Z Gastroenterol 2015; 53(4): 339-340
DOI: 10.1055/s-0034-1397668
Positionspapier
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Experten-Workshop der Stiftung Lebensblicke – „Das kleine (vorgewölbte) Adenom – Fortschritte in der Diagnostik zu welchem Preis?“

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Publication Date:
16 April 2015 (online)

Einleitung

Die Darmkrebsvorsorge und -früherkennung hat in den letzten Jahren zu einer deutlichen und signifikanten Reduktion der krankheitsbedingten Mortalität geführt. Die endoskopische Untersuchung des Kolorektums ist damit ein etablierter und bewährter Baustein in der präventiven Onkologie (Pox et al. Gastroenterology 2012, Brenner et al. Clin Gastroenterol Hepatol 2014). Neue Entwicklungen in der Prävention weisen nun auf die grundlegende Problematik einer möglichen Überversorgung und den damit verbundenen Kosten hin (Choosing Wisely Initiative). Dies gilt es auch für den Bereich der Darmkrebsvorsorge und -früherkennung zu diskutieren und zu prüfen. Älteren Daten zufolge wurde die Transformationsrate von Adenomen zu Karzinomen mit ca. 0,25 % pro Jahr angegeben (Eide TJ , Int J Cancer 1986); aktuell muss man auf der Basis von 3,6 Millionen Screening-Koloskopien für die Transition zu einem fortgeschrittenen Adenom jährlich mit 3,6 %–4,7 % rechnen (Brenner et al, Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 2013) . Die Zeitspanne für eine maligne Transformation von Adenomen liegt bei ca. 7 Jahren für high grade (hochgradige) intraepitheliale Neoplasien (IEN), bzw. 11 Jahren bei low grade (niedriggradige) IEN. Die Prävalenz fortgeschrittener Neoplasien in Kolonpolypen von 5 mm Größe oder kleiner liegt bei ca. 0,5 % (Gupta et al. Gastrointest Endosc 2012). Im Rahmen eines Experten-Workshops haben verschiedene Vertreter der Gastroenterologie und Pathologie diese Diskussion angenommen und zur Frage der Notwendigkeit der Detektion und Entfernung von kleinen vorgewölbten Adenomen Stellung bezogen. Vor dem Hintergrund des bereits verabschiedeten Krebs-früherkennungsregistergesetzes (KFRG), das 2016 in Kraft treten soll, ist diese Diskussion zwingend.


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Erklärung und Forderungen

  • Grundlage einer hochwertigen Vorsorge und Früherkennung ist die Qualität der Indexkoloskopie. Die Indikation zur Indexkoloskopie ist in der S3-Leitlinie zum kolorektalen Karzinom festgelegt (Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom, Langversion 1.0, AWMF Registrierungsnummer: 021-007OL, http://leitlinienprogramm-onkologie.de/Leitlinien.7.0.html )

  • Die Qualität der Indexendoskopie ist entscheidend für die initiale Diagnostik und für das weitere Vorgehen, vor allem in Hinblick auf die Festlegung der Überwachungsintervalle nach Adenomentfernung. Inzwischen ist gut belegt, dass die Qualität der Koloskopie u. a. invers mit dem Zeitaufwand korreliert: mehr Zeit steigert die Qualität (Kaminski NEJM 2010; Corley DA, NEJM 2014). Daher wird die Qualität nunmehr definiert über die Dauer der Untersuchung (insgesamt mindestens 30 min), eine sehr gute Darmreinigung, eine adäquate Rückzugszeit und die Adenomdetektionsrate (ADR). Künftig sollte die ADR daher als Qualitätsmerkmal etabliert und dokumentiert werden.

  • Bei der Indexkoloskopie müssen alle Polypen abgetragen und histologisch begutachtet werden. Die nicht diathermische Abtragung kleiner Kolonpolypen ist mittlerweile weltweit Standard und muss daher auch in Deutschland honoriert werden. Neuere Daten belegen die bessere Wertigkeit der Kaltabtragung mittels Schlinge von Polypen bis zu einer Größe von 5 mm im Vergleich zur Entfernung mit der Biopsiezange (Lee et al., Am J Gastroenterol 2013). Kleine typische hyperplastische Polypensprossen im Rektum müssen nicht endoskopisch entfernt werden.

  • Die qualifizierte Dokumentation des endoskopischen und des histologischen Befundes wird gefordert. Dies umfasst die korrekte Beschreibung und optische Diagnose des Endoskopikers nach Maßgabe gängiger endoskopischer Nomenklatur sowie die standardisierte feingewebliche Diagnose des Pathologen (Baretton et al., Pathologe 2011) und die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Endoskopiker und Pathologe bei der Befundung. Die Übersendung des (möglichst bebilderten) Endoskopiebefundes an den Pathologen ist wünschenswert.

  • Die Abtragung und histologische Analyse von Polypen jedweder Größe muss über ein Register prospektiv erfasst werden; idealerweise „online“ unter Einschluss aller Vorsorge- und kurativen Koloskopien; dieses Register würde die Dokumentation des Qualitätsparameters Adenomdetektionsrate (ADR) sichern und eine ideale Grundlage für die Bewertung der biologischen Bedeutung von Polypen in Relation zu deren Größe bilden.

  • Technische Weiterentwicklungen zur weiteren Verbesserung der Darmkrebsvorsorge sind zu unterstützen und angemessen zu vergüten. Dies betrifft insbesondere die HD-TV Endoskopie zur Verbesserung der Detektionsrate von Adenomen im rechten Kolon und der ADR.

  • Die Qualität der Indexkoloskopie und die Einrichtung eines Polypenregisters können eine Neubewertung von Überwachungsintervallen in Abhängigkeit von klinischen und histomorphologischen Faktoren auf gesicherter Datenbasis ermöglichen. Ziel muss bei optimaler Ressourcenausnutzung und maximaler Patientensicherheit die Reduktion unnötiger Nachsorgen unter der Voraussetzung einer qualitativ hochwertigen Indexendoskopie mit histologischer Beurteilung aller Polypen im Rahmen der Indexkoloskopie sein. Dazu gehört aber auch die Identifizierung von Risikopatienten, die von kürzeren Überwachungsintervallen profitieren würden.

  • Eine mögliche Strategie zur Risikoadaptierung der Überwachungsintervalle wäre die Stratifizierung der Polypen in „low risk“ bei tubulären Adenomen kleiner 10 mm mit „low grade“ intraepithelialer Neoplasie und Entfernung im Gesunden, bei denen unter Berücksichtigung individueller Faktoren (Adenom-Anzahl, Familienanamnese bezüglich kolorektaler Karzinome, Lebensalter, Komorbidität) ein Intervall von 5–10 Jahren zur Kontrolle ausreichen kann (Loberg et al NEJM 2014). Für „high risk“-Adenome, werden Kontrollen in 3–5 Jahren empfohlen.

  • Das Konzept „Resect and Discard Strategie“ für kleine Polypen (Rex et al., GIE 2014) zeigt Potenziale zur Kostenminimierung in der Darmkrebsvorsorge auf, kann aber derzeit aufgrund der aktuellen Datenlage für die Praxis nicht empfohlen werden. Weitere Studien sollten klären, ob dieses Konzept unter strengen Qualitätssicherungsmaßnahmen (wie zum Beispiel durch ein prospektives Polypenregister) ohne Qualitätsverlust für die Darmkrebsvorsorge praktikabel werden könnte.


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Teilnehmerliste Experten-Workshop am 04.02.2015

Prof. Dr. Gustavo Baretton

Direktor des Instituts für Pathologie

Universitätsklinikum Carl Gustav Carus

Technische Universität Dresden

Fetscherstraße 74

01307 Dresden

gustavo.baretton@uniklinikum-dresden.de

Dr. Gerhard Brenner

ehem. Geschäftsführer des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung

Vorstand der Stiftung LebensBlicke – Früherkennung Darmkrebs

Wiesenstraße 68

53639 Königswinter

dr.gerhard.brenner@gmx.de

Prof. Dr. Matthias P. Ebert

Direktor der II. Medizinischen Klinik

Gastroenterologie, Hepatologie, Infektiologie

Universitätsmedizin Mannheim

Theodor-Kutzer-Ufer 1–3

68167 Mannheim

Vorstand der Stiftung LebensBlicke – Früherkennung Darmkrebs

matthias.ebert@umm.de;sekretariat.med2@umm.de

PD Dr. Siegbert Faiss

Chefarzt Gastroenterologie und Hepatologie

Asklepios Klinik Barmbek

Rübenkamp 220

22291 Hamburg

s.faiss@asklepios.com

Prof. Dr. Friedrich Hagenmüller

Chefarzt Gastroenterologie

Asklepios Klinik Hamburg Altona

Paul-Ehrlich-Straße 1

22763 Hamburg

f.hagenmueller@asklepios.com

Dr. Franz-Josef Heil

Facharzt für Innere Medizin, Proktologie, Diabetologie

Schwerpunktpraxis für Gastroenterologie

1. Vorsitzender des bng

Ernestus-Platz 1

56626 Andernach

heil@drheil.de

Prof. Dr. Ralf Kiesslich

Direktor der Klinik für Innere Medizin II

Schwerpunkte: Gastroenterologie, Hepatologie, Endokrinologie

HSK, Dr. Horst Schmidt Kliniken GmbH

Klinikum der Landeshauptstadt Wiesbaden und der HELIOS Kliniken Gruppe

Ludwig-Erhard-Straße 100

65199 Wiesbaden

info@ralf-kiesslich.de

Prof. Dr. Frank Kolligs

Chefarzt der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Gastroenterologie

Leiter der Interdisziplinären Endoskopie

HELIOS Klinikum Berlin-Buch

Schwanebecker Chaussee 50

13125 Berlin

frank.kolligs@helios-kliniken.de

Dr. Gero Moog

Praxis im Marienkrankenhaus Kassel

Leiter Fachgruppe Endoskopie des bng

Marburger Straße 85

34127 Kassel

info@dr-gero-moog.de

Prof. Dr. Helmut Neumann

Medizinische Klinik 1

Molekulare Endoskopie und Interventionelle Endoskopie

Universitätsklinikum Erlangen

Ulmenweg 18

91054 Erlangen

helmut.neumann@uk-erlangen.de

Prof. Dr. Jürgen F. Riemann

em. Direktor der Med. Klinik C

Klinikum Ludwigshafen

Vorstandsvorsitzender der Stiftung LebensBlicke – Früherkennung Darmkrebs

Parkstraße 49

67061 Ludwigshafen

riemannj@garps.de

Prof. Dr. Dieter Schilling

Chefarzt der Medizinischen Klinik II, Ärztlicher Direktor

Gastroenterologie, Hepatologie, Stoffwechselerkrankungen,

Ernährungsmedizin, Zentrum für Viszeralmedizin

Diakonissenkrankenhaus Mannheim

Speyerer Straße 91–93

68163 Mannheim

Vorstand der Stiftung LebensBlicke – Früherkennung Darmkrebs

dieter.schilling@diakonissen.de

Prof. Dr. Wolfgang Schmitt

Chefarzt der Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie

Städtisches Klinikum München GmbH

Klinikum Neuperlach

Oskar-Maria-Graf-Ring 51

81737 München

wolfgang.schmitt@klinikum-muenchen.de

Dr. Wolfgang Tacke

Gastroenterologie Hochtaunus

Regionalbüro Hessen des bng

Herzog-Adolph-Straße 13

61462 Königstein

wtacke@t-online.de

Prof. Dr. Andrea Tannapfel

Direktorin und Vorstand des Instituts für Pathologie

Ruhr Universität Bochum

Georgius Agricola Stiftung Ruhr

Bürkle-de-la-Camp-Platz 1

44789 Bochum

andrea.tannapfel@pathologie-bochum.de

Prof. Dr. Michael Vieth

Chefarzt und Direktor des Instituts für Pathologie

Klinikum Bayreuth GmbH

Preuschwitzer Str. 101

95445 Bayreuth

vieth.lkpathol@uni-bayreuth.de


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