Fortschr Neurol Psychiatr 2009; 77(10): 557
DOI: 10.1055/s-0028-1109834
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Sommerzeit – Zeckenzeit

Summer Time – Tick TimeM. Dieterich1
  • 1Neurologische Klinik und Poliklinik, Ludwig-Maximilians-Universität München, Klinikum Großhadern
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Publication Date:
09 October 2009 (online)

Im Sommer ist wieder Zecken-Zeit; die Zecken sind besonders von etwa März bis Oktober aktiv. In dieser Zeit wird auch das Frühsommer-Meningoenzephalitis(FSME)-Virus übertragen, mit einer Inkubationszeit nach Exposition von meist 1 – 2 Wochen, selten bis zu 4 Wochen und einer Erkrankungsrate nach Infektion von ca. 30 % [1]. Dass im Krankheitsfall einige Tage nach grippeähnlichen Symptomen mit Fieber, Kopfschmerzen, Erbrechen und einem fieberfreien Intervall eine Meningoenzephalitis auftreten kann, ist allgemein bekannt. Diese kann in einzelnen Fällen neben meningealen Reizerscheinungen auch eine schwere Enzephalitis mit Stupor und Koma oder aber Myelitis verursachen mit ausgeprägten und zum Teil bleibenden neurologischen Defiziten wie z. B. Paresen. Die diagnostische Methode der Wahl ist der Nachweis von FSME-spezifischen IgM und IgG im Serum und Liquor mittels ELISA-Verfahren mit Nachweis eines erhöhten FSME-spezifischen Liquor-Serum-Antikörperindex und einer lymphomonozytären Pleozytose mit Blut-Liquor-Schrankenstörung [1]. Diese uns bekannten Regeln hören sich zunächst einmal sehr klar und einfach an, sind es in der Praxis aber nicht immer, da wir es nicht immer mit immunkompetenten jungen Patienten zu tun haben. Zunehmend häufiger sehen wir Patienten, die eine immunsuppressive oder immunmodulatorische Therapie wegen einer immunologischen Erkrankung erhalten und so ihre „normale Reaktionsweise” verzögert und supprimiert ist, insbesondere wenn es sich um Patienten im höheren Lebensalter handelt. So ist im Alter die Inzidenz für FSME höher als bei jungen Individuen und gleichzeitig die Immunantwort nach regelrechter FSME-Impfung bei ca. 20 % der über 60-Jährigen vermindert [2].

Derartig schwierige Fälle aus dem Klinikalltag werden in der vorliegenden Ausgabe der „Fortschritte der Neurologie und Psychiatrie” von Pöschl und Mitarbeitern vorgestellt. Auch hier geht es unter anderem um die Frage, wie aussagekräftig ein Liquorbefund bei einem immunsupprimierten älteren Patienten ist, noch dazu, wenn intravenöse Immunglobuline verabreicht wurden. Bei so komplexen Fällen sollten wir daran denken, besondere Vorsicht bei bestimmten Konstellationen walten lassen.

Zu schwierigen Konstellationen zählen:

Vorangegangene FSME-Impfungen, da auch erhöhte IgM-FSME-Titer mehrere Jahre lang nachgewiesen werden können und nicht mit einer frischen Infektion gleichzusetzen sind, vorangegangene oder gleichzeitige Immunglobulinbehandlungen, da diese zu einer Zellzahlerhöhung im Liquor führen sowie das Antikörperprofil und die Antikörperindizes verändern können, vorangegangene immunsuppressive Therapien, da diese bei verzögerter oder mangelnder Immunantwort trotz Infektion mit einem nur sehr geringen oder fehlenden Zellzahlanstieg im Liquor assoziiert sein können.

Prof. Dr. M. Dietrich

Literatur

  • 1 Maschke M, Weissert R. Virale Entzündungen des ZNS. Brandt T, Dichgans J, Diener HC Therapie und Verlauf neurologischer Erkrankungen 2007 5. Aufl: 597
  • 2 Jilkova E, Vejvalkova P, Stiborova I. et al . Serological response to tick-borne encephalitis vaccination in the elderly.  Expert Opin Biol Ther. 2009;  9 (7) 797-803

Prof. Dr. Marianne Dieterich

Neurologische Klinik und Poliklinik, Ludwig-Maximilians-Universität München, Klinikum Großhadern

Marchioninistr. 15

81377 München

Email: marianne.dieterich@med.uni-muenchen.de

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