Diabetes aktuell 2015; 13(5): 195
DOI: 10.1055/s-0035-1564562
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Es kommt noch dicker

Sabine Hoppenstock
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Publication Date:
07 September 2015 (online)

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

die Deutschen werden immer dicker und damit steigt auch das Risiko für Diabetes und Folgeschäden. Dieses Phänomen ist seit Jahrzehnten zu beobachten.

Seit längerem wird eine bestimmte Genregion verdächtigt, bei Menschen Übergewicht zu verursachen. Jetzt gelang es Wissenschaftlern der Technischen Universität München, des MIT und weiteren Partnern nachzuweisen, dass in dieser Genregion eine einzige genetische Veränderung die Fettverbrennung hemmt und stattdessen die Fettspeicherung vestärkt (http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1502214). Vielleicht führt diese Entdeckung der Grundlagenforschung in vielen Jahren zu einer klinischen Anwendung, doch so viel Zeit bleibt uns nicht. Was können wir jetzt schon tun?

Vor allem muss der Kampf gegen die Adipositas als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gesehen und angepackt werden. Die Stigmatisierung Adipöser als disziplinlos, träge und faul muss aufhören. Wer schon einmal etliche Kilos abgenommen hat weiß, wie anstrengend das sein kann, aber im Vergleich zu der Anstrengung, das Gewicht dann zu halten, ein Klacks. Nicht umsonst wiegen über 70 % der Menschen, die abgenommen haben, nach einem Jahr wieder genauso viel oder mehr als vor dem Abnehmen. Die Adipositaschirurgie erlebt einen Boom, aber Langzeitdaten fehlen, sodass nicht abzuschätzen ist, ob der Nutzen die Folgen überwiegt.

In einer Gesellschaft, in der in immer mehr Familien nicht mehr täglich gekocht oder gemeinsam gegessen wird, in der bei den Mahlzeiten das Fernsehen oder der Computer läuft, muss schon bei den Kindern begonnen werden. Was die Familien nicht mehr kennen, muss von außen, z. B. Kindergarten und Schule wieder gelehrt werden: gemeinsam kochen und essen. Der Vorschlag einer Fettsteuer und Verbilligung gesunder Nahrungsmittel ist eine Möglichkeit, die Ampelkennzeichnung der Lebensmittel wäre auch eine Möglichkeit. Mir scheint aber, dass die Lobbyisten sehr viel stärker sind als alle guten Vorschläge. Und hier ist die ganze Gesellschaft gefragt, ihren Einfluss geltend und Druck zu machen.

Damit die Prävention endlich in der Gesellschaft ankommt!

Sabine Hoppenstock

Redaktion