physiopraxis 2015; 13(09): 16-21
DOI: 10.1055/s-0035-1564466
physiopolitik
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Publication Date:
10 September 2015 (online)

Branchenanalyse Physiotherapie – Berlin und Brandenburg laufen auf Fachkräftemangel zu

Es ist kein Geheimnis, dass die Ausbildungsund Arbeitsbedingungen für Physiotherapeuten nicht optimal sind und die Attraktivität des Berufs sinkt. Zudem lässt der demografische Wandel den Therapeutenbedarf steigen – ein Missverhältnis ist vorprogrammiert. Nun hat SÖSTRA, das Institut für sozialökonomische Strukturanalysen, die Entwicklung der Physiotherapeuten in Berlin- Brandenburg analysiert und herausgearbeitet, was sich ändern muss.

Dem Bericht zufolge gibt es in beiden Bundesländern weniger arbeitslose Physiotherapeuten als vor sechs Jahren (Abb. 1). Inzwischen nehmen weniger eine Ausbildung zum Physiotherapeuten auf. Zudem schreiben mehr Einrichtungen Stellen aus. Ein Fachkräftemangel zeichnet sich ab. In beiden Ländern ist die Zahl der Auszubildenden in den letzten Jahren gefallen. Die rückläufige Entwicklung ist bundesweit beobachtbar (Abb. 2). Der Bericht nennt als einen Grund, dass der Staat Umschulungen nicht mehr finanziert. Zudem sei die Ausbildung durch das von den meisten Schulen erhobene Schulgeld unattraktiv.

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Abb. 1 Entwicklung der Arbeitslosenzahlen 2007–2013 in der Physiotherapie
Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit
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Abb. 2 Entwicklung der Ausbildungszahlen 2006/07–2012/13 in der Physiotherapie
Quelle: Zöller 2014: Gesundheitsfachberufe im Überblick; Amt für Statistik Berlin-Brandenburg

Der Bedarf an Physiotherapeuten steigt.

Der Rückgang an Physiotherapeuten wird laut SÖSTRA in den nächsten Jahren auf einen erhöhten Bedarf treffen. Die Wachstumschancen durch den demografischen Wandel könnten jedoch durch die fortschreitende Ökonomisierung des Gesundheitswesens nicht genutzt werden. Eine auf Zahlen basierende Effizienz stehe im Vordergrund. Gegenwärtig sei nicht erkennbar, dass die Politik in der nächsten Zeit wirksame Schritte beschließe, die Therapieberufe attraktiver zu gestalten. Deshalb geht SÖSTRA davon aus, dass in der Physiotherapie das Beschäftigungswachstum in den nächsten Jahren leicht zurückgehen wird. Vielleicht entsteht jedoch durch den demografischen Wandel Handlungsdruck, der die Politik zu Veränderungen bewegt.

Zum steigenden Bedarf an Physiotherapeuten kommen die altersbedingt aus der Erwerbstätigkeit ausscheidenden Therapeuten und jene, die in eine andere berufliche Tätigkeit wechseln (Fluktuation). Schätzungen zufolge wird unter gleichbleibenden Bedingungen in Berlin-Brandenburg bis 2030 ein zusätzlicher Bedarf von 12.700 Physiotherapeuten bestehen. Hinzu kommen circa 3.500 fluktuationsbedingte und 4.100 altersbedingte Aussteiger.


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Fachkräftemangel aufhalten – nur wie?

Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, ist es wichtig, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Die hohen physischen und psychischen Belastungen, verbunden mit dem geringen Einkommen, schlagen sich auf die Attraktivität des Berufs nieder und erhöhen die Fluktuation. Auch eine stärkere Akademisierung könnte den Beruf attraktiver machen. Dem Bericht zufolge ist sich ein Großteil der befragten Einrichtungen in Berlin und Brandenburg der problematischen Arbeitsbedingungen für Physiotherapeuten bewusst. Es fehlten Ideen und finanzielle Mittel, um angemessen zu handeln und zum Beispiel ganzheitliche Ansätze wie Maßnahmen des Gesundheitsmanagements, Weiterbildungsangebote und bessere Beschäftigungsbedingungen für Therapeuten zu schaffen. Viele Einrichtungen wünschten sich hierfür Unterstützung vom Staat, um zukunftsfähige Personalkonzepte umsetzen zu können.

hhb


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