Dtsch Med Wochenschr 1912; 38(16): 756-759
DOI: 10.1055/s-0029-1189452
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Ueber Ikterus bei der hereditären Syphilis1)

Oskar Rosenberg
  • Aus dem Berliner Städtischen Kinderasyl und Waisenhaus. (Oberarzt: Prof. Dr. H. Finkelstein.)
1) Vortrag im Verein für Innere Medizin und Kinderheilkunde, Sektion für Pädiatrie am 26. Februar 1912 (Diskussion siehe S. 777).
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Publication Date:
22 June 2009 (online)

Zusammenfassung

Bei einer Gegenüberstellung der mitgeteilten Krankengeschichten lassen sich somit folgende Formen unterscheiden:

1. Ein angeborener schwerer Ikterus, entstanden auf der Basis eines Verschlusses der großen Gallengänge durch ein Gamma der Leberpforte, also ein echter Stauungs- oder mechanischer Ikterus (Peripylephlebitis gummosa).

2. Ein schwerer Ikterus, durch antiluetische Kur geheilt, wahrscheinlich bedingt durch eine Cholangitis gummosa.

3. Ein schwerer Ikterus, entstanden während der ersten Eruptionsperiode, mit parenchymatöser Degeneration der Leberzellen, ohne nennenswerte interstitielle Entzündung.

4. Ein Ikterus, wiederum entstanden um die Zeit der Hauteruptionen bei bereits bestehender hochgradiger interstitieller Hepatitis.

5. Zwei schwere Fälle von Ikterus während der Periode der ersten Hauteruptionen, kompliziert durch gleichzeitig bestehende Infektionskrankheiten.

Mit Ausnahme des mechanisch entstandenen Ikterus im Fall 1 konnten in sämtlichen Fällen nur Vermutungen bezüglich des anatomischen Substrates des Ikterus ausgesprochen werden, zum Teil mußte mit der Feststellung des anatomischen Befundes auf weitergehende Schlüsse bezüglich der Entstehung des Ikterus verzichtet werden.

Diesem Non liquet gegenüber geben die auffallenden klinischen Uebereinstimmungen vielleicht einen Fingerzeig. Es dürfte doch mehr als ein Zufall sein, daß wiederum, mit Ausnahme des ersten Falles, alle übrigen ikterischen Erkrankungen zu der Zeit entstanden, wo auch andere syphilitische Manifestationen an der Haut und den Schleimhäuten in die Erscheinung traten, daß also der Ikterus nach dem Latenzstadium in die sogenannte erste Eruptionspericde der hereditären Lues fiel. Sollte es sich hier vielleicht um ein Analogon zu der in der Frühperiode der akquirierten Lues auftretenden Gelbsucht handeln? Die klinischen Bilder sind so auffallend ähnlich, daß diese Vermutung gerechtfertigt sein dürfte, obwohl die Literatur derartige Vorkommnisse nicht aufzuweisen scheint. Trotz der Verschiedenheit des anatomischen Befundes liegt allen wahrscheinlich ein und dieselbe den Ikterus auslösende Schädigung zugrunde.

Es wären schließlich nur noch einige Worte über den Ikterus im Verlauf der Lues zu sagen, der durch anderweitige Infektionen kompliziert war. Hier läßt sich natürlich der Einwand erheben, daß derartige schwere Infektionen auch ohne die Lues mit einem Ikterus einhergehen können, daß es sich hier also um einen septischen Ikterus handle, eine Annahme, für die auch einigermaßen der mikroskopische Befund sprechen könnte.

Dagegen ist nun zu sagen, daß die Untersuchung der Leber auf Bakterien in beiden Fällen ein negatives Ergebnis hatte, daß ferner in dem einen Falle, in dem eine Blutuntersuchung vorgenommen wurde, keine Bakteriämie vorlag. Immerhin läßt sich der Einwand nicht von der Hand weisen, aber es muß auch darauf aufmerksam gemacht werden, daß der ohne komplizierende Infektion verlaufene Fall von Ikterus ebenfalls eine parenchymatöse Entartung zeigte.

Nach Finkelstein[1)] ist eine Anzahl der als syphilitisch bezeichneten Ikterusfälle wahrscheinlich als eine „zufällige Komplikation mit einer der nicht spezifischen Arten des Ikterus” aufzufassen. Vielleicht können wir für unsere Fälle einen Mittelweg einschlagen. Da der Ikterus hier ebenso wie in einem Teil der reinen Fälle um die Zeit der ersten Eruption der Syphilis auftrat, so ist es vielleicht angängig, hier eine Mischinfektion, vielleicht auch eine Intoxikation plus Infektion oder auch zwei toxische Schädigungen (Syphilis + Infektion) für die Entstehung des Ikterus anzuschuldigen.

1 Lehrbuch der Säuglingskrankheiten, 1905.

1 Lehrbuch der Säuglingskrankheiten, 1905.