Dtsch Med Wochenschr 2003; 128(17): 915
DOI: 10.1055/s-2003-38844
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Osteoporose ist eine Volkskrankheit - Evidenzbasierte Leitlinien wurden verabschiedet

Osteoporosis a Public Health Problem - Evidence-based Clinical Practice GuidelinesW. J. Faßbender1 , K.-H Usadel1
  • 1Institut Medizinische Klinik I, Endokrinologie
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Publication Date:
24 April 2003 (online)

PD Dr. W. J. Faßbender, Frankfurt

Prof. Dr. K.-H. Usadel, Frankfurt

Die Osteoporose ist in unserer älter werdenden Gesellschaft ein zunehmendes Gesundheitsproblem geworden. Hinsichtlich Morbidität und sozioökonomischer Relevanz ist sie gleichbedeutend mit den großen Volkskrankheiten wie koronare Herzerkrankung, chronisch obstruktive Lungenerkrankungen und Diabetes mellitus. Osteoporose-bedingte Frakturen beeinträchtigen die Lebensqualität und Mobilität und führen häufig zu dauerhafter Pflegebedürftigkeit. Derzeit verursachen osteoporotische Frakturen in Deutschland Kosten in Höhe von 2,5 bis 3 Milliarden Euro. Die zur Verfügung stehenden Daten zeigen, dass ein Großteil osteoporotischer Frakturen nicht erkannt, und wenn erkannt, häufig nicht behandelt wird. So spielen hier einerseits das „case finding” für Risikopatienten eine Rolle, andererseits sind viele ältere Patienten trotz bereits eingetretener osteoporotischer Frakturen unterversorgt. Im Hinblick auf die Tatsache, dass gerade Patienten mit vorbestehenden Frakturen in besonderem Maße gefährdet sind, weitere Frakturen und damit dauerhafte Einbußen an Mobilität und Lebensqualität zu erleiden, ist diese Erkenntnis von außerordentlicher Bedeutung. Ursächlich für die Unterversorgung sind mangelnde Information, widersprüchliche Expertenempfehlungen und ein unzureichendes Verständnis für ein interdisziplinär anzugehendes Gesundheitsproblem.

Im Jahr 1999 wurde der Dachverband der deutschsprachigen osteologischen Fachgesellschaften (DVO) gegründet. Unter Federführung von Prof. Dr. med. Johannes Pfeilschifter (Bochum) haben drei multidisziplinäre Arbeitsgruppen in den vergangenen 3 Jahren einheitliche Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der Osteoporose erarbeitet. Nach systematischen Recherchen sowie Bewertungen der deutsch- und englischsprachigen Literatur erfolgte ein dreimonatiges internet-gesteuertes Konsensusverfahren, bei welchem Kommentare berücksichtigt wurden, die öffentlich ins Internet gestellt werden konnten. Im Rahmen der Tagung „Osteologie 2003”, welche vom 26.03.-29.03.2003 in Göttingen stattfand, wurde die Endfassung dieser Evidenz-basierten Konsensus-Leitlinien des Dachverbandes Osteologie vorgestellt. Diese unter großem Aufwand entstandenen Leitlinien entsprechen den Anforderungen der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF) und der Ärztlichen Zentralstelle für Qualität (ÄZQ). Die Leitlinien beinhalten Algorithmen zur Diagnostik und Therapie bei postmenopausaler Osteoporose, der Altersosteoporose und der glukokortikoid-induzierten Osteoporose. Mit den nun zur Verfügung stehenden DVO-Leitlinien gehört die Osteoporose zu den wenigen Erkrankungen, für die es Leitlinien der qualitativ höchsten Entwicklungsstufe gibt. Von der Umsetzung dieser Empfehlungen erwarten wir eine Senkung der Frakturrate, der Folgemorbidität und der damit verbundenen Kosten. Die Endfassung der Kurzversionen der am 26.3.2003 in Göttingen verabschiedeten Leitlinien sind seit dem 7.4.2003 im Internet unter www.bergmannsheil.de/leitlinien-dvo/ einzusehen. In der DMW 30/2003 werden aus diesem aktuellen Anlass weitere Arbeiten zur Diagnostik und Therapie der Osteoporose erscheinen. Wir stehen vor einem wichtigen Schritt, da eine ganz besondere Bedeutung nun in unmittelbarer Zukunft der Disseminierung und Implementierung der Leitlinien zukommt. Im Rahmen der Leitlinienpflege wird nach 18 Monaten erneut eine Überarbeitung erfolgen. Der Dachverband der deutschsprachigen osteologischen Fachgesellschaften setzt mit den nun verabschiedeten Evidenz-basierten Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der Osteoporose ein Zeichen in der „Bone and Joint Decade 2000 - 2010”.

Priv.-Doz. Dr. med. Walter Josef Faßbender

Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Medizinische Klinik I, Endokrinologie

Theodor-Stern-Kai 7

60590 Frankfurt/M

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