nur die ausdauerorientierten Gruppen ohne LOX (Aohne LOX und AKohne LOX) deutlich. Die relative maximale Leistung lag nach Beendigung des Trainingsprogramms für die Trainingsgruppen ohne zusätzliche Sauerstoffgabe über 0,7 W / kg KG, für die mit O2 zwischen 0,4–0,6 W / kg KG.

Im 6-Minuten-Gehstreckentest steigerten alle Gruppen (mit Ausnahme Kohne LOX) ihre Gehstrecke signifikant zwischen 60 und 83 m (am stärksten profitierten die Gruppen mit LOX!). Die ausdauerorientierten Gruppen ohne Sauerstoff und die kraftorientierten Gruppen mit Sauerstoff benötigten signifikant weniger Zeit zur Durchführung eines selbstentwickelten „Tests alltagsmotorischer Fertigkeiten“, der mit seinen drei Testübungen v. a. die luftnotauslösende Arm-Oberkörper-Tätigkeit thematisierte. Alle Gruppen bis auf Kmit LOX konnten im Gehstreckentest die Dyspnoe verringern. Eine Besserung des subjektiven Belastungsgefühls war weniger ausgeprägt.

Die gesundheitsbezogene Lebensqualität stieg nach dem Trainingsprogramm deutlich an (+ 22 %), während vor allem depressive Befindlichkeiten signifikant abnahmen (– 27 %).

Trainingsspezifische Ergebnisse, die beispielsweise im Kraft- oder Ausdauertraining erzielt wurden, waren nicht ohne Weiteres auf andere Funktionsbereiche, wie Gehstreckenleistung oder Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL), übertragbar. Hier sind weitere Untersuchungen erforderlich, um die für die Transferleistung verantwortlichen Variablen oder deren Kombinationen identifizieren zu können.

Zusammenfassend belegt die Untersuchung, dass alle Patienten mit COPD, insbesondere auch die schwer Betroffenen, ein kurzfristiges und intensives körperliches Training tolerieren und davon profitieren. Patienten mit weit fortgeschrittener Erkrankung (Amit LOX, Kmit LOX und AKmit LOX) empfiehlt sich deutlicher ein Kraft-Ausdauer-Training (sowohl allein als auch in Kombination), während bei den nichtsauerstoffpflichtigen Patienten eher ein Ausdauertraining angezeigt ist. Die Verbesserungen der Belastbarkeit und der Dyspnoe tragen zu einer Steigerung der täglichen Aktivitäten und letztendlich zu einer besseren Lebensqualität bei.

Die positiven Ergebnisse können nur durch ein weitergehendes körperliches Trainingsprogramm erhalten werden. Konsequenterweise empfiehlt sich daher für Patienten mit COPD als „Initialzündung“ die Teilnahme an Rehabilitationsmaßnahmen und die Hinführung zu einem eigenständigen häuslichen Training. Betont werden kann nur die besondere Funktion der leider noch nicht sehr zahlreichen ambulanten Lungensportgruppen, die analog zu den Herzsportgruppen ein angepasstes und zielorientiertes Trainings-, Schulungs- und Kompetenzprogramm anbieten.

Literatur

  • 1 Bernard S, Whittom F, Leblanc P et al.. Aerobic and strength training in patients with chronic obstructive pulmonary disease.  Am J Crit Care Med. 1999;  159 896-901
  • 2 Berry M J, Walschlager S A. Exercise training and chronic obstructive pulmonary disease: past and future research directions.  J Cardiopulmonary Rehab. 1998;  18 181-191
  • 3 Bowen J B, Thrall R S, Zuwallack R L et al.. Long-term benefits of short-stay inpatient pulmonary rehabiliation in severe chronic obstructive pulmonary disease.  Monaldi Arch for Chest Disease. 1999;  54 189-192
  • 4 Celli B R. Pulmonary rehabilitation.  Seminars in Respir and Crit Care Med. 1999;  20 331-339
  • 5 Hurd S. The impact of COPD on lung health worldwide.  Chest. 2000;  117 1-4
  • 6 Lacasse Y, Wong E, Guyatt G H et al.. Meta-analyses of respiratory rehabilitation in chronic obstructive pulmonary disease.  Lancet. 1996;  348 1115-1119
  • 7 Pauwels R A. COPD – The scope of the problem in Europe.  Chest. 2000;  117 332-335
  • 8 Siafakas N M, Vermeire P, Pride N B et al.. Optimal assessment and management of chronic obstructive pulmonary disease (COPD): A consensus statement of the European Respiratory Society (ERS).  Eur Respir J. 1995;  8 1398-1420
  • 9 Sobradillo Pena V, Miravitlles M, Gabriel R et al.. Geographic variations in prevalence and underdiagnosis of COPD. Results of the IBERPOC Multicentre Epidemiological Study.  Chest. 2000;  118 981-989
  • 10 Young A. Rehabilitation of patients with pulmonary disease.  Ann Acad Med. 1983;  12 410-416
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