Dtsch Med Wochenschr 2010; 135(1/02): 38-39
DOI: 10.1055/s-0029-1244815
Arztrecht in der Praxis | Commentary

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Zur Haftung des Krankenhausträgers und des Chefarztes für Fehler eines niedergelassenen Konsiliararztes

Liability of a hospital and its medical director for errors committed by one of their self-employed consulting doctorsH-J. Rieger
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Publication Date:
18 December 2009 (online)

Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 15.11.2006

Problem

Überall wo mehrere Ärzte an der Behandlung eines Patienten beteiligt sind, kann sich die mitunter schwierige Frage stellen, wer für Schäden haftet, den ein Patient dabei erleidet. Haftungsprobleme können sich nicht nur bei der Kooperation zwischen niedergelassenen Ärzten ergeben, sondern vor allem auch beim Zusammenwirken der einzelnen Fachabteilungen eines Krankenhauses sowie im Verhältnis zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhausärzten. Innerhalb der letzten Fallgruppe spielt die Heranziehung von niedergelassenen Konsiliarärzten durch Krankenhausärzte in der Praxis immer wieder eine Rolle. Ein solcher Fall war Gegenstand eines Urteils des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe vom 15.11.2006 – 7 U 107/04.

Zum Sachverhalt

Der Kläger ließ sich wegen Schmerzen im Bereich der unteren Halswirbelsäule ab 17.03.1997 aufgrund einer Überweisung durch einen Orthopäden stationär im Krankenhaus der Beklagten durch den ebenfalls beklagten Chefarzt (Beklagter) konservativ behandeln. Der Kläger hatte gesondert zu berechnende ärztliche Leistungen als Wahlleistung vereinbart.

Am 20.03.1997 ließ sich der Kläger vom Beklagten operieren. Dabei wurden nach dem Operationsbericht unter anderem im Bereich des Segments C6/7 Osteophyten und in demjenigen des Segments C7/TH1 Spondylophyten entfernt. Beide Segmente wurden operativ versteift (Spondylodese nach Robinson).

Nachdem der Kläger an brennenden Schmerzen in der rechten Hand und einem Bewegungsdefizit der rechten Finger litt, kam es am 21.03.1997 zu einer konsiliarischen Untersuchung durch den Neurologen Dr. P., der eine neurologische weitere Untersuchung nach 3 Tagen empfahl und eine postoperative Schwellung in den Foramina als möglicherweise ursächlich für die festgestellte schwere Wurzelschädigung C7 und C8 rechts bezeichnete. Die Nachuntersuchung fand am 24.03.1997 durch den Neurologen Dr. H. statt. Weitere diagnostische Maßnahmen erfolgten bis zur Entlassung des Klägers am 29.03.1997 nicht.

Der Kläger kann wegen einer schweren Nervenschädigung seinen rechten Unterarm und die Hand nicht mehr gebrauchen. Er begehrte unter anderem mit der Behauptung, der Übergang von der konservativen Behandlung zur Operation sei fehlerhaft gewesen, der präoperative Befund unzureichend erhoben und die postoperative Behandlung der aufgetretenen Lähmungserscheinungen falsch gewesen; Ersatz materiellen und immateriellen Schadens.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, die Berufung des Klägers blieb erfolglos.

Die Entscheidung des Gerichts Keine Haftung des Chefarztes Das Urteil bezeichnet es als falsch, dass der als Konsiliararzt hinzugezogene Neurologe Dr. P. statt auf eine kernspinthomographische Untersuchung zu drängen, eine abwartende Behandlung vorgeschlagen hatte. Für diesen Fehler hat jedoch der Chefarzt nicht einzustehen. Nach dem Grundsatz der horizontalen Arbeitsteilung, der im Verhältnis der Gleichordnung, also auch im vorliegenden Fall gilt, hat jeder Arzt denjenigen Gefahren zu begegnen, die in seinem Aufgabenbereich entstehen, und darf sich, solange keine offensichtlichen Qualifikationsmängel oder Fehlleistungen erkennbar werden, darauf verlassen, dass auch der Kollege des anderen Fachgebiets seine Aufgaben mit der gebotenen Sorgfalt erfüllt; eine gegenseitige Überwachungspflicht besteht insoweit nicht. Infolgedessen war der Chefarzt nicht verpflichtet, von sich aus die Ergänzung des Befunds und dessen Abklärung zu veranlassen. Unter diesen Umständen kommt eine Zurechnung des Fehlers des neurologischen Konsiliararztes zur Verantwortlichkeit des beklagten Chefarztes weder unter dem Gesichtspunkt der vertraglichen Haftung für Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) noch unter dem Gesichtspunkt der deliktischen Haftung für Verrichtungsgehilfen (§ 831 BGB) in Betracht. Die Konsiliarärzte erfüllen eigene Pflichten, nicht diejenigen des beklagten Chefarztes. Sie waren aufgrund eigener Verpflichtung tätig und mangels Weisungsabhängigkeit und bei fachlicher wie persönlicher Gleichordnung auch nicht von diesem zu einer Behandlung (Verrichtung im Sinne von § 831 BGB) bestellt. Haftung des Krankenhausträgers dem Grunde nach Anders, so das Gericht, stellt sich die Rechtslage auf Seiten des Krankenhauses dar. Nach der Bundespflegesatzversordnung (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 BPflV) gehörten auch die Leistungen der Konsiliarärzte, weil deren Hinzuziehung für die medizinische Versorgung des Klägers unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Klinik notwendig war, zu den allgemeinen Krankenhausleistungen. Da dieses in der Bundespflegesatzverordnung niedergelegte Leistungsbild auch die vertraglichen Abmachungen mit dem Patienten prägt, hat der Krankenhausträger die Konsiliarärzte als Erfüllungsgehilfen zur Erfüllung eigener Pflichten hinzugezogen und haftet somit für deren Fehler nach § 278 BGB. Dagegen waren diese Ärzte nicht auch Verrichtungsgehilfen des Krankenhausträgers, für die dieser nach § 831 BGB auf Schmerzensgeld haften würde. Es fehlt an der Eingliederung des selbständigen niedergelassenen Arztes in den Organisationskreis des Krankenhauses und damit an der in § 831 BGB vorausgesetzten Abhängigkeit des Gehilfen vom Geschäftsherrn. Im Übrigen hat das Gericht eine Haftung beider Beklagten deshalb verneint, weil der Kläger nicht den Nachweis erbringen konnte, dass möglicherweise begangene Fehler für den beim Kläger eingetretenen Schaden ursächlich waren.

Dr. H.-J. Rieger

Fachanwalt für Medizinrecht

Zeppelinstraße 2

76185 Karlsruhe

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