Dtsch Med Wochenschr 1936; 62(35): 1414-1417
DOI: 10.1055/s-0028-1141283
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Herzschädigungen nach Kohlenoxydvergiftungen

(Zugleich Bemerkungen zur Pathogenese der Koronarthrombose)Chr. Kroetz
  • Medizinischen Abteilung des Stadtischen Krankenhauses in Altona
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Publication Date:
05 May 2009 (online)

Zusammenfassung

Entsprechend den kennzeichnenden anatomischen Nekrosen, Blutungen, Granulations- und Regenerationsvorgängen, die nach Kohlenoxydvergiftung im Herzen fast gesetzmäßig anzutreffen sind, werden klinische Herzschädigungen oft schon nach leichteren, immer aber nach mittleren und schweren Vergiftungen nicht vermißt. Neben dem bekannten Herzklopfen spielen vor allem Störungen der Schlagfolge (zuweilen Folgen eines Herzblocks), stenokardische Erscheinungen, rasch einsetzende Herzinsuffizienz von vorübergehender oder anhaltender Dauer eine bisher nicht genügend beobachtete Rolle. Das Elektrokardiogramm gibt oft mäßige, oft überraschend hochgradige, stets aber auffallend nachhaltige Merkmale des Herzmuskelschadens wieder. Wenn ein schweres zerebrales Vergiftungsbild vorliegt, werden entsprechende zirkulatorische Zeichen oft übersehen oder mit dem Zusammenbruch der zentralnervösen Regulationen erklärt. Wenn es nicht zum Bewußtseinsverlust kommt, wenn bei leichteren Vergiftungen das übliche Krankheitsbild nicht voll ausgeprägt ist, werden die Kreislaufstörungen nach Kohlenoxydvergiftung nicht selten verkannt und wegen ihrer deutlichen Ausprägung kann es sogar dazu kommen, daß die Kohlenoxydvergiftung überhaupt in Zweifel gezogen oder doch als ursächlich bedeutungslos beurteilt wird. Während bei schwervergifteten Bewußtlosen trotz ausgedehntester Nekrosen klinisch und elektrokardiographisch die klassischen Zeichen des Herzinfarkts bisher nie angetroffen sind, kommt es bei leichter Vergifteten ohne Bewußtseinsverlust vereinzelt zur akuten Koronarthrombose mit deren vollen klinischen und elektrokardiographischen Symptomen. Die Koronarthrombose tritt nicht sofort bei der Vergiftung, sondern nach einem Intervall von 24—72 Stunden seit der Vergiftung und seit der (anzunehmenden) Entwicklung der frischen Nekrosen im erstickten Herzen auf. Zwei eigene Fälle und vier sichere, zwei mögliche Fälle des Schrifttums werden erörtert. Die Beziehungen zwischen dem nekrotischen Erstschaden und der zweitstelligen Koronarthrombose werden für die Kohlenoxydvergiftung besprochen, wobei auf genauer untersuchte ähnliche Beziehungen im Gehirn und auf die bekannten Bilder des zerebralen Zweitschadens nach scheinbar beschwerdefreiem Intervall verwiesen wird. Mit aller gebotenen Vorsicht wird für die Pathogenese der Koronarthrombose überhaupt die Vermutung erwähnt, daß ihr die Bedeutung eines Zweitschadens im akut nekrotisch alterierten Herzen — mindestens in gewissen Fällen — zukommen dürfte.

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