Laryngorhinootologie 2013; 92(10): 673-674
DOI: 10.1055/s-0033-1351262
Der interessante Fall
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Larynxtumor mit unerwarteter Herkunft

Secondary Laryngeal Malignancy: A Laryngeal Tumor of Unexpected Origin
M. Spinnler
,
D. Prochnow
,
J. Lautermann
Further Information

Publication History

Publication Date:
19 July 2013 (online)

Ein Patient stellt sich mit einer seit 2 Monaten bestehenden Heiserkeit bei einem niedergelassenen HNO Arzt vor. Seit 2 Wochen seien die Lymphknoten am Hals geschwollen und es bestünde ein laryngeales Fremdkörpergefühl. In der Anamnese fällt lediglich eine arterielle Hypertonie ohne nennenswerten Nikotin- oder Alkoholkonsum auf. In der endoskopischen Untersuchung zeigt sich eine malignitätsverdächtige Struktur an der rechten Epiglottisfläche (CT-Untersuchung, [Abb. 1]). Der Patient wird zur weiteren Abklärung stationär eingewiesen. Unter der Arbeitsdiagnose einer malignitätsverdächtigen Raumforderung im Bereich der Supraglottis erfolgt die Vorbereitung zur Panendoskopie mit Probeentnahme. In der Sonografie und in der CT-Untersuchung der Halsweichteile fällt ein suspekter Lymphknoten in Regio II rechts, sowie ein echogemischter inhomogener Knoten im linken kaudalen Schilddrüsenlappen auf. Intraoperativ zeigt sich eine an der medianen, laryngealen Epiglottisfläche lokalisierte, rechtsbetonte ulzerierende Raumforderung, welche sich bis an den Petiolus und die anteriore Kommissur erstreckt. Die Schleimhaut der linken Stimmlippe erscheint unauffällig. Rechts ist eine Infiltration der anterioren Stimmlippe stereomikroskopisch nicht sicher auszuschließen. Makroskopisch entspricht der Befund dem Bild eines ulzerierend-endophytisch wachsenden Plattenepithelkarzinoms. Im Röntgenbild des Thorax werden keine pulmonalen Rundherde nachgewiesen ([Abb. 2] [3]) und auch die Abdomen-Sonografie ergibt keinen Anhalt für Fernmetastasen. Somit resultiert die vorläufige Diagnose des Verdachts auf ein supraglottisches Larynxkarzinom cT2 cN2a cM0.

Zoom Image
Abb. 1 CT-Halsweichteile, axiale Schichtung, malignitätsverdächtige Raumforderung supraglottisch rechts (Pfeil) mit ipsilateraler, metastasenverdächtiger Lymphknotenschwellung (Pfeilspitze).
Zoom Image
Abb. 2 Röntgenaufnahme des Thorax in anterior-posteriorem ([Abb. 2]) und seitlichem ([Abb. 3]) Strahlengang.Kein Nachweis von herdsuspekten Infiltraten. ­Summationsradiografisch bleibt der Rundherd rechts subhiliär okkult.
Zoom Image
Abb. 3 Röntgenaufnahme des Thorax in anterior-posteriorem ([Abb. 2]) und seitlichem ([Abb. 3]) Strahlengang.Kein Nachweis von herdsuspekten Infiltraten. ­Summationsradiografisch bleibt der Rundherd rechts subhiliär okkult.

Im histologischen Befund wird jedoch ein undifferenziertes neuroendokrines Karzinom nachgewiesen. Hierbei handelt es sich um ein kleinzelliges Karzinom, welches primär in Lunge und Schilddrüse lokalisiert sein könnte. Eine Primumsuche wird eingeleitet.

Thyroidal kann ein malignes Geschehen ausgeschlossen werden. Im CT-Thorax stellt sich allerdings subhiliär rechts eine, zuvor im konventionellen Röntgen nicht abgrenzbare, 2,2×2,5 cm große, malignitätsverdächtige Weichteilstruktur ohne Kontakt zum Unterlappen dar (CT, [Abb. 4]). Die histologische Aufarbeitung nach Probeentnahme bestätigt die Diagnose eines kleinzelligen Bronchialzellkarzinoms. Nach entsprechendem Staging erfolgt somit die Korrektur der Diagnose: kleinzelliges Bronchialkarzinom rechts cT1a N0 M1b (Epiglottisfläche rechts, cervical rechts). Dieses wird in kurativer Intention mittels primärer kombinierter Chemo- (Carboplatin/Etoposid/Taxol) und Radiotherapie (Mediastinum/Larynx 50 Gy) behandelt. Die HNO ärztliche Weiterbetreuung erfolgt nunmehr lediglich konsiliarisch mit regelmäßigen endoskopischen, sonografischen und radiologischen Kontrollen.

Zoom Image
Abb. 4 CT-Thorax, koronare Schichtung Deutlich erkennbare, malignitätsverdächtige, subhiliäre Weichteilvermehrung rechts (Pfeil), entsprechend einem kleinzelligen Bronchialzellkarzinom.

Maligne Neubildungen sind im Larynx häufig zu finden. Die Inzidenz maligner Kehlkopftumore lag laut Robert Koch Institut 2008 deutschlandweit bei ca. 6,9/100 000 Einwohner/Jahr für Männer und bei 0,9/100 000 Einwohner/Jahr für Frauen. Etwa 40% der Larynxkarzinome manifestieren sich im supraglottischen Bereich mit einer Metastasierungshäufigkeit in die ipsilateralen Lymphknoten von bis zu 60% zum Zeitpunkt der Diagnose. Die am häufigsten anzutreffende Entität ist das Plattenepithelzellkarzinom. Aber auch andere epitheliale, mesenchymale oder neuroektodermale Tumore kommen vor. Risikofaktoren für die Entstehung von Larynxkarzinomen sind vor allem Nikotinabusus, Alkoholabusus und Asbest.

Zum Staging gehören sowohl eine CT-Untersuchung der Halsweichteile, als auch eine Bildgebung des Thorax und eine Abdomensonografie. Hierbei ist darauf zu achten, dass die Sensitivität des konven­tionellen Thorax Röntgenbildes zur Entdeckung pulmonaler Neoplasien auf ca. 21% begrenzt ist. So werden Rundherde von weniger als 6 mm Durchmesser selten detektiert. Für periphere Rundherde von 6–10 mm Durchmesser liegt die Treffsicherheit immerhin bei 50% und für Befunde von > 10 mm bei über 90%. Bei ungünstiger Lage, z. B. zentral oder hilusnah können bis zu 5 cm große Herdbefunde im Summationsbild okkult bleiben. Eine falsch negative Aussage, wie in diesem Fall, ist daher möglich. Die Röntgenuntersuchung des Thorax im Rahmen des Stagings wird in niedrigen Tumorstadien von Kopf-Hals Malignomen (Stadium I und II) als ausreichend angesehen. In höheren ­Tumorstadien (Stadium III und IV) sollte sie durch eine CT-Untersuchung des Thorax ergänzt werden. Die Treffsicherheit fürpulmonale Rundherde <6 mm liegt hier bei 70% und steigt auf 100% für ­Befunde von mehr als 6 mm Größe (Vogl et al., Neoplasien in: Thorax, Mediastinum in: Diagnostische und interventionelle ­Radiologie, Berlin Heidelberg: Springer 2011: 570–573).

Metastasen entfernter Primärtumore im Larynx sind mit weniger als 0,5% aller Kehlkopftumore sehr selten (Gale et al., Metastasen im Kehlkopf in: Larynx und Hypopharynx in: Pathologie Kopf-Hals-Region Weichgewebstumoren Haut, Berlin Heidelberg: Springer 2009: 270–271). Sie treten bei Männern doppelt so häufig auf wie bei Frauen und steigen in ihrer Inzidenz mit dem Alter. Als häufigstes Primum kommen maligne Melanome im Schleimhautbereich (29% aller Metastasen), gefolgt von Nierenzellkarzinomen (25%) vor. Aber auch Mammakarzinome (8%), hepatozelluläre Karzinome und Prostatakarzinome (5%) wurden beschrieben. Lungentumore, wie in diesem Fall, gehören zu den seltenen Entitäten (Barnes, Head Neck Pathol 2009; 3: 217–224). Eine hämatogene Aussaat ist bei kleinzelligen Bronchialzellkarzinomen zwar häufig schon bei der Diagnosestellung vorhanden, die Hauptmetastasierungsgebiete sind hier allerdings Leber, Gehirn, Nebennieren und Skelett. Lediglich 9% der laryngealen Metastasen stammen von Lungentumoren. Eine Streuung kann entweder antegrad über Aorta, A. carotis, A. thyroidea superior zu der A. laryngea superior oder retrograd über die venösen paravertebralen Plexus oder den Ductus thoracicus erfolgen. Das spärliche Vorkommen von laryngealen Tumorabsiedlungen könnte mit der terminalen Lage des Organs im Blut-und Lymphkreislauf erklärt werden. Die häufigste Lokalisation der Tochtergeschwülste innerhalb des Larynx liegt im supra-und subglottischen Bereich (35–40% und 10–20%), möglicherweise aufgrund der hier ausgeprägteren Gefäßversorgung (Barnes, Head Neck Pathol 2009; 3: 217–224). Metastasen innerhalb des laryngealen Weichteilgewebes werden, bedingt durch ihre Lokalisation, früh symptomatisch. Die Beschwerden gleichen denen eines primären Larynxtumors. Hierbei steht die Heiserkeit, wie auch in diesem Fall, an erster Stelle. Weitere Beschwerden können Fremdkörpergefühl, Dysphagie und Dyspnoe sein. Hämoptysis kommt insbesondere bei Metastasen der reich vaskularisierten Nierenzellkarzinome vor. Die Prognose von Metastasen entfernter Primärtumore im Larynx ist, durch die zumeist fortgeschrittene Grunderkrankung, oft als ungünstig einzustufen. In unserem Fall ließ sich das kleinzellige Bronchialzellkarzinom nach Komplettierung des Stagings in ein limitiertes Stadium einordnen. Dieses liegt vor, wenn sich der Tumor strikt im ipsilateralen Hemithorax befindet und die Metastasen einer Bestrahlungstherapie zugänglich sind. Zwar ist hier eine Heilung durch eine primäre Radio-Chemotherapie bei 20% aller Pa­tienten möglich, was deutlich besser ist als bei Tumoren im extensiven Stadium (5 Jahres Überlebenszeit unter Therapie von 5% (Simon et al., Management of small cell lung cancer: ACCP evidence-based clinical practice guidelines (2nd edition), 2007; 3 Suppl.: 324–339), dennoch liegen diese Therapieerfolge deutlich unter denen eines fortgeschrittenen Larynxkarzinoms (5 Jahres Überlebenszeit ca. 50–63% (MacKenzie et al., Comparing treatment outcomes of radiotherapy and surgery in locally advanced carcinoma of the larynx: a comparison limited to patients eligible for surgery, 2000; 47: 65–71). Daher war die Korrektur der Diagnose für unseren Patienten mit einer Verschlechterung der Prognose verbunden.

Im vorliegenden Fall konnte auch eine leitliniengerechte Therapie mittels primärer kombinierter Chemo- (Carboplatin/Etoposid/Taxol) und Radiotherapie (Mediastinum/Larynx 50 Gy) lediglich eine 6 monatige Remission erzielen. Dann zeigten sich erneut 2 pulmonale Rundherde sowie eine neue cervicale Metastasierung und eine Osteolyse der 7. Rippe.