Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2015; 25(06): 337-338
DOI: 10.1055/s-0035-1569274
Nachruf
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

In memoriam
Professor Dr. med. Georg Weimann
 *18.03.1927–†12.10.2015

C.-R. Arnold
1   ehemals Weserbergland-Klinik Höxter
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18 December 2015 (online)

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Professor Dr. med. Georg Weimann (Quelle: privat)

Am 12.10.2015 ist Herr Professor Georg Weimann im 89. Lebensjahr verstorben.

Prof. Weimann wurde am 18. März 1927 in Reval (heute Tallinn) in Estland als Sohn einer russischen Mutter und eines deutschen Vaters geboren. Er besuchte eine deutsche Grundschule und ab 1937 das humanistische Gymnasium „Die Domschule“. Neben Deutsch waren russisch und estnisch die Sprachen seiner Kindheit.

Nach dem Hitler-Stalin-Pakt 1939 wurden die Deutschbalten umgesiedelt. Die Familie ging mit vielen anderen in den Warthegau nach Posen. Dort besuchte er weiter das Gymnasium. Ende 1944 wurde er als noch 17-Jähriger zur Wehrmacht eingezogen, kämpfte bis kurz vor Berlin, wurde verwundet und kam in russische Gefangenschaft. Dank seiner Russischkenntnisse blieb ihm der Abtransport nach Russland erspart, da er als Dolmetscher gebraucht wurde. Im Dezember 1945 wurde er frühzeitig aus der Gefangenschaft entlassen.

Zum Sommersemester 1946 konnte er sich in München für das Medizinstudium immatrikulieren, das er sich nach der Währungsreform 1948 als Pharmareferent neben dem Studium finanzierte.

1950 studierte er ein Semester in Zürich. 1951 legte er das Staatsexamen ab und wurde 1953 in München bei Prof. von Bergmann mit einer Arbeit über das Fieber promoviert. Bei dem Betreuer seiner Dissertation Prof. von Uexküll, mittlerweile Ordinarius für Innere Medizin der Universitätsklinik in Gießen setzte er dann nach den ersten Assistenzarztjahren bei Prof. Landes am Klinikum Landshut seine internistische Ausbildung fort. 1961 erfolgte die Anerkennung als Facharzt für Innere Medizin. 1964 wurde er Oberarzt und folgte 1966 seinem Chef Prof. von Uexküll als geschäftsführender Oberarzt und Leiter der Abteilung Pulmologie an die neue Universität in Ulm. Im Jahr 1967 war er mit einer Arbeit über das Hyperventilationssyndrom der erste Habilitand für Innere Medizin der neuen Medizinischen Fakultät und wurde 1973 dort apl. Professor. Seine Schwerpunkte lagen zunächst in der Pulmologie und der Psychosomatik.

1969 wechselte Prof. Weimann in die Weserbergland-Klinik in Höxter, einem Fachkrankenhaus für Physikalische Medizin mit 500 Betten. Dort wirkte er bis zu seinem Ruhestand 1992 als Chefarzt zuerst der II., später I. Inneren Abteilung, ab 1975 auch als Ärztlicher Direktor.

Schwerpunkte seiner Arbeit in der Weserbergland-Klinik waren anfangs besonders die funktionellen Veränderungen der Lungenfunktion sowie der Belastbarkeit bei Bechterew- und Postpoliopatienten sowie auch von Patienten mit morbider Adipositas im Rahmen einer diätetischen Therapie. Anfang der 80er Jahre beteiligte sich die Klinik unter seiner Leitung an einer großen Schlaganfallstudie der VW-Stiftung mit mehreren Akut- und Rehabilitationskliniken. Seit 1984 erfolgte verstärkt die Behandlung von Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen in Zusammenarbeit mit der Deutschen Muskelschwundhilfe Hamburg und Überprüfung der funktionellen Effekte verschiedener physikalischer Therapieformen, die in dem von ihm herausgegebenen Buch „Neuromuskuläre Erkrankungen“ dokumentiert wurden. Seine Tätigkeit war stets von einem ganzheitlichen Zugang zum Patienten geleitet durch die psychosomatische Ausbildung bei seinem Lehrer Prof. von Uexküll.

Berufspolitisch engagierte er sich im Rahmen der DGPMR, deren Präsident er 1980–1981 war, mit der Ausrichtung der Jahreskongresse in Aachen 1980 und in Göttingen 1981. Schon in den 70er Jahren strebte er mit Kollegen aus der DGPMR wie den Professoren Drexel, Hildebrandt, Schlegel und anderen an, die Qualifikation der in der physikalischen Medizin tätigen Nachwuchsärzte auf eine gute Grundlage zu stellen. 1980 begannen die ersten Kurse zur Erlangung der Zusatzbezeichnung „Physikalische Medizin“. Von den 4 einwöchigen Kursen wurde der Themenkurs „Krankengymnastik und Bewegungstherapie“ seitdem über 20 Jahre in der Weserbergland-Klinik durchgeführt. Als Grundlage für den Kurs gab er in der Reihe „Physikalische Medizin“ Band 2 mit dem gleichnamigen Titel heraus. Später war er zusammen mit Prof. Gutenbrunner Herausgeber des umfangreichen Buches „Krankengymnastische Methoden und Konzepte“.

Bei der Ärztekammer Westfalen-Lippe war er noch über den Ruhestand hinaus als Prüfer tätig. Eine sehr große Freude war es für ihn, dass auf dem Deutschen Ärztetag 1992 nach der Wiedervereinigung der „Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin“ eingeführt wurde dank großer Unterstützung des Antrages durch die Kollegen aus der ehemaligen DDR.

Prof. Weimann war stets ein sehr disziplinierter, zielorientierter Mann und trotz einer gewissen Strenge Vorbild für seine Mitarbeiter. Bezüglich der Beschwerden durch seine Bechterewsche Erkrankung pflegte er immer zu bagatellisieren. Er liebte klassische Musik, war sehr gebildet, ein guter Tänzer, sehr unterhaltsam mit vielen lustigen Anekdoten. Er pflegte bis zuletzt enge Beziehungen zu seinem Freundeskreis aus dem Baltikum.

Prof. Weimann war seit 1956 verheiratet. Er hat 3 Kinder und 9 Enkel. Mit seiner Frau zog er 2012 von Höxter nach Krailling bei München. Er starb dort nach kurzer schwerer Krankheit am 12.10.2015. Der Autor dieser Zeilen hatte das Glück, ihn wenige Wochen vor seinem Tod in erfreulich guter Verfassung zu erleben.

Für die, die ihn kannten, bleibt er unvergessen.

Dr. C.-R. Arnold, Boffzen