manuelletherapie 2014; 18(02): 53
DOI: 10.1055/s-0034-1376285
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Editorial

Jochen Schomacher
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Publication Date:
13 May 2014 (online)

Spannend!

Wie oft finden wir verspannte Muskeln bei Patienten mit Rücken- oder Nackenschmerzen? Für den Patienten ist diese Verspannung eine einleuchtende Schmerzursache. Wer hat heute keinen Stress und reagiert mit Verspannungen? Willkommen ist dann jede entspannende Therapie, vom Stressabbau bis hin zur relaxenden Massage. Das tut gut!

Doch verwechseln wir da nicht etwas? Der Patient klagt über Schmerz. Wir drücken auf seine Muskeln, und es tut weh. Das interpretieren wir als Verspannung, ohne jedoch die Gewebespannung messen und mit Normwerten vergleichen zu können, die zudem wahrscheinlich sehr variabel sind. Dann „entspannen“ wir beispielsweise durch Massage oder Hold-Relax, und der Schmerz nimmt ab; soll heißen, der Druck auf den Muskel tut weniger weh. Wir sind geneigt, dies als erfolgreiche Entspannung zu interpretieren. Doch wie zuverlässig ist das, was wir glauben zu fühlen? Gemessene Werte zu Muskelspannung haben wir ja nicht! Daher unterliegen wir einem sogenannten logischen Irrtum [2], denn in Wirklichkeit bewerteten wir den Schmerz und setzten eine schmerzlindernde Maßnahme erfolgreich ein. Über Spannung und Entspannung können wir aber keine genauen Aussagen treffen.

Eine „Muskelverspannung“ ist als erhöhte Muskelaktivität mit Elektromyografie (EMG) beispielsweise bei Patienten mit Nackenschmerzen in Ruhe nicht nachweisbar. Nur bei willkürlicher Anspannung zeigt sich das typische Muster mit weniger aktivierten tiefen und (wahrscheinlich kompensierend) mehr aktivierten oberflächlichen HWS-Muskeln. Das bedeutet, dass der erfolgreiche Therapieansatz in der Muskelaktivierung und nicht in ihrer Entspannung besteht [1].

Was also ist eine Verspannung, die so oft als erhöhter Muskeltonus beklagt wird? In diesem Heft erklären Ihnen 4 Spezialisten den Tonus der Muskeln und beschreiben, warum er oft positiv ist. Wir müssen ihn gar nicht ständig beseitigen. Wir können ihn sogar bewusst erhöhen, wie beispielsweise bei einer Hypermobilität!

Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre!

Ihr Jochen Schomacher