Dtsch Med Wochenschr 1912; 38(7): 297-302
DOI: 10.1055/s-0029-1189294
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Die Behandlung der Trigeminusneuralgien mit den Schloesserschen Alkoholeinspritzungen

Julius Dollinger
  • Aus der I. Chirurgischen Klinik der Universität in Budapest
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Publication Date:
22 June 2009 (online)

Zusammenfassung

Aus all diesen mitgeteilten Erfahrungen folgt, daß wir in der Schloesserschen Alkoholinjektion ein Mittel besitzen, mit welchem wir imstande sind, schwere Trigeminusneuralgien zu kupieren und für längere Zeit zum Stillstand zu bringen. In den meisten Fällen kehren zwar die Anfälle in ein bis fünf Monaten zurück, ihre Intensität erreicht aber nur ausnahmsweise die frühere Heftigkeit, und neue Injektionen kupieren die Anfälle abermals. In einigen Fällen sistieren die Anfälle schon länger als seit einem Jahre vollkommen. Ob diese Fälle definitiv geheilt sind, darüber wird die Zukunft entscheiden. Von den konkurrierenden chirurgischen Methoden ist zuerst die Nervendurchschneidung und die Nervenresektion in Betracht zu ziehen. Wie ich in meinen einleitenden Zeilen hervorhob, sind die damit erzielten Erfolge nur von kurzer Dauer. Erfolge von ähnlicher kurzer Dauer erreichen wir auch mit den Alkoholinjektionen, und da diese doch immerhin einen unvergleichlich leichteren Eingriff darstellen als die Nervenresektion, so sind sie dieser entschieden überlegen. Wir verfügen daher zurzeit über zwei Behandlungsmethoden, die nach Fehlschlagen der sogenannten internen Behandlung in Betracht kommen, die eine ist die Alkoholinjektion, die andere die Exstirpation des Ganglion Gasseri.

Mit der Exstirpation des Ganglion Gasseri ebenso wie durch Herausziehen der Trigeminuswurzeln aus der Scala posterior heilen wir den Kranken sicher definitiv. Die Technik dieser Operation ist jetzt bereits soweit ausgearbeitet, daß sie, von gut geschulten und darauf speziell eingeübten Chirurgen ausgeführt, eine sehr geringe Sterblichkeit zur Folge hat. Trotzdem aber gehört diese Operation, hauptsächlich wegen der bei ihr so häufigen sehr starken Blutung, doch in die Reihe der schwierigsten Eingriffe. Solange wir die Methode der Alkoholinjektionen nicht kannten, waren wir genötigt, dem Kranken, bei dem die übrigen Behandlungsmethoden versagten, die Exstirpation des Ganglion Gasseri vorzuschlagen. Heute aber wissen wir, daß wir die Anfälle auch mit diesen Einspritzungen kupieren können. Sie heilen zwar den Kranken, wie es bisher scheint, nicht definitiv, die Anfälle kehren mit der größten Wahrscheinlichkeit nach einigen Monaten wieder zurück, aber sie können dann abermals kupiert werden, und die Rezidive erreichen selten jene Intensität, welche die Neuralgie vor dieser Behandlung aufwies. Und diesen Erfolg erreichen wir mit einer Methode, die, gut studiert und korrekt ausgeführt, als ungefährlich angesehen werden kann.

Während wir also früher nach dem Scheitern der internen und physikalischen Heilmethoden die Exstirpation des Ganglion vorschlugen, werden wir heute mit viel weniger Skrupeln und deshalb jedenfalls früher zur Alkoholinjektion schreiten. Damit sind die Indikationen der Exstirpation des Ganglion Gasseri jedenfalls sehr eingeschränkt, und ich habe in jenen zwei Jahren, seit ich mich mit dem Studium der Alkoholinjektionen befasse, kein Ganglion Gasseri mehr exstirpiert.

Aber trotzdem glaube ich nicht, daß die Alkoholinjektionen der Krause-Hartleyschen, Operation ein für allemal alle Berechtigung absprechen. Es werden trotzdem immer noch Fälle vorkommen, in welchen das Alter, die soziale Stellung, die Beschäftigung des Kranken etc. eine Behandlungsmethode erheischen werden, welche den Kranken definitiv davon enthebt, fortwährend, wenn auch in größeren Intervallen, doch wieder und wieder wegen der rezidivierenden Anfälle bei dem Arzte zu erscheinen und sich einer Kur zu unterziehen. So z. B. glaube ich, daß jener Artilleriehauptmann, dessen Trigeminuswurzeln ich aus der Scala postica extrahierte und den ich dadurch seinem Berufe wiedergab, kaum seinen schweren Dienst hätte weiter versehen können, wenn er genötigt gewesen wäre, sich alle drei bis fünf Monate einer Injektionskur zu unterziehen. Solche Fälle werden sich auch in der Zukunft eher für die Krause-Hartleysche Operation eignen, und die Kranken werden sich infolge der genannten Umstände genötigt sehen, das mit dieser Operation verbundene größere Risiko zu übernehmen, aber in dem größten Teil der Fälle werden wir unsere Patienten mit den Schloesserschen Injektionen zufriedenstellen und werden nicht genötigt sein, sie schweren Operationen auszusetzen. Und eben darin liegt die große Bedeutung der Schloesserschen Alkoholinjektionen und Schloessers großes Verdienst.

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