Dtsch Med Wochenschr 2003; 128(7): 326-329
DOI: 10.1055/s-2003-37243
Aktuelle Diagnostik & Therapie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Aktuelle Entwicklungen im Strahlenschutz bei beruflich Exponierten

Current developments in radiation protection of occupationally exposed personsP.-J Jansing1 , K. Ewen1
  • 1Landesanstalt für Arbeitsschutz Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf
Further Information

Publication History

eingereicht: 29.7.2002

akzeptiert: 6.12.2002

Publication Date:
13 February 2003 (online)

Hämatologische Neoplasien als Folge einzeitiger Strahlenexposition treten nach einer mittleren Latenzzeit von gut 10 Jahren auf, während die durchschnittliche Latenzzeit solider Tumore mit über 20 Jahren doppelt so hoch liegt. Hingegen liegt nach 20 Jahren die Inzidenz der hämatologischen Neoplasien bereits wieder auf Spontanniveau. Die nationale und internationale Normierung orientierte sich wesentlich an den Veröffentlichungen der International Commission on Radiological Protection (ICRP), die ihrerseits bis in die 90er Jahre vornehmlich die Auswirkungen auf das blutbildende System berücksichtigte. Mit dem ICRP-Report 60 [5] wurden neue Grenzwertempfehlungen unter Einbeziehung aller Krebslokalisationen erarbeitet.

In mehreren Schritten wurde daraufhin die gesetzliche Normung diesen Erkenntnissen angepasst. Insbesondere sollen mit der letzten Novellierung von Strahlenschutz (StrSchV)- und Röntgenverordnung (RöV) sowohl ein Gesamtkonzept zum Schutz der Allgemeinbevölkerung als auch besondere Aspekte des Patienten- und Arbeitnehmer-orientierten Strahlenschutzes berücksichtigt werden. Dabei wurden die Grenzwerte deutlich abgesenkt (Tab. [1] ). In einigen wenigen Punkten sind aber auch unsinnige Restriktionen beseitigt worden.

Tab. 1 Definition bestimmter Personengruppen und deren Grenzwerte nach der novellierten Fassung der StrSchV und RöV, hier am Beispiel der effektiven Dosis [in mSv/a = Millisievert pro Jahr]. Personengruppe Definitions- bereich Grenzwert Bisheriger Grenzwert nicht strahlen- exponierte Einzelpersonen der Bevölkerung ≤ 1 mSv/a 1 mSv/a 1,5 mSv/a 1) beruflich strahlenexponierte Personen 20 mSv/a der Kategorie B > 1 mSv/a bis 6 mSv/a 15 mSv/a der Kategorie A > 6 mSv/a 50 mSv/a 1) In der alten StrSchV wurden die von Einzelpersonen der Bevölkerung betretbaren Areale unterteilt in außerbetriebliche Überwachungsbereiche (Grenzwert dort 1,5 mSv/a) und Bereiche, die nicht Strahlenschutzbereiche sind (Grenzwert dort für Ableitung radioaktiver Stoffe über Luft und Wasser: jeweils 0,3 mSv/a).

Vielfach wurde schon im Vorfeld der Novellierungen die Befürchtung laut, dass aus den veränderten Grenzwerten eine erhebliche Ausweitung des von der arbeitsmedizinischen Vorsorge betroffenen Personenkreises resultieren würde. Gleichzeitig steigt das Durchschnittsalter und damit auch die Morbidität der arbeitenden Bevölkerung. In der Folge würden - so die Erwartung - dann vermehrt Problemfälle, also eine erhöhte Zahl von Personen, bei denen ärztlicherseits Bedenken gegen die weitere Beschäftigung als beruflich strahlenexponierte Person bestehen, auftreten. Das könnte erhebliche Friktionen im Arbeitsalltag und personelle Engpässe zur Folge haben.

Damit kommt der sachgemäßen Auswahl der Personen, die einer Strahlenschutzvorsorgeuntersuchung zugeführt werden, eine hohe Bedeutung zu. Dabei ist ein Mittelweg einzuhalten, der einerseits unnötige Untersuchungen und daraus möglicherweise resultierend nicht gerechtfertigte Beschäftigungsbeschränkungen und -verbote vermeidet und andererseits den nötigen Schutz der exponierten Personen sicherstellt. Häufig sind es Ärztinnen und Ärzte in Praxis und Klinik, die als Strahlenschutzbeauftragte festlegen müssen, welcher Personenkreis einer arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung zuzuführen ist. Untersuchungspflichtig sind alle Personen der Kategorie A sowie, auf Anordnung der Behörde, Personen der Kategorie B, wenn sie beispielsweise der Gefahr einer Kontamination und Inkorporation beim Umgang mit offenen radioaktiven Stoffen ausgesetzt sind (Tab. [2]).

Tab. 2 Untersuchungspflichtige Personen nach § 37 RöV bzw. § 60 StrSchV. Strahleneinwirkung Untersuchungspflicht Rechtsvorschrift Bestrahlung von außen: beruflich strahlenexponierte Personen der Kategorie A > 6 mSv/a RöV StrSchV zum Beispiel: Bestrahlung von innen: durch Umgang mit offenen radioaktiven Stoffen besteht die Gefahr einer Kontamination oder Inkorporation auf Anordnung der Behörde StrSchV

kurzgefasst: Die Novellierung des Strahlenschutzrechts hat zu einer deutlichen Absenkung der Grenzwerte für beruflich strahlenexponierte Personen geführt, was zu der Befürchtung Anlass gibt, die Zahl der ärztlichen Vorbehalte gegen eine Weiterbeschäftigung in exponierten Bereichen könnte deutlich ansteigen.

Literatur

  • 1 Bamberg M, Schmoll H -J, Weißbach L. Diagnostik und Therapie von Hodentumoren.  Dt Ärztebl. 1997;  94 242-248
  • 2 Beckers H. Arbeitsmedizinische Einschränkungen bei bestimmten Erkrankungen. (2. Aufl.) Köln: Verlag Arzt u. Information 1998
  • 3 Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (ASiG) von 12. Dezember 1973, BGBl. I: 1885 - 90. 1973
  • 4 Grundsätze für die ärztliche Überwachung von beruflich strahlenexponierten Personen. In Schriftenreihe des Bundesministeriums des Inneren. Stuttgart: Verlag Kohlhammer 1978
  • 5 International Commission on Radiological Protection (ICRP), 1990 Recommendations of the ICRP, Annals of the ICRP. Oxford: Pergamon Press 1992 Vol. 21/1 - 3
  • 6 Jansing P -J, Meyer-Falcke A, Jansen G. Strahleninduzierte Berufskrankheiten in den letzten zehn Jahren - Überlegungen zur Weiterentwicklung des technischen und medizinischen Strahlenschutzes.  Arb Soz Präventivmedizin. 1992;  27 351-354
  • 7 Meyer-Falcke A, Jansing P -J, Wins W. Monitoring persons occupationally exposed to radiation at a German university, 10th International Symposium of the Electricity Section of the ISSA,. Radiation - Fields - Currents, Wien 1991
  • 8 Verordnung zur Änderung der Röntgenverordnung und anderer atomrechtlicher Verordnungen von 18. Juni 2002, BGBl. I (36):1869 - 1907. 2002
  • 9 Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen (Strahlenschutzverordnung - StrSchV), in: Verordnung für die Umsetzung von EURATOM-Richtlinien zum Strahlenschutz von 20. Juli 2001, BGBl. I (38): 1714 - 1846. 2001

Priv.-Doz. Dr. med. Paul-J. Jansing

Landesanstalt für Arbeitsschutz Nordrhein-Westfalen

Ulenbergstraße 127-131

40225 Düsseldorf

Email: jansing@lafa.nrw.de

    >