VPT Magazin 2022; 08(02): 10-11
DOI: 10.1055/s-0042-1744022
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„PHYSIOTHERAPIE UND KLIMASCHUTZ – WIE PASST DAS ZUSAMMEN?“

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Sehr gut, findet Mila Plaisant, Aktivistin bei den „Physios für planetare Gesundheit“. Denn nur auf einer gesunden Erde (planetary health), kann es auch gesunde Menschen geben. Für euch haben wir mit Mila Plaisant über Physiotherapie und Klimaschutz gesprochen.

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(Foto: privat)

Vor welche Herausforderungen stellt die Klimakrise die Physiotherapie?

Es ist schwer vorauszusagen, welche Herausforderungen genau eintreten werden, aber da die Physiotherapie ein therapeutischer Beruf ist, in dem sich auch viele gesellschaftliche Probleme widerspiegeln, wird die Klimakrise ein Thema bleiben, an dem wir nicht vorbeischauen können. Unsere Gesundheit ist auch von unserer Umwelt abhängig, da wir ohne eine intakte Umwelt nicht existieren können. Deswegen ist unser Wohlbefinden ganz eng mit dem Klima verbunden. Ich denke, die Herausforderung hängt davon ab, in welchem Land man Physiotherapeut*in ist. In Deutschland sind zum Beispiel Hitzewellen, vermehrte UV-Strahlung oder Luftqualitätsänderungen ein weiterer Risikofaktor für unsere Gesundheit. Die generelle Herausforderung für uns Physios ist schon jetzt: weiter zu denken. Wir können neue Aufgaben finden in unserer Gesellschaft und uns zum Beispiel dafür einsetzen, Städte grüner zu gestalten und den Menschen möglichst viele zugängliche Erholungs- und Bewegungsräume zu bieten. Das wiederum ist dann auch gut für die eigene Gesundheit.

Welche Krankheiten treten durch die Klimakrise häufiger auf?

Auf jeden Fall Atemwegserkrankungen durch die Luftverschmutzung. Allergien häufen sich durch einen verlängerten Pollenflug. Hitze beansprucht das kardiovaskuläre System. Ebenso wird die psychische Gesundheit durch die Veränderung unseres Klimas und unserer Umwelt mehr belastet. Weitere Punkte sind Wasser- und Nahrungsmittelunsicherheit und die Zunahme von Infektionskrankheiten. Wenn ihr euch weiter informieren wollt, schaut gerne auf der Homepage der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) vorbei (siehe Linktipps).

Wie genau erzeugt das Gesundheitssystem weltweit rund 4,7% der Treibhausgase? Und welchen Anteil daran hat die Physiotherapie?

Der größte Anteil entsteht durch CO2-Emissionen, v.a. durch Krankenhäuser und das ganze Equipment, welches die elektronische Versorgung in Krankenhäusern braucht. Für die Physiotherapie spezifisch kann ich leider noch keine genauen Zahlen sagen. Dazu fehlt es noch an Studien. Die CO2-Emissionen der Physiotherapiepraxen im Vergleich zu Kranken-häusern wären auf jeden Fall ein interessantes Thema, welchem sich die „Physios für planetare Gesundheit“ als Projekt annehmen könnten.

Habt ihr schon genaue Ideen, wie Physios dazu beitragen können, etwas gegen die Klimakrise zu unternehmen?

Ich sehe unsere Aufgabe als Physios in vielfältigen Bereichen und auch gar nicht nur darin, unseren eigenen CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Wichtig ist unsere Rolle im Umgang mit Patient*innen, also dass wir z.B. unsere Patient*innen dabei unterstützen, sich wieder bewegen zu können und das nicht motorisiert. Somit können wir für eine nachhaltige Mobilität in unserer Gesellschaft sorgen. Wir können z.B. auch Gruppentherapie in der Natur anbieten. Dafür sensibilisieren, dass die Umwelt und die Natur für uns Menschen generell wunderbare Erholungsräume sind und mit unserer eigenen Gesundheit zusammenhängen.Eine große Aufgabe sehe ich für uns Physios in der Prävention, durch die viele chronische Erkrankungen verhindert und aufwendige OPs und Medikamente reduziert werden können. Unser Ziel ist ja auch, dass wir die Leute aus den Krankenhäusern rausholen. Schon alleine das Gesundsein reduziert ja schon die Treibhausgase. Generell möchten wir auch ein Umdenken in der Physiotherapie vorantreiben. Da hilft es schon, wenn man sich allein die Frage stellt: Was können wir denn gemeinsam mit und für unsere Patient*innen für unsere Umwelt tun?

Wie viele Aktivist*innen sind bei „Physios für planetare Gesundheit“ aktiv?

Wir sind insgesamt 50 Personen über ganz Deutschland verteilt. Wir treffen uns immer einmal monatlich online. Man kann also, egal von wo, gerne dazukommen. Ich schalte mich momentan aus meinem Erasmus-Semester in „European Public Health“ aus Maastricht dazu.

Welche Aktionen wurden bisher umgesetzt? Welche Aktionen sind für das Jahr 2022 geplant?

Unsere Aktionen sind grade vor allem größere inhaltliche Projekte, die wir in Kooperation mit der „Environmental Physiotherapy Association (EPA)“ machen. Ein weiteres großes Projekt ist der Therapie-Kongress in Leipzig vom 24.-26. März, gemeinsam mit der KLUG, der EPA und Health for Future zum Thema planetare Gesundheit. Das ist das erste Mal, dass auf einem Kongress in Deutschland das Thema planetare Gesundheit so groß vertreten ist. Unser Ziel ist, dass wir für dieses Thema sensibilisieren, es verbreiten und Ideen und Impulse zum Handeln geben, um weitere Transformationsprozesse anzustoßen. Dafür planen wir einige Workshops und Vorträge. Unser Programm dazu könnt ihr euch gerne auf der Website anschauen (siehe Linktipps).Es gibt auch noch einige kleine persönliche Projekte, die in den Praxen von Mitgliedern laufen, wie z.B. das Projekt „Grüne Punkte“ von Michael Streicher: Patient*innen, die nachhaltig in seine Praxis in Konstanz kommen (zu Fuß, mit Fahrrad oder Bus) bekommen Punkte und können diese gegen eine Belohnung eintauschen (siehe Linktipps).

Wie kann man die „Physios für planetare Gesundheit“ unterstützen?

Die größte Unterstützung, die wir gerade gebrauchen können, sind Spenden für die Therapiemesse in Leipzig. Wir machen das alle ehrenamtlich und suchen dafür noch Sponsor*innen. Ihr könnt gerne den QR-Code scannen und beim Spendenzweck die „H4F Physio AG“ auswählen.

Silke Fuchs

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(Foto: privat)

„Wir können uns dafür einsetzen, Städte grüner zu gestalten und den Menschen möglichst viele zugängliche Erholungs- und Bewegungsräume zu bieten. Das ist dann wiederum auch gut für die Gesundheit.“


Mila Plaisant

WER WIR SIND
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Die „Physios für planetare Gesundheit“ engagieren sich als bundesweiter Zusammenschluss von Physiotherapeut*innen für nachhaltigen Klimaschutz. Sie gründeten sich im Januar 2021 als Untergruppe des Bündnisses „Health for Future“. Sie erarbeiten innerhalb von Projektgruppen zukunftsfähige, nachhaltige Verhaltensweisen und Arbeitsabläufe für physiotherapeutische Einrichtungen. Dabei setzen sie ihren Fokus darauf, Möglichkeiten zur Information und Aufklärung von Patient*innen und Ausbildungseinrichtungen zum Zusammenhang von Klimawandel, Gesellschaft und Gesundheit zu finden.


Die „Physios für planetare Gesundheit“ stehen für die unten genannten Ziele von „Health for Future“ ein. Darüber hinaus entwickeln sie gerade eigene Grundziele für die Physiotherapie. Sie treten dafür ein, dass:

  • die „Behandlung“ der Klimakrise und ihrer Folgen für die Gesundheit eine zentrale Aufgabe des Gesundheitssektors wird.

  • die Ziele des Pariser Abkommens und der 1,5°C Begrenzung eingehalten werden und Deutschland bis 2035 klimaneutral wird.

  • die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels bei sämtlichen Klimaschutzmaßnahmen berücksichtigt werden.

  • das Thema Klimawandel und Gesundheit in den Curricula der Aus-, Fort- und Weiterbildungen der Gesundheitsberufe verpflichtend verankert wird.

LINKTIPPS

Wenn ihr gerne bei uns mitmachen wollt, dann schreibt per E-Mail an: physiotherapie@healthforfuture.de

Wenn ihr uns finanziell unterstützen wollt, wählt hier beim Spendenzweck die „H4F Physio AG“ aus: https://healthforfuture.de/aktiven-spende/

Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG): www.klimawandel-gesundheit.de/klimawandel-und-gesundheit

Programm zum Thema planetare Gesundheit auf der therapie Leipzig: www.therapie-leipzig.de/files/therapie-leipzig/media/therapie-master/tpmaster-pdf-dokumente/tpmaster-leipzig/tpmaster-tpl2022-kongressprogramm-web.pdf

Projekt „Grüne Punkte“ von Michael Streicher – nachhaltig in die Praxis: https://wechseldenken.de/bonusprogramm



Publication History

Article published online:
20 February 2022

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