Dtsch Med Wochenschr 1954; 79(12): 483-486
DOI: 10.1055/s-0028-1115462
Therapie

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Ergebnisse der Strahlentherapie mit Radiojod (J131) - bei 150 Patienten mit Schilddrüsenüberfunktion

Zugleich ein Beitrag zur Pathogenese der Hyperthyreosen auf Grund des Verhaltens des Jodstoffwechsels nach der J131-TherapieWolfgang Horst, Friedrich Kuhlencordt
  • Strahleninstitut (Direktor: Professor Dr. R. Prévôt) der I. Medizinischen Klinik (Direktor: Professor Dr. H. H. Berg) und der II. Medizinischen Klinik (Direktor: Professor Dr. A. Jores) des Universitäts-Krankenhauses Hamburg-Eppendorf
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
03. Mai 2009 (online)

Zusammenfassung

Nach einer Literaturübersicht über die Erfolge der operativen, antithyreoidalen und Radiojod-Therapie bei Schilddrüsenüberfunktion werden die Ergebnisse bei 150 eigenen Fällen mitgeteilt, die mit J131 behandelt wurden.

Bei 88% der Patienten wurde klinisch eine Vollremission erzielt, ein Ergebnis, das die chirurgischen Behandlungserfolge mindestens erreicht, wenn nicht übertrifft. 12% der Patienten wurden gebessert. Bei 4% entwickelte sich eine thyroxinbedürftige Hypothyreose.

Die in 16% manifeste Herzinsuffizienz während des Überfunktionszustandes der Schilddrüse konnte in allen Fällen mit deren Normalisierung beseitigt werden. Elektrokardiographische Veränderungen im Sinne eines Myokardschadens haben sich bisher nur in 50% vollständig zurückgebildet, während Arrhythmien und Reizleitungsstörungen praktisch unbeeinflußt blieben.

In 61% der untersuchten Patienten wurden vor der Behandlung Leberfunktionsstörungen z. T. erheblichen Grades nachgewiesen. Bei zwei Dritteln dieser Fälle normalisierte sich die Leberfunktion mit dem Erreichen der Euthyreose (Thyreohepatopathien), während bei einem Drittel der Patienten die Leberfunktionsstörungen auch bei normalisierter Schilddrüsenfunktion bestehen blieben (echte Hepatopathien?). Bei 54% der Patienten bestand bei Beginn der Behandlung eine Hypoproteinämie, die sich in allen Fällen zurückbildete. Diese Befunde begründen die Forderung nach einer hochwertigen eiweißund vitaminreichen Kost bei der Behandlung der Thyreotoxikose.

Die Dosierung des J131 erfolgte in Röntgenäquivalenten pro Gramm Schilddrüsengewebe. Die rep-g-Dosierung ist die Voraussetzung zum individualisierenden, protrahierten, mehrzeitigen oder zum gezielten, kurzzeitigen Abbau der Schilddrüsenüberfunktion. Es werden Indikationen zum fraktionierten Abbau der Überfunktion aufgestellt.

Sowohl vor als auch nach der Therapie wurde das 2-Phasen — also Jodid- und Thyroxinphase umfassende — Radiojodstoffwechselstudium durchgeführt. Diese Untersuchung bietet — gemessen am Therapieerfolg — mit 97% die größte diagnostische Treffsicherheit. Die Ergebnisse der Radiojodstoffwechseluntersuchung nach erfolgreicher Jod-131-Therapie sprechen für das Bestehen von zwei pathogenetisch verschiedenartigen Gruppen der Schilddrüsenüberfunktion, nämlich

a) eine Gruppe mit schneller Rückbildung der Überfunktionskriterien in beiden Phasen des Jodstoffwechsels nach erfolgreicher Therapie. Nach klinischer Heilung besteht im Jodstoffwechsel kein Anhalt für ein erhöhtes Sekretionsniveau an thyreotropem Hormon.

b) eine Gruppe der Überfunktion mit Weiterbestehen eines erhöhten Sekretionsniveaus des HVL an thyreotropem Hormon, auch im Stadium der klinischen Heilung. Es besteht eine erhöhte intrathyreoidale Jodumsatzgeschwindigkeit bei Limitierung der Jodaufnahme der Schilddrüse über Monate bis Jahre nach klinischer Heilung des Patienten. Die Schilddrüsenhormonproduktion ist also durch die reduzierte Jodaufnahme der Thyreoidea begrenzt. Der Therapieeffekt läßt sich nicht in der Thyroxinphase, dagegen gut in der Jodidphase des Radiojod-Stoffwechselstudiums beurteilen. Die 2-Stunden-Aufnahmemessung über der Schilddrüse 4 Wochen nach der Radiojod-Therapie gestattet, den zu erwarteten Therapieerfolg bereits vor seiner klinischen Manifestation zu beurteilen.

Auf die im Rahmen einer regelmäßigen Anwendung des Radiojods in Diagnostik und Therapie notwendigen Strahlenschutzmaßnahmen wird hingewiesen.

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