Arbeitslosigkeit und Tuberkulose nach den Beobachtungen der Tuberkulosefürsorge

Zusammenfassung

In der Literatur der letzten Jahre ist die Ansicht geäußert worden, daß die Arbeitslosigkeit infolge der körperlichen Schonung und der trotz niedriger Unterstützungssätze noch ausreichenden Ernährung die Tuberkulose im günstigen Sinne beeinflusse, ja sie vielleicht überhaupt zum Verschwinden bringe. Neben der andauernd rückläufigen Tuberkuloseerkrankungsziffer — die übrigens in letzter Zeit, und zwar noch vor Beginn der Arbeitsschlacht, wieder zu steigen beginnt — und der ebenfalls rückläufigen Sterbeziffer stützt sich diese Auffassung darauf, daß von den Neuzugängen an offener Tuberkulose bei Fürsorgestellen weitaus der kleinere Teil aus den Kreisen der Arbeitslosen stamme. Dabei ist nicht beachtet worden, daß, abgesehen von Notgebieten wie den Dörfern des Thüringer Waldes mit etwa 95% Erwerbslosen, im allgemeinen die Zahl der Arbeitenden größer ist als die der Arbeitslosen und demnach die Arbeitslosen weniger Offentuberkulöse stellen müssen als die Arbeitenden, selbst wenn beide Gruppen gleichmäßig beteiligt sind. Es ist versucht worden, die Bezugsmassen zu berechnen, und zwar die Arbeitenden aus der Krankenkassenstatistik, die Arbeitslosen aus der Statistik des Arbeitsamts und Wohlfahrtsamts. Die Untersuchung erstreckt sich auf die Jahre 1929 bis 1932 und auf das Gebiet des Stadtkreises Jena. Der Anteil der Arbeitslosen an den neuen Offentuberkulösen der Fürsorgestelle Jena-Stadtkreis ist für alle Jahre in Hundertteilen erheblich höher als der Anteil der Arbeitslosen an der ganzen sozialversicherten Arbeitnehmerschaft. Auch auf 10000 Personen stellen die Arbeitslosen in jedem Jahr erheblich mehr neue Offentuberkulöse als die Arbeitenden und als die gesamte Einwohnerschaft von Jena.

Für den Stadtkreis Jena ist ein recht ungünstiger Einfluß der Arbeitslosigkeit auf die Tuberkulose anzunehmen, aber keineswegs ein günstiger.