Dtsch Med Wochenschr 1930; 56(16): 651-655
DOI: 10.1055/s-0028-1125639
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Der Wirkungsmechanismus des Harmins und die Pathophysiologie der Parkinsonschen Krankheit1)

L. Halpern in Königsberg i. Pr.
  • Aus der Psychiatrischen und Universitäts - Nervenklinik der Albertus-Universität in Königsberg. (Direktor: Geh.-Rat E. Meyer.)
1) Die Originalaufnahmen hierzu wurden im Physiologischen Institut mit dankenswerter Genehmigung seines Direktors, Prof. O. Weiß, ausgeführt. Die dargestellten Aktionsstrombilder sind Federzeichnungen nach diesen Originalen.
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Publication Date:
05 May 2009 (online)

Zusammenfassung

1. Unter Zugrundelegung von Ergebnissen elektrographischer Untersuchungen am Parkinsonsyndrom ist auf das Aktionsstrombild der willkürlichen Innervation als auf das pathognomonisch-charakteristische hingewiesen worden. Die zwei in diesem Bilde auseinanderzuhaltenden Rhythmen, deren Natur — die reflektorische des einen und die willkürliche des anderen — feststeht, spiegeln die Struktur des Parkinson wider, wonach zwei pathophysiologische Dominanten — ein dauernder Erregungsprozeß auf der einen Seite und ein Ausfall kortikaler Impulse auf der anderen Seite — das klinische Bild beherrschen.

2. Unter diesen Voraussetzungen ist der Versuch unternommen worden, die Wirkungsweise des Skopolamins und des Harmins zu bestimmen. Während nun das Aktionsstrombild der Skopolaminwirkung mit elektrographisch wahrnehmbaren, in einer bestimmten Richtung zu deutenden Aenderungen einhergeht, zeigt das der Harminwirkung keine vom pathologischen Bilde abweichende Konturen, obwohl klinisch eine Besserung eintrat. Unter Berücksichtigung der Pathologie des Parkinson wird der Schluß gezogen, daß das Skopolamin die extrapyramidale Motorik und zwar dämpfend beeinflußt, während das Harmin die Kortexerregt, deren Impulse auf pyramidalem Wege zum Erfolgsorgan weitergeleitet werden.

3. Die Beeinflußbarkeit von nur einer Komponente des Parkinsonsyndroms durch das Harmin, die schon in der klinischen Literatur bemerkt und richtig gedeutet wurde, bestätigt, wenn auch negativ, die von mir positiv, unabhängig davon, auf elektrographischem Wege abgeleitete Theorie des pathologischen Doppelmechanismus der Parkinsonschen Krankheit.

4. In Verfolg dieser Anschauung wird ferner Stellung genommen zu der Harminliteratur, wobei besonders auf die Frage des Harmineffektes auf den Parkinsonrigor und auf die Frage der psychisch-körperlichen Relation eingegangen wird.

5. Daraus erst ergibt sich die bisher nicht erkannte sichere Basis für die Zweckmäßigkeit einer kombinierten Behandlung des Parkinsonsyndroms, die nämlich unter Zugrundelegung der beiden Alkaloide dem gesamten pathologischen Mechanismus gerecht werden soll. Ueber ihre praktische Bewährung sind klinische Untersuchungen noch im Gange.

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