Dtsch Med Wochenschr 1949; 74(15): 470-472
DOI: 10.1055/s-0028-1118407
Therapie

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Zur Indikation der parenteralen Pyramidonbehandlung (Anoixol und Capysal)

E. Altenburger, K. H. Stauder
  • Krankenhaus der Stadt München, Wiesseer Hof, Bad Wiessee (Chefarzt: Dr. E. Altenburger)
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Publication Date:
02 June 2009 (online)

Zusammenfassung

Die parenterale Aminophenazonbehandlung mit den Präparaten Anoixol und Capysal kann nach unseren Erfahrungen nicht die Indikationen beanspruchen, die ihr bisher von anderen Autoren zugebilligt worden sind.

Zwar hat sich das Anoixol bei der Gruppe der rheumatischen Erkrankungen und bei einzelnen neuritischen Syndromen sehr bewährt und sich — soweit solche Vergleiche möglich sind — der peroralen Pyramidonzufuhr als erheblich überlegen erwiesen. Dabei ist die analgetische Wirkung in der Mehrzahl der Fälle weitaus stärker, als sie dem Pyramidon im allgemeinen zukommt. Bei diesen Gruppen von Erkrankungen haben wir zwar die von Döring und Riebeling beschriebenen schnellen Erfolge nur relativ selten, dagegen auch bei älteren, vergeblich behandelten oder chronisch gewordenen Fällen überzeugende Besserung beobachtet. Vielleicht ist die nachhaltige Schmerzbekämpfung an diesen Heilungen maßgebend beteiligt — eine Vorstellung, die ja auch der Impletolkur zugrundeliegt. Eindrucksmäßig sind die besten Erfolge dort zu verzeichnen, wo der analgetische Effekt sich bald einstellt.

Im Gegensatz zu diesen Indikationen scheidet nach unseren Erfahrungen die Migräne aus dem Anwendungsbereich des Anoixols vollkommen aus. Die parenterale Pyramidonbehandlung leistet hier entschieden weniger als andere erprobte Behandlungsmethoden; ja es gelingt nach unserem Material nur selten, auch nur den Anfall einigermaßen zu dämpfen oder gar zu beenden.

Hinsichtlich der übrigen Anwendungsbereiche bei anderen neurologischen Erkrankungen (etwa bei multiplen Sklerosen und postenzephalitischen Parkinsonsyndromen) möchten wir uns vorläufig mit großer Zurückhaltung äußern. Einzelne überraschende Wendungen stationärer Krankheitsbilder stehen totalen Versagern gegenüber. Die Behauptungen über wesentliche Besserung stehen häufig im Gegensatz zu den objektiv unveränderten Symptomen. Offenbar führt die Euphorisierung durch die Anoixolbehandlung zuweilen eine Überschätzung des Erfolges beim Patienten herbei. Wir kennen diesen Vorgang ja auch von anderen Drogen, denen diese glückliche Eigenschaft des Stimmungswandels innewohnt.

Deswegen müssen auch die offenkundigen Wirkungen auf endogene Depressionen zunächst mit Zurückhaltung berichtet werden. Der euphorische Stimmungsumschlag erfolgt hier häufig sofort, hält aber nur Stunden an, wenn nicht neue Injektionen folgen. Ebenso wie beim analgetischen Effekt erhebt sich auch hier die theoretische Frage, ob die fortgesetzte Euphorisierung nicht zuletzt doch der schnelleren Ausheilung der Depression zugute kommt. Bei allen unseren Depressionen hat es sich um leichtere Fälle gehandelt. Es bleibt abzuwarten, ob schwere endogene Depressionen in gleicher Weise ansprechen.

Die Verträglichkeit des Mittels muß im Einzelfall stets neu erprobt werden. Überraschungen sind hier nicht ganz selten. Älteres und verfärbtes Anoixol wird offenbar schlecht vertragen.

Anmerkung bei der Korrektur: Seit dem Abschluß dieser Arbeit hat sich die Zahl der behandelten Kranken verdreifacht, die Zahl der Injektionen mehr als vervierfacht. Die herausgearbeiteten Indikationen und Einschränkungen haben sich dabei in vollem Umfange bestätigt; nur die Sonderstellung der mit Hypercholesterinämie verlaufenden Depressionen erscheint nicht durchgängig gesichert.

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