Dtsch Med Wochenschr 1952; 77(25): 808-811
DOI: 10.1055/s-0028-1116099
Therapie

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Die Physiologie der Knochenbruchheilung und die Verstöße gegen sie, besonders durch die Streckbehandlung1

Victor Schaefer
  • Chirurg, Bremen, Elsasserstraße 101
1 Auszugsweise vorgetragen auf dem 14. Kongreß der Internationalen Gesellschaft für Chirurgie, vom 23.—29. 9. 1951 in Paris.
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Publication Date:
23 April 2009 (online)

Zusammenfassung

Die Technik der heutigen Knochenbruchbehandlung ist überentwickelt. Durch das Versäumen der sofortigen Reposition und durch die dann notwendig werdende komplizierte Behandlung wird mancher Knochenbruch oft erst künstlich zu einer schweren Krankheit gemacht. Es gehört nicht in erster Linie die Anwendung komplizierter Apparate zur Betreuung dieses Kindes der Chirurgie, sondern dieses Kind, das oft wie ein Stiefkind behandelt wird, und deshalb leicht abtrünnig werden könnte, braucht in erster Linie Liebe. Diese kommt aus dem Gefühl, — bei der Frakturbehandlung aus dem Gefühl dafür, was im Frakturglied vor sich geht. Eine reale Grundlage hierfür ist die beschriebene Physiologie der Knochenbruchheilung, eine Lehre, welche die bei der Heilung ablaufenden kausal verknüpften Teilvorgänge angibt, in welche die Therapie einzugreifen hat. Die Physiologie kann abgeleitet werden aus der Relationspathologie, die mit ihrer „Herdhoflehre” eindeutige Richtlinien für die Behandlung gibt und Fehler und Gefahren aufzeigt, welche die Empirie oft erst auf einem recht langen Umweg zu vermitteln vermag —, oder überhaupt nicht vermittelt. Schlechte funktionelle Ergebnisse (Gelenkversteifungen) erlebt man oft nur deshalb, weil diese Physiologie nicht bekannt ist. Die schlechten Resultate sind deshalb oft keine direkten Unfallfolgen, sondern an sich vermeidbare Behandlungsfolgen. Als Beispiel hierfür wurde die Streckbehandlung beim Unterschenkelbruch mit ihrer verzögerten Kallusbildung und den oft schlechten funktionellen Ergebnissen (Versteifungen) gebracht und ihr die einfache Behandlung mit der dorsalen Gipsschiene mit ihren wesentlich besseren funktionellen Ergebnissen gegenübergestellt.