Dtsch Med Wochenschr 1949; 74(21): 661-667
DOI: 10.1055/s-0028-1118473
Klinik und Forschung

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Welche Fötalreflexe haben eine intrauterine Aufgabe?

Wilhelm Langreder
  • Univ.-Frauenklinik Tübingen (Direktor: Prof. Dr. A. Mayer)
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Publication Date:
02 June 2009 (online)

Zusammenfassung

Man kann also feststellen, daß denjenigen Reflexen eine „fötale” Aufgabe zukommt, die auch am Neugeborenen eine „gerichtete Tendenz” zeigen. Voraussetzung für ihre intrauterine Wirksamkeit bildet der morphologisch-physiologische Aufbau des Uterus, der eine „spezifische Umwelt” im Sinne Uexkülls für die Frucht darstellt. Ohne dieses Milieu, also z. B. nach der Geburt, stellen die „Fötal-Reflexe” nur noch „funktionelle Bewegungsrudimente” dar. Die „funktionelle Einheit”, die Frucht und Fruchthalter zusammen bilden, wird durch den Partus zerstört. Sie basierte auf der gegenseitigen Anpassung von Form und Funktion zwischen Gebärmutter und Kind. Die Lagerung des Föten, d. h. vor allem seine „Geburtseinstellung”, wird also von zwei Seiten her jeweils doppelt gesichert: Einerseits besteht morphologisch durch die genannten „Poldifferenzen” innerhalb der Schwangerschaft eine Formübereinstimmung zwischen Fruchthalter und Frucht. Andererseits werden funktionell am Föten vom 5. Monat ab die „gerichteten Fötalreflexe” („Konnexe”) wirksam. Auf seiten der Gebärmutter nimmt funktionell mit Näherrücken des Endtermins der aktive Einfluß auf die Fötallagerung durch die Wehenwirkung mehr und mehr zu. Er hat mit den Austreibungswehen sein Maximum erreicht.

Die drei wesentlichsten Aufgaben der in dieser Arbeit bevorzugt dargestellten fötalmotorischen Komponente im Uterus lassen sich auf Grund ihrer reflektorisch einsetzenden Bestandteile kurz als solche der „aktiven Lagerungsadaption”, der „Stabilisierung der Lagerung” und der „aktiven Geburtsbestrebungen” von seiten des Kindes umreißen (Langreder). Die Lagerungsadaption dient der Herstellung von „Lage”, „Stellung” und „Haltung” des Kindes im Uterus. Das Wichtigste an der Vorbereitung zur Geburt ist die Adaption in Kopflage. Sie wird durch den „Kopflagekonflex” besorgt. Die individuelle Stellung des Kindes bewirkt die „Adaptionstonie”. Die fötale Haltung wird durch den überwiegenden Beugetonus des fötalen Zentralnervensystems weitgehend bewahrt. Die Sicherung der gesamten Fötallagerung durch den „Stabilisierungskonflex” und nicht zuletzt auch durch die reflektorische „Ruhelage” der Frucht kompensieren die große (passive) Beweglichkeit des Kindes in der Eihöhle. Sie beide bedeuten eine „Tendenz zur aktiven Lagerungsruhe” am Föten. Hierdurch wird Lage und Stellung der Frucht im Uterus leichter konstant erhalten. Lage- und Stellungslabilität bedeuten für den Föt eine vermehrte Gefährdung seines Lebens durch Falschlagenkomplikationen und Nabelschnurumschlingungen vor und während der Geburt.

Durch den Reiz des Wehendruckes kommt es ebenfalls reflektorisch zu „aktiven Geburtsbestrebungen” des Kindes. Die auf diesen Reiz hin einsetzenden „Geburtstonien” stellen die „fötale Spannungshaltung” sub partu her, während die „Geburtskonflexe” ein motorisches Moment von seiten der Frucht in den Geburtsvorgang hineinbringen.

Das geschilderte Zusammenspiel zwischen Fruchthalter und Frucht läßt sich am besten durch die Bezeichnung „Utero-Fötale Adaption” ausdrücken. Sie dient statisch gesehen in vollkommener Weise der Vorbereitung des Kindes auf eine optimal gesicherte Geburtseinstellung und damit auf einen komplikationslosen Partus.

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