Diabetes aktuell 2015; 13(07): 291
DOI: 10.1055/s-0035-1570398
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Herausforderung Diabetes

Antje Bergmann
,
Peter E. H. Schwarz
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Publication Date:
15 December 2015 (online)

Aktuelle Diskussionen politischer Akteure und europäischer Institutionen, Experten und Patientenvertreter betonten, Diabetes mellitus ist die Herausforderung der Zukunft, die wir aus medizinischer, sozialer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Sicht meistern müssen. Diabetes mellitus ist ein Beispiel für eine chronisch Erkrankung, die sehr viele unterschiedliche Facetten hat, die jede für sich eine Herausforderung darstellt. Dies ist neben der individuellen Krankheitslast ebenso ein positiver Wirtschaftsfaktor und „belebt“ die „Gesundheitsindustrie“.

Die Zunahme von Multimorbidität, eben auch der Prävalenz des Diabetes mellitus und eines immer früheren Erkrankungsalters führt dazu, dass dieser wirtschaftliche Faktor nicht zu unterschätzen ist. Medizinische Herausforderungen betreffen den Patienten selbst, sein soziales Umfeld, seine Arbeitswelt – und eben nicht nur die Therapieoptionen allein. Auf einer Veranstaltung zum Weltdiabetestag Anfang November brachte das ein Patient auf den Punkt. Er kritisierte die Referenten für qualitativ hochwertige Vorträge, aber fragte sie „… warum wir nicht das diskutieren, was uns eigentlich interessiert …“. In seinen Augen war es die optimale Versorgung, die dem Patienten ein Höchstmaß an Unabhängigkeit gibt. Mit diesem Thema wollen wir uns im vorliegenden Heft aus unterschiedlichen Perspektiven beschäftigen.

Herr Glatz und Herr Rinnert beschreiben das Problem Diabetes im betriebsmedizinischen Umfeld. Wie kann Arbeitsfähigkeit bei Diabetes erhalten werden und wie können betriebliche Abläufe so gestaltet werden, dass sich Menschen mit Diabetes integrieren können? Im arbeitsmedizinischen Sektor wird darüber intensiv nachgedacht, da die Reduktion der Arbeitsfähigkeit durch Diabetes eine wichtige gesellschaftliche Herausforderung darstellt.

Herr Gallwitz betrachtet die zugrundeliegende Fragestellung aus medizinischer Sicht. Wie können moderne, innovative Medikamente – in seinem Fall die GLP-1-Rezeptoragonisten – gezielt und auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten zugeschnitten eingesetzt werden? Sein Artikel gibt eine Übersicht über die verschieden GLP-1-Rezeptoragonisten und deren Einsatzmöglichkeiten zur Therapie des Typ-2-Diabetes nach modernen Leitlinien.

Zum Schluss berichtet Herr Uebel über einen Paradigmenwechsel in der Diabetologie. Die Prognose bei Diabetes mellitus wird derzeit immer noch im Wesentlichen von makrovaskulären Folgeerkrankungen bestimmt. Die mikrovaskulären Begleitkomplikationen folgen auf dem Fuße. Bedauerlicherweise ist die rein antihyperglykämische Therapie nicht wesentlich in der Lage, die makrovaskulären Komplikationen bei Diabetes zu beeinflussen, was zu einem Paradigmenwechsel in der Behandlung des Typ-2-Diabetes beitragen kann. In Zukunft werden Antidiabetika effektiv zeigen müssen, wie sie dazu beitragen können, Folgeerkrankungen zu verhindern.

Schaffen wir damit die „Herausforderung Diabetes mellitus“? Wir haben Nationale Leitlinien und können darauf die medizinische Versorgung aufbauen. Der Paradigmenwechsel darf nicht nur im Hinblick auf die Therapie stattfinden, sondern muss auch mit Blick auf unser gesellschaftliches Umfeld stattfinden. Unser Lebensumfeld ist „diabetogen“ und wir leben einen Lebensstil, der die Entwicklung eines Diabetes unterstützt. Ein Paradigmenwechsel im Lebensumfeld würde präventiv eingreifen, würde vielleicht in der Zukunft Diabetes verhindern können – das ist aber ein weiter Weg.

Ihre Antje Bergmann und Peter Schwarz