JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2016; 05(04): 150-151
DOI: 10.1055/s-0042-107912
Kolumne · Rechtsticker
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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Heidi Günther
,
Tobias Weimer
1   WEIMER I BORK – Kanzlei für Medizin- & Strafrecht, Frielinghausstr. 8; 44803 Bochum, Email: info@kanzlei-weimer-bork.de   URL: www.kanzlei-weimer-bork.de
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05 August 2016 (online)

KOLUMNE

Bewerbungen

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(Paavo Blåfield)

Man muss die Erleichterung der Arbeit nicht zu teuer kaufen.

(Friedrich Nietzsche (1844–1900), dt. Philosoph)

Gibt man bei Google den Suchbegriff „Bewerbung“ ein, erhält man ungefähr 1.890.000 Ergebnisse. Amazon bietet mehr als 15.000 Treffer für „Ratgeber Bewerbung“. Da gibt es für lau, aber nur für den Kindle, den „Ratgeber Bewerbung“ mit ganzen 12 Tipps, die zu einer erfolgreichen Bewerbung führen sollen. Vom gleichen Autor und natürlich auch kostenlos kann man noch ein weiteres Werk mit dem verheißungsvollen Titel: „9 Tipps für den erfolgreichen Lebenslauf“ herunterladen. Leider – oder zum Glück – bin ich derzeit nicht in der Stimmung, mir eine neue Arbeit suchen zu wollen. Aber wenn es so wäre, würde ich vor diesen literarischen Quellen nicht zurückschrecken, um wenigstens meinen Lebenslauf erfolgreicher darzubieten. Der würde dann natürlich nicht mehr profan „Lebenslauf“ heißen, sondern das wäre dann meine „Vitae Cursus“, und wenn ich dann noch die 12 anderen Tipps beherzigen würde, gäbe es kein Halten mehr für mich und den hiesigen Arbeitsmarkt. Die 19,99 Euro für „Finde den Job, der dich glücklich macht“ könnte ich getrost sparen.

Dabei wird es heutzutage offensichtlich immer anspruchsvoller für potenzielle neue Kollegen, sich einem Bewerbungsprocedere zu stellen. Ich selbst erlebe es ja immer nur dann, wenn die jungen Leute die ersten ein bis zwei Hürden, sprich unsere Pflegedienstleitung, „überstanden“ haben und als geeignet empfunden werden, einen Probearbeitstag, gern auch als „Schnuppertag“ bezeichnet, auf unserer Station leisten zu dürfen. Ehe es aber dazu kommt, hat der Interessent schon einige Gedanken und Mühen auf sich genommen. Er oder sie hat sich über potenziell freie Arbeitsstellen informiert und sich entschlossen, eine Bewerbung loszuschicken. So weit, so gut. Aber mit einer Bewerbungsmappe, mit Lebenslauf, Zeugnissen und einem schlichten Anschreiben ist heute nicht mehr viel Staat zu machen.

Allein bei der Flut von möglichen Bewerbungsmappen die richtige zu finden, kann reichlich Zeit und Nerven in Anspruch nehmen. Die Wahl ist zu treffen zwischen einteiliger, zweiteiliger oder dreiteiliger Mappe, die dann über eine oder zwei Klemmschienen verfügt und dazu noch mit oder ohne Dreiecktasche und/oder Sichtfenster versehen ist. Das ganze gibt es zudem auch noch in allen Farben dieser Welt. Wenn man sich dann für das Model „Veloflex“ für schlappe 12,47 Euro – pro Stück, versteht sich – in leuchtend Blau entschieden hat, kommt einem der Hersteller aufgrund seiner positiven Überzeugung zu seinem Produkt mit zehn Jahren Garantie und 365 Tage „Geld-Zurück-Versprechen“ entgegen – was ich persönlich bei einem Artikel wie diesem einigermaßen skurril finde.

Ist die richtige Mappe endlich gefunden, geht es um das Füllen dieser, und niemand sollte denken, dass man einfach seine vorhandenen Unterlagen einheftet und ab damit – nein, da ist schon ein bisschen mehr zu beachten. Neben Deckblatt, Bewerbungsschreiben, Lebenslauf, Zeugnissen etc. pp. wird heutzutage auch ein Motivationsschreiben gewünscht.

Das Motivationsschreiben, unter Insidern auch die „dritte Seite“ genannt, darf nicht zu kurz und nicht zu lang sein, keine Aufzählungen und Wiederholungen beinhalten. Es sollte etwas über die Person verraten, aber auch nicht zu persönlich sein und dabei immer einen Bezug zu der gewünschten Stelle herstellen. Es sollte beim Leser Interesse wecken, aber auf keinen Fall anbiedernd sein. Und auch hier steht, wie für alles im Leben, das Internet mit Rat und Tat zur Seite. Wenn gar nichts geht, lässt man eben schreiben. Diese Hürde wäre dann auch geschafft.

Aber jetzt wird es spannend! Kommt es zu einem Telefonat mit dem potenziellen Arbeitgeber, kann das gut oder auch schlecht sein. Entweder ist man interessant genug. Oder man hat schlicht und ergreifend irgendwas in der Bewerbungsmappe vergessen. Wenn es ganz dicke kommt, hat man die diversen Blätter in einer zu schlichten Mappe auch noch in falscher Reihenfolge abgeheftet.

Gibt es aber eine Einladung – super! Nichts wie hin und hoffen, dass die Vorbereitungen und die diversen Coachings etwas gebracht haben. Vielleicht wird es auch die große Überraschung und es findet ein Assessment-Center statt. Ich war einmal bei einer solchen Veranstaltung dabei. Zu meinem großen Glück stand ich auf der Arbeitgeberseite und war wieder einmal heilfroh, einen festen Arbeitsplatz zu haben oder schon so alt zu sein. So was müsste ich mir wirklich nicht antun.

Wenn dann endlich der Probearbeitstag kommt, kann ich als Stationsleitung schon mal sicher sein, dass der junge Mensch vor mir ein gewisses Maß Durchhaltevermögen hat, und hoffen, dass der profane Stationsalltag auf ihn nicht allzu enttäuschend wirkt. Dass meine Kollegen und ich dem Menschen auch zusagen und der erste Eindruck auf beiden Seiten nicht der schlechteste ist. Ansonsten bin ich ja – jenseits der Zeugnisse, Empfehlungen und Motivationsschreiben – der Ansicht, dass der potenziell neue Mitarbeiter Lust auf Lernen, auf dieses eine Fachgebiet und auf uns und unser Verständnis für die Pflege und in unserem Fall für modernes Wundmanagement hat. Dann kann es für alle Beteiligten eine schöne Sache werden und der Bewerbungsstress hoffentlich bald in Vergessenheit geraten.

Allen, die in der nächsten Zeit die Absicht haben, sich der Herausforderung einer Bewerbung zu stellen – toi, toi, toi!

… und übrigens: Auch auf meiner Station sind noch Planstellen frei!

In diesem Sinne,

Heidi Günther
hguenther@schoen-kliniken.de