Z Sex Forsch 2002; 15(4): 323-341
DOI: 10.1055/s-2002-36613
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Liberalisierung und Repression

Zur Strafrechtsdiskussion zum § 175 in der DDRGünter Grau1
  • 1EMPAS Institut für empirische und angewandte Soziologie Universität Bremen
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Publication Date:
14 January 2003 (online)

Übersicht

In Diktaturen wurden und werden jene sexuellen Formen, die von der verordneten Normalität abweichen, auffällig oft verfolgt. Probates Mittel der Gleichschaltung ist dabei unter anderem das Strafrecht, wie die Homosexuellenverfolgung durch die nationalsozialistische Diktatur, aber auch durch staatssozialistische Diktaturen zeigt. Die Entwicklung in der DDR scheint diesen Trend zu konterkarieren. Die DDR schwächte nicht nur die Intensität der strafrechtlichen Homosexuellenverfolgung allmählich ab. Knapp zwanzig Jahre nach ihrer Errichtung wurde der Verfolgungsparagraph 175 im Strafgesetz ersatzlos gestrichen. Der Autor untersucht, inwieweit der Wegfall der strafrechtlichen Sanktion als Indikator für die weithin behauptete liberale Haltung des SED-Regimes in der Homosexuellenfrage gelten kann. Dazu analysiert und kommentiert er verloren geglaubte, erst kürzlich aufgefundene Arbeitspapiere der Regierungskommission, die für die Ausarbeitung der neuen Normen im Sexualstrafrecht der DDR verantwortlich war. Die im Anhang abgedruckten Dokumente geben auf eindrucksvolle Weise Einsicht in die Rhetorik von Pönalisierung und Liberalisierung.

Literatur

  • 1 Bein H. Die wichtigsten gesetzlichen Grundlagen zur Bekämpfung der Sittlichkeitsdelikte. Berlin: VEB Deutscher Zentralverlag; 1959. (Schriftenreihe der Deutschen Volkspolizei; H. 8 und 11/12)
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  • 11 Kammergericht Berlin . Urteil vom 21. Februar 1950.  Neue Justiz. 1950;  4 129-130
  • 12 Klimmer R. Die Homosexualität als biologisch-soziologische Zeitfrage. Hamburg: Kriminalistik, Verlag für kriminalistische Fachliteratur; 1958
  • 13 Kocka J. Geschichte und Vergleich. Ansätze und Ergebnisse vergleichender Geschichtsschreibung. Frankfurt/M.: Suhrkamp; 1996
  • 14 Möller H. Die Geschichte des Nationalsozialismus und der DDR: ein (un)möglicher Vergleich?. In: Sühl K. Vergangenheitsbewältigung 1945-1989. Ein unmöglicher Vergleich? Berlin: Hentrich; 1994
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  • 16 Schönborn V. Strafrecht und Strafrechtsdenken in der DDR: Kontinuität deutscher Strafrechtsgeschichte? - Der StGB-Entwurf von 1953.  Jahrb Staats- und Verwaltungswiss. 1996;  9 47-59
  • 17 [StGB] .Strafgesetzbuch und andere Strafgesetze. Textausgabe mit Anmerkungen und Sachregister. Hrsg. vom Ministerium der Justiz der DDR. Berlin: VEB Deutscher Zentralverlag; 1951
  • 18 [StGB] .Strafgesetzbuch der DDR. Kommentar. Berlin: Staatsverlag; 1981
  • 19 [Strafrecht] .Das Strafrecht der sozialistischen Demokratie. Zum Erlaß des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches vom 11. Dezember 1957. Berlin: VEB Deutscher Zentralverlag; 1958
  • 20 Weber H. Die Sexualverbrechen im Strafrecht der Deutschen Demokratischen Republik und einige Probleme ihrer strafrechtlichen Bekämpfung. Jur. Diss., Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften „Walter Ulbricht”. Potsdam-Babelsberg, 1957 (unveröff.)

1 Vergleiche der beiden Diktaturen gelten als problematisch, wie die affektgeladene Debatte der letzten Jahre zeigt (vgl. u. a. Möller 1994; Kocka 1996; Heydemann und Beckmann 1997). Der zuweilen als Universalargument verwendete Hinweis auf die Einzigartigkeit der NS-Verbrechen ist nicht geeignet, einen Vergleich zwischen beiden Systemen von vornherein auszuschließen. Wohl aber sind auch Historiker gut beraten, wenn sie jenen Hinweis beherzigen, wonach jeder Vergleich zwischen dem NS- und dem SED-Regime sich vor „historischen Planierungen” hüten sollte (Rottleuthner 1994: 481).

2 Die Geschichte des § 175 in der DDR lässt sich mit wenigen Sätzen umreißen. Zunächst wurde nach der Kapitulation des NS-Regimes in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) - wie auch in allen anderen Besatzungszonen - der § 175 StGB in der von den Nationalsozialisten 1935 verschärften Fassung übernommen. Am 28. März 1950, also wenige Monate nach Gründung der DDR, verkündigte das Oberste Gericht der DDR ein Urteil (3 Zst 9/50), in dem es unter anderem hieß: „§ 175 ist [. . .] in der alten Fassung anzuwenden. Die Neufassung ist nationalsozialistisch.” (Entscheidungen des OG 1951: 190 f). Beibehalten wurde jedoch (der ebenfalls im Nationalsozialismus in Kraft gesetzte) § 175 a, da er - wie das Kammergericht Berlin (Ost) in einem Urteil am 21. Februar 1950 (1 Ss 165/49) - festgestellt hatte, den Gedanken „eines notwendigen Schutzes der Gesellschaft gegen sozialschädliche homosexuelle Handlungen qualifizierter Art [verwirklicht] und [. . .] daher keinen typischen nazistischen Inhalt” hat (Kammergericht Berlin 1950: 129). Damit war in der DDR bis zur ersatzlosen Streichung im Jahr 1968 folgender Wortlaut rechtsgültig:
§ 175
Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Tieren begangen wird, ist mit Gefängnis zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
§ 175 a
Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren [Strafmaß in der Spruchpraxis geändert: bis fünf Jahre; G. G.], bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter drei Monaten, wird bestraft:
1. ein Mann, der einen anderen Mann mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben nötigt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht missbrauchen zu lassen;
2. ein Mann, der einen anderen Mann unter Missbrauch einer durch ein Dienst-, Arbeits- oder Unterordnungsverhältnis begründeten Abhängigkeit bestimmt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht missbrauchen zu lassen;
3. ein Mann über 21 Jahren, der eine männliche Person unter 21 Jahren verführt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht missbrauchen zu lassen;
4. ein Mann, der gewerbsmäßig mit Männern Unzucht treibt oder von Männern sich zur Unzucht missbrauchen lässt oder sich dazu anbietet (StGB 1951: 87).
Entscheidend für die Strafrechtspraxis ab 1958 war § 8 des Strafrechtsergänzungsgesetzes vom 11. Dezember 1957 (DDR-GBLI 1957: 643 f). Danach konnte die strafrechtliche Verantwortung bei einvernehmlichen sexuellen Handlungen zwischen erwachsenen Männern aufgehoben werden, d. h. sie galten nicht mehr als Offizialdelikt.

3 Im Jahr 1963 hatte diese Unterkommission sechs Arbeitskreise: 1 Verbrechen gegen das Leben, 2 Straftaten gegen die Gesundheit, 3 Straftaten gegen die Freiheit, 4 Sexualverbrechen, 5 Beleidigungsdelikte, 6 Straftaten gegen das persönliche und private Eigentum.

4 Im Jahr 1963 kamen als neue Mitglieder hinzu: Dr. Manecke, Institut für Strafrecht der Karl-Marx-Universität Leipzig, Frau Seidel, Mitarbeiterin des Ministeriums der Justiz, und Hauptmann Fiedler, Volkspolizeikreisamt Leipzig.

5 Fragen des Autors nach dem Verbleib der Primärdaten der justiziellen Statistik, also den turnusmäßig zu erstattenden Meldungen der Bezirksstaatsanwaltschaften an das Ministerium der Justiz, wurden vom Bundesarchiv Berlin und von den Landesarchiven der neuen Bundesländer negativ beantwortet. Teilweise waren die entsprechenden Bestände noch nicht aufgearbeitet (Stand Sommer 2001).

6 Nach dem Strafrechtsergänzungsgesetz (StEG) vom 11. Dezember 1957 (DDR-GBLI 1957: 643 f.) waren einvernehmliche sexuelle Handlungen von erwachsenen Männern kein Offizialdelikt mehr. Nach § 8 StEG lag keine strafbare Handlung vor, „wenn die Handlung zwar dem Wortlaut eines gesetzlichen Tatbestandes entspricht, aber wegen ihrer Geringfügigkeit und mangels schädlicher Folgen für die Deutsche Demokratische Republik, den sozialistischen Aufbau, die Interessen der Werktätigen sowie des einzelnen Bürgers nicht gefährlich ist” (vgl. Strafrecht 1958).

7 Aus der Luft gegriffen sind die Angaben von Rainer Hoffschildt, Hannover. Ohne eine Quelle zu nennen, meint er, im Zeitraum 1945 bis 1968 seien in der DDR insgesamt 4000 Urteile nach §§ 175, 175 a gefällt worden (persönliche Mitteilung vom 23. Mai 2001).

Anhang

Entwürfe zur neuen Fassung der Strafbestimmungen zum „Gleichgeschlechtlichen Verkehr” in Arbeitspapieren der Gesetzgebungskommission des Ministeriums der Justiz der DDR für ein neues Strafgesetz aus den Jahren 1960 bis 1967

Entwurf vom Juni 1960

Auszüge aus dem Arbeitspapier „Verbrechen gegen die Person” der Forschungsgruppe Sexualverbrechen. Undatiert [Leipzig, Juni 1960]

Wir wollen die auf ehrlicher Zuneigung basierende eheliche oder uneheliche Gemeinschaft und die sich daraus ergebenden sexuellen Beziehungen zwischen Mann und Frau. Dieses Ziel entspricht den Ansichten der Werktätigen und ist im Interesse der kulturellen Weiterentwicklung unserer sozialistischen Gesellschaft und dem gesunden Wachstum der Bevölkerung anzustreben. Es ist erforderlich, alle diesem Ziel widersprechenden heterosexuellen und homosexuellen Beziehungen, insbesondere aber die oft im Zusammenhang damit auftretende lasterhafte Betätigung zu bekämpfen. [. . .]

4. Der gleichgeschlechtliche Verkehr (§ 72 des bisherigen Entwurfs)

Bereits in den ursprünglichen Ausführungen der Forschungsgruppe wurde zum gleichgeschlechtlichen Verkehr zwischen volljährigen Männern die Frage aufgeworfen, ob die Bekämpfung solcher Erscheinungen überhaupt noch mit den Mitteln des Strafrechts durchgeführt werden soll. Die Forschungsgruppe hat diese Frage verneint, im Gegensatz zur Meinung der Grundkommission, die vorgeschlagen hat, für den gleichgeschlechtlichen Verkehr zwischen volljährigen Männern Freiheitsentzug bis zu zwei Jahren anzudrohen. Die Gründe für diesen Vorschlag sind uns nicht bekannt. Die wesentliche Herabsetzung der anzudrohenden Höchststrafe gegenüber dem alten StGB zeigt aber, dass auch von der Grundkommission die Gesellschaftsgefährlichkeit dieser Handlungen nicht sehr hoch eingeschätzt wird. Die Forschungsgruppe vertritt auch heute noch die Meinung, dass der gleichgeschlechtliche Verkehr zwischen volljährigen Männern keine solche Gesellschaftsgefährlichkeit besitzt, dass sich das Mittel der Strafe notwendig macht. Mit den ständig größer werdenden Fortschritten auf dem Gebiet der medizinischen Heilmethoden wird es möglich sein, bei den echten Homosexuellen die abnorme Triebrichtung mit Hilfe des Arztes zu ändern. Aber auch die Lasterhaftigkeit der unechten Homosexuellen dürfte in dem Maße eingeschränkt werden können, wie sich das sozialistische Bewusstsein ändert. Zur Frage der Gesellschaftsgefährlichkeit wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die damals gemachten Ausführungen der Forschungsgruppe Bezug genommen. Die Hinweise des ZK der SED, dass mit der ständigen Weiterentwicklung des sozialistischen Bewusstseins der Werktätigen gleichzeitig auch die weitere Einschränkung der staatlichen Zwangsmittel in der Form der Strafe verbunden ist zugunsten gesellschaftlicher Erziehungsmaßnahmen, bestärkt die Forschungsgruppe in ihrer bereits damals zum Ausdruck gebrachten Meinung. Seitdem ist auch auf allen Gebieten unseres gesellschaftlichen Lebens eine wesentliche Veränderung des Bewusstseins unserer Werktätigen zu verzeichnen. Die sozialistischen Brigaden und Gemeinschaften in den Betrieben und andere Kollektive haben bewiesen, dass sie eine entscheidende Wirkung auf die Erziehung von Bürgern, die in ihrem Denken und Handeln zurückgeblieben sind, ausüben. Durch ihre Hilfe wird es ohne weiteres möglich sein, die genannten Erscheinungen hinsichtlich der Lasterhaftigkeit immer mehr einzudämmen. U. E. hat eine solche kollektive Erziehung eine wesentlich bessere Wirkung als die Strafe. Es ist eine Tatsache, dass Menschen. die wegen gleichgeschlechtlichem Verkehr zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden, nach deren Verbüßung sehr oft erneut aufgefallen sind. Wenn aber hinsichtlich der unechten Homosexualität seitens des Kollektivs, in dem der Täter arbeitet oder lebt, erzieherisch eingegriffen wird, dann dürfte durch die gesellschaftliche Erziehung eine wesentlich nachhaltigere Wirkung erreicht werden als mit dem Mittel der Strafe. Eine solche Erziehungsmethode wird aber auch einen besseren Erfolg zeigen hinsichtlich der echten Homosexuellen.

5. Gleichgeschlechtlicher Verkehr durch Gewaltanwendung oder zum Zwecke des Gelderwerbs (§ 73 des bisherigen Entwurfs)

Die Forschungsgruppe ist in Übereinstimmung mit der Grundkommission nach wie vor der Auffassung, dass es notwendig ist, solche Menschen zu bestrafen, die andere Bürger zu homosexuellen Handlungen nötigen oder die aus dem gleichgeschlechtlichen Verkehr einen Erwerb machen. Obwohl sich in der DDR ein neues sozialistisches Moralbewusstsein herausgebildet hat und sich dieses Bewusstsein ständig weiterentwickelt, gibt es noch eine Anzahl von Bürgern, die, zurückzuführen auf eine rückständige Denkweise, die Regeln der sozialistischen Moral missachten. In Bezug auf die Homosexualität ist zu verzeichnen, dass der größte Teil der unechten Homosexuellen sich solchen Beziehungen hingibt, um dadurch leicht und ohne Arbeit zu Geld zu kommen. Ein anderer Teil der Homosexuellen befriedigt, meist in Ermanglung eines Partners, seine sexuellen Bedürfnisse dadurch, dass er andere Bürger zu homosexuellen Handlungen entweder durch Gewalt oder Drohungen zwingt. Solche Verhaltensweisen verletzen sowohl die Würde unserer Bürger als auch deren sexuelle Entscheidungsfreiheit. In unserem sozialistischen Staat sind alle Voraussetzungen vorhanden, die jedem Bürger Arbeit und ein ausreichendes Einkommen garantieren. In der DDR hat es deshalb, im Gegensatz zu den kapitalistischen Staaten, kein Bürger notwendig, sich zu verkaufen. Darüber hinaus ist es selbstverständlich, dass in unserem sozialistischen Staat die Freiheit und Würde eines jeden Bürgers garantiert ist. Die geschilderte Verhaltensweise ist deshalb gesellschaftsgefährlich, weil sie einmal den sozialistischen Prinzipien widerspricht und zum anderen sich hemmend auf die Schaffung der materiellen Güter der Gesellschaft auswirkt. Wenn Menschen aus homosexuellen Beziehungen einen Erwerb machen, um damit ihren Lebensunterhalt ganz oder zum Teil zu bestreiten, dann verletzen sie nicht nur die Regeln der sozialistischen Moral unserer Gesellschaft, hemmen nicht nur den sozialistischen Entwicklungsprozess, sondern bewirken durch Ausfall ihrer Arbeitskraft, abgesehen von dem ideellen, auch einen materiellen Schaden. Ähnlich verhält es sich auch, wenn Bürger zu homosexuellen Handlungen durch Gewalt oder Drohung gezwungen werden [. . .]. Deshalb wird, ausgehend von den ursprünglich gemachten Ausführungen der Forschungsgruppe, [. . .] der Vorschlag unterstützt, dass für solche Handlungen erhebliche Freiheitsstrafen angedroht werden. Eine gesellschaftliche Erziehung oder andere erzieherische Maßnahmen dürften nicht ausreichend sein, um diese im höchsten Maße gesellschaftlich gefährlichen Erscheinungen zu bekämpfen und letzten Endes restlos zu beseitigen. [. . .]

Entwurf vom Oktober 1961

Auszüge aus dem Protokoll der Beratung der Strafrechtskommission von [unleserlich] Oktober 1961

§ 102 Gleichgeschlechtlicher Verkehr

(1) Der gleichgeschlechtliche Verkehr zwischen volljährigen Männern wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Verurteilung auf Bewährung bestraft.

(2) In schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren zu erkennen.
Ein schwerer Fall liegt vor, wenn

1. ein volljähriger Mann mit einem Jugendlichen gleichgeschlechtliche Handlungen vornimmt;

2. ein Mann einen anderen Mann zu gleichgeschlechtlichen Handlungen nötigt, ein bestehendes Arbeits- oder Unterordnungsverhältnis zu gleichgeschlechtlichen Handlungen missbraucht, einen anderen Mann in einen willenlosen Zustand versetzt, um an ihm gleichgeschlechtliche Handlungen vorzunehmen oder aus gleichgeschlechtlichen Handlungen einen Erwerb macht.

In den Fällen des Abs. 2 ist der Versuch strafbar. [. . .]

In der Deutschen Demokratischen Republik haben sich auf der Grundlage der sozialistischen Produktionsverhältnisse die sozialistischen Moralanschauungen und Gesellschaftsbeziehungen der kameradschaftlichen Zusammenarbeit, gegenseitigen Hilfe und Achtung herausgebildet, deren Wesen durch den gerechten Kampf der Arbeiterklasse um den gesellschaftlichen Fortschritt bestimmt wird.

Angriffe gegen diese neuen sozialistischen Beziehungen zwischen den Menschen haben ihre Ursache in den Überresten der dekadenten Moralanschauungen der bei uns liquidierten Ausbeuterklassen und richten sich gegen grundlegende Interessen der Arbeiterklasse und aller Werktätigen. Ihre Bekämpfung erfordert eine strafrechtliche Regelung. [. . .]

Die Gefährlichkeit des gleichgeschlechtlichen Verkehrs bzw. von gleichgeschlechtlichen Handlungen zwischen Männern besteht darin, dass die moralischen und sittlichen Anschauungen der Werktätigen über das normale, gesunde Geschlechtsleben verletzt und besonders die sozialistische Erziehung der Jugend in sexueller Hinsicht in gröblicher Weise gefährdet wird. [. . .]

„Gleichgeschlechtlicher Verkehr”

Thesen der „Forschungsgruppe Sexualverbrechen” der Unterkommission „Straftaten gegen die Persönlichkeit”. Undatiert [Leipzig, November 1963]

Die erste Alternative des § 175 StGB stellt die widernatürliche Unzucht zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe. Muss die Bekämpfung einer solchen Handlungsweise auch weiterhin mit den Mitteln des Strafrechts geführt werden?

Bereits in der Vergangenheit sind über diese Frage zahlreiche Diskussionen geführt worden und Veröffentlichungen mit unterschiedlichen Ergebnissen erfolgt. Zum Beispiel wird in den von der Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft herausgegebenen Materialien zum Strafrecht (Heft 2) ausgeführt, dass, „auf die Bekämpfung derartiger unzüchtiger Handlungen auch mit den Mitteln des Strafrechts nicht verzichtet werden kann”. Eine überzeugende Begründung aber, weshalb eine Bestrafung notwendig ist, wird nicht gegeben. Überhaupt sind der Forschungsgruppe keine überzeugenden Begründungen bekannt, die sich für die Bekämpfung des gleichgeschlechtlichen Verkehrs mit dem Mittel der Strafe aussprechen. Dagegen gibt es eine Reihe von ausführlichen und exakt begründeten Veröffentlichungen, die zu dem Schluss kommen, bereits jetzt die Norm des § 175 zu streichen. Es sei erinnert an die Dissertation von Dr. Hans Weber „Die Sexualverbrechen im Strafrecht der DDR und einige Probleme ihrer strafrechtlichen Bekämpfung” sowie an die Veröffentlichungen von Dr. Klimmer (besonders an das von ihm verfasste Buch „Die Homosexualität”) und an verschiedene, besonders ärztliche Fachzeitschriften.

Die Forschungsgruppe hat schon in ihren ursprünglichen Ausarbeitungen zur Frage des gleichgeschlechtlichen Verkehrs zwischen volljährigen Männern im Gegensatz zur Grundkommission die Auffassung vertreten und begründet, solche Handlungen nicht mehr unter Strafe zu stellen, weil dafür keine Notwendigkeit vorliegt. Sie vertritt diese Auffassung auch heute noch, weil derartigen Handlungen keine Gesellschaftsgefährlichkeit zugrunde liegt. Welche objektiven Auswirkungen, als eine Voraussetzung der Schuld, könnten solche Handlungen haben?

1. Homosexuelle Handlungen könnten zu moralischen Zersetzungserscheinungen führen, vor allem in militärischen Einheiten, geschlossenen Anstalten und Gemeinschaftsunterkünften.

2. Homosexuelle Handlungen könnten bevölkerungspolitischen Bestrebungen entgegenstehen.

3. Homosexuelle Handlungen könnten im Widerspruch zu den Auffassungen der Bevölkerung unserer Republik stehen. Sie könnten die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft beeinträchtigen.

4. Homosexuelle Handlungen können Ausgangspunkt anderer strafbarer Handlungen sein.

Dazu vertritt die Forschungsgruppe nach eingehender Überprüfung folgende Meinung.

Zu 1) Es handelt sich um ein Hauptargument für die inhaltliche Beibehaltung des § 175 StGB, das jedoch schon deshalb nicht überzeugen kann, weil sich der § 175 StGB auf beischlafähnliche Handlungen beschränkt, die nach den vorliegenden Ermittlungen nur den geringsten Teil der homosexuellen Handlungen darstellen. Außerdem wird dieses Argumentation widerlegt durch die Erfahrungen anderer Staaten, die eine große Armee besitzen (z. B. China). Die mitunter vorgetragene Meinung, bei Gruppierungen von Männern sei die Gefahr der Verführung zur Homosexualität besonders groß, weshalb zumindest eine Strafandrohung vorhanden sein müsse, ist irrig. Abgesehen davon können aus Zweckmäßigkeitserwägungen keine Strafbestimmungen geschaffen oder beibehalten werden. Von Verführung auszugehen ist deshalb abwegig, weil es ebensowenig eine Verführung zur Heterosexualität gibt wie eine Verführung zur Homosexualität. Gäbe es eine solche Verführung, müsste es ja möglich sein, eine homosexuelle Triebrichtung in eine heterosexuelle umzuwandeln. Nachgewiesenermaßen ist Homosexualität weder eine Krankheit, also ein medizinisches Problem, noch ein psychiatrisches, sondern ausschließlich ein biologisches Problem. Eine Änderung der Veranlagung kann demnach nicht erfolgen. Das bestätigen auch die Versuche Homosexueller, ihre Triebrichtung durch Eingehen einer Ehe zu ändern, ohne dass ihnen das gelungen ist. Letztlich steht damit auch die Tatsache im Zusammenhang, dass selbst mehrfach ausgesprochene Strafen gegen eine Person diese nicht abhielten, erneut homosexuelle Handlungen zu begehen.

Abgesehen davon, dass Homosexualität nicht ohne weiteres mit „moralischer Zersetzung” identisch ist, bedarf es keines allgemeinen Strafgesetzes, wenn vorwiegend von der Notwendigkeit der Bestrafung homosexueller Handlungen in militärischen Einheiten ausgegangen wird. Die Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung in den Dienstordnungen bzw. dienstliche Anweisungen würden ausreichen. Es sei noch erwähnt, dass außer China, Bulgarien, Rumänien und Polen sowie kapitalistischen Staaten auch die CSSR dazu übergegangen ist, gleichgeschlechtlichen Verkehr zwischen volljährigen Männern nicht mehr unter Strafe zu stellen. Nachteile dadurch sind nicht bekannt geworden. Die Straflosigkeit wird dort als etwas Selbstverständliches angesehen.

Zu 2) Auch bevölkerungspolitische Erwägungen rechtfertigen die Beibehaltung des § 175 StGB nicht. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass Homosexualität ausschließlich ein biologisches Problem ist. Homosexuelle sind also nicht in der Lage, eine Frau zu lieben, ebensowenig wie Heterosexuelle nicht in der Lage sind, Beziehungen zu einem Mann zu unterhalten. Beide Gruppen würden sich [in; G. G.] entsprechenden Beziehungen zumindest ekeln. Daraus ergibt sich, dass ein Homosexueller auch nicht in der Lage ist, sich durch natürliche Beziehungen mit einer Frau sexuell zu befriedigen. Eine sozialistische Ehe kann also nicht zustande kommen. Fachärzte raten deshalb Homosexuellen von der Eingehung einer Ehe ab.

Außerdem können bevölkerungspolitische Erwägungen, den Bestand der Gesellschaft zu sichern oder ihn zu erhöhen, schon deshalb nicht ausschlaggebend für die strafrechtliche Bekämpfung der Homosexualität sein, weil dann konsequenterweise alles bestraft werden müsste, was diesen Erwägungen entgegensteht, zum Beispiel auch der Anal-Verkehr zwischen Mann und Frau oder auch die Verwendung empfängnisverhütender Mittel.

Zu 3) Darüber, dass homosexuelle Handlungen in Widerspruch zu den Auffassungen des überwiegenden Teils der Bevölkerung unserer Republik stehen, bedarf es keine Begründung. Jedoch kann dieser Widerspruch schlechthin ohne objektive Auswirkungen keine strafrechtliche Folgen nach sich ziehen, es sei denn, schädliche Folgen müssten befürchtet werden. Bei Sexualverbrechen bezieht sich die Schuld im Wesentlichen auf einzelne Personen. In dieser Hinsicht sind aber keine schädlichen Folgen vorhanden.

Homosexuelle Handlungen sind aber auch keine Handlungen, die einer rückständigen Denkweise bzw. einer bestimmten Ideologie des Täters entspringen. Es wurde bereits gesagt, dass Homosexualität kein Laster, sondern ein biologisches Problem ist, das die Menschen schon in allen Zeiten beschäftigt hat. Homosexuelle Personen haben keinen Einfluss auf ihre Triebrichtung, sie können sie nicht ändern, selbst wenn sie es ernsthaft wollen. Da es sich nicht um eine Krankheit handelt, ist auch keine Heilbehandlung möglich. Für eine Schuld fehlen deshalb alle Voraussetzungen.

Homosexuelle können durch ihre Handlungen auch die kulturelle Entwicklung unserer Gesellschaft nicht hemmen. Außerdem machen die Homosexuellen nur einen verschwindenden Prozentsatz der Bevölkerung der DDR aus. Dr. Leonhardt hat in einer von der Forschungsgruppe durchgeführten Tagung die Zahl der Homosexuellen mit 1 œ bis 2 Prozent angegeben. Verbindliche Angaben über die Größe des homosexuellen Personenkreises liegen allerdings nicht vor.

Zu 4) Homosexualität schlechthin ist auch nicht Ausgangspunkt anderer Verbrechen. Lediglich die Strafandrohung des § 175 StGB hat in der Vergangenheit zu einer Reihe von Verbrechen (vor allem Erpressung) geführt, die im Gegensatz zu der im § 175 StGB für strafwürdig erklärten Handlungsweise ernsthafte gesellschaftsgefährliche Folgen hatten. Wenn zwar solche Verbrechen in unserer Republik auch nur selten zu verzeichnen waren, so muss doch mit Sicherheit angenommen werden, dass es mehr erpresserische Handlungen gegeben hat, als aufgeklärt werden konnten. Sie wurden meist deswegen nicht angezeigt, weil die geschädigten Personen Furcht vor der Strafverfolgung gemäß § 175 StGB hatten oder der mit der Anzeige notwendigerweise verbundenen Offenbarung ihrer Triebrichtung entgehen wollten. Wahrscheinlich ausgehend von solchen und ähnlichen Erwägungen haben sowohl die Volksrepublik Polen als auch die CSSR die Frage der Homosexualität dahingehend geklärt, dass sie homosexuelle Handlungen schlechthin nicht mehr unter Strafe stellen.

Im StGB der Volksrepublik Polen (§ 207) wird lediglich bestraft, „wer sich aus Gewinnsucht einer Person desselben Geschlechts zu einer unzüchtigen Handlung anbietet” und in der CSSR wurde der § 244 wie folgt geändert:

1. Mit einem Freiheitsentzug von 1-5 Jahren wird bestraft, wer nach Erreichung des 18. Lebensjahres mit einer Person gleichen Geschlechts sexuell verkehrt, die das 18. Lebensjahr noch nicht erreicht hat, oder wer den Verkehr mit einer Person gleichen Geschlechts mittels Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses erlangte.

2. Ebenso wird bestraft, wer a) für den gleichgeschlechtlichen Verkehr Bezahlung entgegennimmt oder leistet oder wer b) durch den Geschlechtsverkehr mit einer Person gleichen Geschlechts öffentliches Ärgernis erregt.

Nach Auffassung der Forschungsgruppe sollte eine ähnliche Regelung getroffen werden, wobei gleichzeitig auch das Problem der Homosexualität zwischen Frauen geklärt würde. Ausgehend davon, dass es in unserem Staat einen Unterschied zwischen der Stellung des Mannes und derjenigen der Frau in der Gesellschaft nicht geben kann, ist es auch völlig unverständlich, weshalb zur Zeit lediglich Homosexualität zwischen Männern bestraft wird. Mit der vorgeschlagenen Neuregelung würde dieser nicht zu vertretende Unterschied beseitigt. Weiterhin strafbar müssten allerdings bleiben bzw. sein, homosexuelle Handlungen unter Gewaltandrohung, unter Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses, Nötigung zu derartigen Handlungen sowie Prostitution.

Zur Homosexualität mit und unter Jugendlichen bzw. Kindern wird nicht Stellung genommen, weil solche Handlungen in das Gebiet einer anderen Unterkommission fallen. Soweit es sich um homosexuelle Handlungen unter Gewaltanwendung, Nötigung oder Missbrauch zu sexuellen Handlungen bzw. Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses handelt, sollten diese Tatbestände mit in die §§ 100, 101 aufgenommen werden, um nicht erneut Tatbestände getrennt nach Geschlechtern zu schaffen.

Inhaltlich trifft das auch für die homosexuelle Prostitution und deren Ausnutzung zu. Es ist nicht einzusehen, weshalb den §§ 104, 105 weitere Gesetzesbestimmungen hinzugefügt werden sollen, die den gleichen Inhalt haben. Anstelle „Frau” sollte „Person” gesetzt werden und die Norm entsprechend abgeändert werden, so wie das die Forschungsgruppe schon vorgeschlagen hatte. Daran, dass die Prostitution strafrechtlich bekämpft werden muss, hat sich nichts geändert. Das trifft aber doch sowohl auf weibliche als auch auf männliche Prostituierte zu. Weshalb hier eine Trennung erfolgen soll, ist nicht einleuchtend. Nur die gleiche Behandlung von Mann und Frau wird dazu beitragen, die Reste der noch anzutreffenden heuchlerischen bürgerlichen „doppelten Moral” zu beseitigen. Auch hinsichtlich der Strafen dürfte es keine unterschiedliche Behandlung der heterosexuellen und homosexuellen Prostitution und deren Ausnutzung geben.

Die Unterkommission unterbreitet folgenden Vorschlag zur Formulierung der Norm:

§ 102 Gleichgeschlechtliche Handlungen

(1) Wer als Volljähriger mit einem Jugendlichen des gleichen Geschlechts sexuelle Handlungen vornimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Person des gleichen Geschlechts zu sexuellen Handlungen nötigt, in einen willenlosen Zustand versetzt, um an ihr sexuelle Handlungen vorzunehmen, oder ein bestehendes Arbeits- oder Unterordnungsverhältnis zu sexuellen Handlungen missbraucht.

(3) Der Versuch ist strafbar. [. . .]

Die vorgeschlagene Strafbestimmung stellt die Vornahme des gleichgeschlechtlichen Verkehrs oder der gleichgeschlechtlichen Handlungen nicht schlechthin unter Strafe. Vorgesehen ist jedoch, dass schwere Fälle gleichgeschlechtlicher Handlungen strafbar sind. Es wird kein Unterschied gemacht, ob die schweren Fälle gleichgeschlechtlicher Handlungen zwischen Männern oder Frauen begangen werden.

Mit diesen Vorschlägen wird von der bisherigen gesetzlichen Regelung in den §§ 175, 175 a StGB, nach denen geschlechtsverkehrsähnliche Handlungen zwischen Männern grundsätzlich, unter bestimmten Voraussetzungen alle gleichgeschlechtlichen Handlungen zwischen Männern als Qualifizierung unter Strafe gestellt sind, abgegangen.

Die Unterkommission geht davon aus, dass homosexuelle Handlungen zwar im Widerspruch zu den Auffassungen des überwiegenden Teils der Werktätigen stehen, jedoch, sofern keine schweren Fälle vorliegen, zu keinen Auswirkungen führen, die eine Strafe erforderlich machen.

Die Gefährlichkeit der Homosexualität unter bevölkerungspolitischen Gesichtspunkten sehen zu wollen, wäre verfehlt, weil dann aus ähnlichen Erwägungen auch eine Reihe anderer Handlungen strafbar sein müssten.

Die auch heute schon nicht strafbaren gleichgeschlechtlichen Handlungen zwischen Frauen (sog. lesbische Liebe) unterscheiden sich nicht von der Homosexualität der Männer. Nachteilige Konsequenzen aus der Nichtbestrafung der Frauen sind nicht bekannt geworden.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Homosexualität schlechthin Ausgangspunkt anderer Kriminalität ist, wenn sie nicht unter Strafe gestellt ist. Allerdings ist dies im gewissen Maße der Fall, wenn sie, wie im heutigen StGB, für strafbar erklärt ist. [. . .]

Dr. Günter Grau

EMPAS Institut für empirische und angewandte Soziologie Universität Bremen

Bibliothekstraße 1

28359 Bremen

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