Diabetologie und Stoffwechsel 2014; 9(4): 236-237
DOI: 10.1055/s-0033-1362776
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Referat – Entwicklung diabetischer Komplikationen in den USA seit 1990

Peter Nawroth
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Publication Date:
09 October 2014 (online)

Hintergrund: Vor mehr als 20 Jahren hat eine Studie erstmal schlüssig gezeigt, dass bei Typ-1-Diabetes eine Blutzuckerkontrolle innerhalb enger Grenzen die Rate mikrovaskulärer Komplikationen deutlich senken kann. In der Folge fanden sich ähnliche Ergebnisse für makrovaskuläre Probleme und auch bei Typ-2-Diabetes. Haben diese Daten die Komplikationsraten nun verändert? Gregg et al. stellen eine Übersicht vor.

Methoden: Die Rate diabetischer Komplikationen hat von 1990–2010 deutlich abgenommen, wegen der zunehmend höheren Prävalenz der Erkrankung allerdings bleibt der Diabetes mellitus weiterhin eine Herausforderung für Mediziner, Patienten und Gesellschaft. Zu diesem Ergebnis kommen die Wissenschaftler der US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention, die dazu Daten verschiedener Register ausgewertet und zusammengeführt haben. Beurteilt wurden die Häufigkeiten von akutem Myokardinfarkt, Schlaganfall, Amputationen im Bereich der unteren Extremitäten, terminaler Niereninsuffizienz und Tod im hyperglykämischen Koma.

Ergebnisse: Zwischen 1990 und 2010 nahm in den USA die Zahl der erwachsenen Diabetes-Patienten (ab dem 20. Lebensjahr) auf nahezu das Dreifache zu, von 6,5 Millionen auf 20,7 Millionen, während die entsprechende Gesamtbevölkerung im gleichen Zeitraum nur um 27 % stieg. Die beurteilten Komplikationen nahmen im untersuchten 20-Jahres-Zeitraum dagegen deutlich ab, am stärksten Myokardinfarkte (um 67,8 %) und Tod im hyperglykämischen Koma (um 64,4 %). Die Häufigkeit von Schlaganfällen und Amputationen sank auf etwa die Hälfte (um 52,7 % und um 51,1 %), während die geringste Abnahme bei den terminalen Niereninsuffizienzen zu verzeichnen war (um 23,8 %). Allerdings näherte sich diese Abnahme denen der anderen Komplikationen an, wenn nur der Zeitraum von 1995 bis 2010 betrachtet wurde.

Dabei fanden sich die deutlichsten Verringerungen in der Altersgruppe ab 75 Jahren, außer für Niereninsuffizienz. Damit näherten sich die Komplikationsraten von jüngeren (20 bis 44 Jahre) und älteren Patienten an.

Insgesamt war die Reduktion der genannten Komplikationen ausgeprägter bei Patienten mit Diabetes als bei Nicht-Diabetikern – teilweise liefen die Werte bei Letzteren sogar in die entgegengesetzte Richtung: Zwar wurden auch bei Nicht-Diabetes-Patienten Myokardinfarkte seltener, aber nur um 31,2 %, Schlaganfälle und Amputationen blieben über die 20 Jahre etwa gleich häufig, und terminale Nierenfunktionsstörungen nahmen sogar zu (um 65,0 %). Insgesamt errechneten sich daraus entsprechend verminderte relative Risiken für Diabetiker im Jahr 2010: für Myokardinfarkte von 1,8 (vs. 3,8 im Jahr 1990), für Schlaganfälle von 1,5 (vs. 3,1), für Amputationen von 10,5 (vs. 18,8) und für Niereninsuffizienzen von 6,1 (vs. 13,7).

Folgerung: Die verminderten Komplikationsraten von Diabetikern sind zwar ermutigend, so die Autoren. Das Problem an sich bleibe aber bestehen, da die absolute Zahl der Patienten mit Diabetes deutlich zugenommen habe und vermutlich mit den „Baby-Boomern“ noch weiter zunehmen werde. Weitere Untersuchungen sollten u. a. prüfen, ob ggf. Unterschiede zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes bestehen und wie es mit altersabhängigen Diabeteskomplikationen – etwa Depressionen und kognitiver Abbau – aussieht.

Dr. Elke Ruchalla, Trossingen